Wettbewerbsfähigkeit „Viele stellen die deutsche Haushaltspolitik infrage“

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„In der Coronakrise ist Deutschland auf einem sehr guten Weg“

Stichwort Unsicherheit: Die Corona-Pandemie hat so gut wie alle Staaten innerhalb weniger Wochen in eine Wirtschaftskrise gestürzt. Sind die ökonomischen Folgen von Covid-19 in Ihrer Rangliste berücksichtigt?
Bezüglich der Wirtschaftsdaten basiert unsere Analyse größtenteils auf Zahlen aus 2019. Das gilt gerade für die Kategorie, in der wir die Wirtschaftsleistung eines Landes beurteilen. Wie genau sich die Pandemie also auf die Beschäftigungszahlen, das Bruttoinlandsprodukt oder die Verschuldung eines Staates auswirkt, lässt sich aus der aktuellen Rangliste noch nicht ablesen. Allerdings berücksichtigt unsere Auswertung auch zu einem Drittel die Ergebnisse einer Führungskräfte-Befragung, die wir im Februar und März dieses Jahres durchgeführt haben. In dem Fragebogen ging es vor allem um Einschätzungen zur politischen Stabilität, dem gesellschaftlichen Zusammenhalt sowie der Bedeutung ethischer Standards im Unternehmen. Da wir die Manager zu einer Zeit befragt haben, in der Coronavirus langsam aber doch als eine immer größer werdende Bedrohung wahrgenommen wurde, können wir aus dem aktuellen Ranking zumindest Annahmen treffen, welche Länder schlechter und welche Länder besser durch die Coronakrise kommen werden.

Wie sehen diese Annahmen aus?
Es wird letztlich alles davon abhängen, wie gut es die privaten Unternehmen schaffen, den Schock abzufedern. Dafür müssen sie vor allem schnell auf die sich laufend verändernden Marktbedingungen reagieren und Geschäftsmodelle entwickeln, die auch in Zeiten einer Gesundheitskrise funktionieren und profitabel sind. 

Welche Rolle spielt dabei der Staat?
Der Staat spielt hierbei – wie in jeder Krise – eine enorm wichtige Rolle. Er muss die institutionellen und gesetzlichen Rahmenbedingungen so ausgestalten, dass sie auch in der Pandemie dazu taugen, einen gesunden Markt zu fördern. Die Unternehmen müssen in der Lage sein, weiterhin frei zu wirtschaften, aber trotzdem darauf vertrauen können, dass sie der Staat – wo nötig – unterstützt. Deutschland geht hier einen sehr guten Weg. Betriebe werden zum Beispiel mit der Kurzarbeiter-Regelung unterstützt, die entlastet die Arbeitgeber und zugleich hält es die Kaufkraft auf gutem Niveau.



Heißt das Deutschland, wird die Coronakrise besser überstehen als die meisten anderen Länder?
Das kann man so pauschal noch nicht sagen, da es auch davon abhängt, wie lange uns die Pandemie noch begleiten wird. Im Moment ist Deutschland, gemeinsam mit anderen europäischen Staaten wie Österreich oder der Schweiz aber auf einem sehr guten Weg. Der große Vorteil dieser Länder im Kampf gegen das Coronavirus besteht sicherlich auch darin, dass sie über ein stabiles Gesundheitssystem verfügen und solide Staatsfinanzen haben. Eine gute Bonität erlaubt es ihnen, sich zu guten Konditionen zu verschulden und vergleichsweise günstige Rettungspaket für den Wiederaufbau der Wirtschaft schnüren.

In den USA wütet das Coronavirus nach wie vor besonders stark. Wird sich das Ranking der Vereinigten Staaten durch die Pandemie noch weiter verschlechtern?
Das Virus ist für die USA in der Tat ein großes Problem. Das Gesundheitssystem ist heillos überfordert und die Arbeitslosigkeit steigt ungebrochen. Schon im Vergleich zu 2019 ist das Land im diesjährigen Ranking von Platz drei auf Platz zehn zurückgefallen – und das obwohl die aktuell niedrigen Beschäftigungszahlen durch Covid-19 noch gar nicht berücksichtigt sind. Ausschlaggebend für die Verschlechterung um ganze sieben Ränge war sicherlich der Handelskrieg mit China, der den internationalen Handel aber auch das Vertrauen der ausländischen Investoren massiv beeinträchtigt hat. Auch die Angst vor politischer Instabilität in den USA ist in den vergangenen Jahren laufend angestiegen, wie unsere Umfrage unter den Führungskräften zeigt. All das hat sich in der Coronakrise nochmals deutlich verschlechtert. Die Unsicherheit am Markt ist groß und wird von Tag zu Tag größer, wenn die Regierung die Pandemie nicht in den Griff bekommt. Das große Glück der USA ist, dass sie – wie auch China – über einen riesigen Binnenmarkt verfügt, der die geringere Nachfrage aus dem Ausland ein Stück weit abfedert. Die Wirtschaftsleistung des Landes ist somit nach wie vor hoch, da der Binnenmarkt weiter wächst und die Konsumfreude der Amerikaner ungebrochen ist. In Sachen Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität für ausländische Investoren wird der Wirtschaftsstandort USA – sofern sich nicht grundlegend etwas an der politischen Stoßrichtung ändert – in den kommenden Jahren aber weiterhin verlieren.

China und insbesondere Taiwan haben das Coronavirus besonders schnell eingedämmt. Wird den beiden Ländern das im Wettbewerbsfähigkeits-Ranking 2021 zugutekommen?
Auch das hängt davon ab, inwiefern diese Staaten das Virus nun tatsächlich besiegt haben. Falls eine zweite Welle kommt, könnte das verheerende Folgen für die beiden Volkswirtschaften haben, sofern sie es nicht schaffen rechtzeitig in einen erneuten Lockdown zu gehen und die Bevölkerung zu schützen. Sollte die zweite Welle ausbleiben, dann könnten China und Taiwan tatsächlich einige Plätze im kommenden Jahr gutmachen. Beide Länder hatten ihre Produktion bereits wieder auf Vorkrisen-Niveau hochgefahren, als die Pandemie Europa gerade erst erreicht hat. Dadurch haben sie, zumindest was die Unterkategorie wirtschaftliche Performance betrifft, einen Vorsprung gegenüber dem Westen, den sie - wie es aussieht - auch bis zum Ende des Jahres behalten werden.

Wird sich das auch positiv auf ihre Gesamtplatzierung im Wettbewerbsfähigkeits-Ranking auswirken?
Hierfür müsste sich vor allem China im Bereich der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen verbessern oder zumindest nicht verschlechtern. Die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern aber auch zwischen den Regionen in China ist groß und wird durch die Krise vermutlich nochmal ansteigen. Auch bei den Führungspraktiken und bei der Frage, inwieweit ethische Aspekte bei Unternehmensentscheidungen eine Rolle spielen, hat China starken Aufholbedarf. Gerade in Krisen ist dafür aber oft wenig Platz. Wenn uns Covid-19 aber eines gelehrt hat, dann so viel, dass sich auf einen Schlag alles ändern kann. Somit sind wir gespannt, wie das Ranking 2021 aussehen wird.

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