
"Fakt ist, dass wir uns ein Jahr Dauerwahlkampf nicht leisten können. Dafür sind die Herausforderungen zu gewaltig“, sagt Westerwelle im Gespräch mit der WirtschaftsWoche. Bundeskanzlerin Angela Merkel, so Westerwelle, „sollte spätestens bei einem Durchmarsch von Andrea Ypsilanti mit Hilfe der Linkspartei in Hessen überlegen, ob damit nicht der letzte Rest an Gemeinsamkeiten zerstört ist“. Neuwahlen im Bund seien zwar „nicht schön“, aber „ehrlicher als eine Fortsetzung dieser Zwangsehe“.
Westerwelle zeigte sich ablehnend gegenüber einem Bündnis mit der SPD oder einer Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und Liberalen. Er wolle nicht mit der SPD koalieren, „weil die Herren Müntefering und Steinmeier den Kurs der SPD nicht verändert haben“. Außerdem wolle die SPD in vielen Bundesländern „mit Hilfe der Kommunisten und Sozialisten an die Macht“. Dieser Ansatz greife auch „auf die Bundesebene über“. Westerwelle: „Wieso sonst will die SPD zusammen mit Grünen, Sozialisten und Kommunisten unseren erfolgreichen und hoch angesehenen Bundespräsidenten Horst Köhler aus dem Amt drängen.“ Für ihn sei die Bundespräsidentenwahl der „Prüfstein, ob die SPD ihren Kurs ändert“. Hier könne „Steinmeier zeigen, ob er Kraft und Macht hat“.
Westerwelle gab allerdings Merkel und der CDU-Führung die Schuld für eine wachsende Verunsicherung über die Aussichten einer Koalition aus Union und FDP: Die bürgerliche Mehrheit „ist so frustriert über die schwarz-rote Mischung aus Abkassieren und Stillstand, dass manche leider nicht mehr zur Wahl gehen“. In der CDU-Parteizentrale „steigt das Wasser“, warnte Westerwelle. Wer eine „bürgerliche Mehrheit will, der müsste jetzt endlich wach werden“. Kritisch äußerte sich der FDP-Vorsitzende zu den hohen Sympathiewerten der Kanzlerin, die der Union nicht zu mehr Stimmen verhelfen würden. „In der Union glauben zu viele, die Kanzlerin könne übers Wasser gehen.“ Dabei führten „Merkels gegönnte Sympathiewerte“ noch nicht „zu besseren Wahlergebnissen für die CDU/CSU“. In der Koalition werde „nicht geführt, sondern austariert“ – auch wenn das den politischen Verhältnissen geschuldet sei. Der FDP-Chef fordert von der Union, sie müsse aufhören „zu irrlichtern“ und dürfe sich nicht weiter „vom Linksvirus infizieren lassen“.
Trotz dieser Kritik wolle die FDP aber an einer bürgerlichen Mehrheit festhalten, sagte Westerwelle. „Für die FPD bleibt die Union trotz ihrer Sozialdemokratisierung auf Bundesebene die Partei, mit der wir derzeit die größeren Übereinstimmungen haben“, so Westerwelle. Auch sehe er die Landesregierungen in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen („wo die schwarz-gelben Koalitionen sehr erfolgreich arbeiten“) als Blaupause für den Bund. Westerwelles Ziel ist es, frustrierte Nicht-Wähler zu mobilisieren: „Ich brenne darauf in den nächsten Monaten bis zur Bundestagswahl 2009.“