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Wichtige Themen untergegangen Verlierer des TV-Duells: Die Marktwirtschaft

Peer Steinbrück bekommt endlich Wind unter die Flügel, er streitet mit der Kanzlerin um Sachthemen. Doch es zeigt sich: Herausforderer wie Kanzlerin setzen vornehmlich auf Dirigismus.

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Angela Merkel und Peer Steinbrück beim TV-Duell Quelle: AP

Jetzt sind die Spin-Doktoren unterwegs, die jeweiligen Unterstützer, Strategen, Medien-Souffleure. Steinbrück habe gewonnen, er sei der bissigere und habe die Kanzlerin getrieben. Nein, Angela Merkel habe souverän alle Attacken abgewehrt und ihre Kompetenz untermauert. Selbst die Umfragen sind widersprüchlich. Beim ZDF hat Merkel gewonnen, bei der ARD Steinbrück. Das ist ein klares Indiz dafür, dass keiner von beiden wirklich das TV-Duell für sich entschieden hat.

Steinbrück mag dies schon als Sieg feiern: Endlich auf Augenhöhe mit seiner früheren Chefin parlieren. Endlich Wind unter den Flügeln und endlich vorbei mit Pinot Grigio, Vortragshonoraren und Sparkassengehältern. Endlich ging es beim Aufeinandertreffen der beiden Spitzenkandidaten um Sachthemen, um Energie, Pflege, Gesundheit, NSA, Syrien und die Alterssicherung.

Doch wer als marktwirtschaftlich interessierter Bürger, dem der Leistungsgedanke nicht fremd ist, das Duell verfolgte, erlebte eine Enttäuschung nach der anderen. Gleich zu Beginn gab Steinbrück die rote Mantra zum besten, dass einige wenige, die ganz viel verdienten und vom Aufschwung besonders profitierten, etwas mehr Steuern zahlen sollten. Vor einigen Jahren sagte man dazu noch klassenkämpferisch. Die Kanzlerin parierte immerhin, indem sie darauf hinwies, dass gerade die Leistungsträger, die Handwerker und Mittelständler für den Aufschwung  und für die Rekordzahl an Arbeitsplätzen sorgten. Doch es kam nicht offensiv, eher defensiv rüber. Dazu passte auch der kleine Fehler: Merkel sprach von 29 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, tatsächlich sind es inzwischen rund 42 Millionen

Das war es dann auch schon mit den Leistungsträgern, mit Unternehmertum, mit sozialer Marktwirtschaft. Ansonsten ging es mächtig ums Umverteilen. Steinbrück wollte die privaten Krankenversicherungen den gesetzlichen Kassen einverleiben, er wollte eine Ausweitung der Pflegeversicherung, er plädierte für einen flächendeckenden Mindestlohn von acht Euro fünfzig. Merkel konterte mit ihren Lohnuntergrenzen und erinnerte wenigstens an die Tarifautonomie von Arbeitgebern und Gewerkschaftern, was Steinbrück schon gar nicht mehr interessierte.

Teilweise verloren sich die Kontrahenten schon in einem bizarren Klein-Klein. Merkel erinnert an die private Zusatzversicherung zur Pflege. Steinbrück echauffiert sich über den „Pflege-Bahr“ mit nur fünf Euro Beitrag im Monat, der ja nichts im Alter bringe – und klagt im nächsten Moment, dass sich selbst diesen Minibetrag nicht leisten könnten. Ja was denn nun? Offenbar will der Sozialdemokrat gewaltig umverteilen.

Genauso erschreckend war, dass Merkels Einlassung, Deutschland gehe es in schwierigen Zeiten ausgesprochen gut, im 90-Minuten-Duell wirkungslos verpuffte. Die sprudelnden Steuereinnahmen, die brummende Konjunktur, die wachsende Zahl von Jobs (auch von sozialversicherungspflichtigen, nicht nur Werkverträgen), die hohe Attraktivität Deutschlands für ausländische Arbeitsuchende – all diese Erfolge kamen viel zu kurz. Zu kurz kamen auch die Erfolgsgründe: die Agenda 2010, die Rückbesinnung auf die soziale Marktwirtschaft mit Betonung des zweiten Wortes, die Mobilisierung der Eigeninitiative.

Da kann die von vielen Bürgern herbeigesehnte große Koalition nicht viel Gutes verheißen. Die Wiederauflage von schwarz-rot war am Montagabend zum Greifen nahe. Fern waren all die anderen Parteien, die FDP, die Grünen, die Linke, die AfD. Sie waren auch Verlierer des Duells.

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