Wie Großbritannien und IRA Psychologe glaubt an Gewöhnung an Gewalttaten

Würzburg, München, Ansbach: Dreimal innerhalb einer Woche richteten Einzeltäter in Bayern ein Blutbad an. Die zeitliche Nähe ist für einen Psychologen kein Zufall – und dürfte die Gesellschaft verändern.

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Der Psychologe Jens Hoffmann glaubt, dass sich die Gesellschaft lernen werde, damit umzugehen und zu akzeptieren, dass Taten wie in Ansbach passieren können. Quelle: dpa

Darmstadt Die Gewalttaten von Würzburg, München und Ansbach werden nach Einschätzung eines Psychologen den Umgang der Gesellschaft mit solchen Taten verändern. „Es wird wahrscheinlich eine Gewöhnung geben, aber das braucht noch ein bisschen“, sagte Jens Hoffmann, Leiter des Instituts Psychologie und Bedrohungsmanagement in Darmstadt, der Deutschen Presse-Agentur. Die zeitliche Nähe der Gewalttaten sei kein Zufall. „Leute in einer psychischen Krise, die schon länger über eine solche Tat nachdenken, sehen den großen Effekt und sagen sich: jetzt mache ich das auch.“

Bei einer Bombenexplosion im fränkischen Ansbach – die bayerische Landesregierung geht fest von einem islamistischen Hintergrund aus – waren am Sonntagabend 15 Menschen verletzt worden. Am Montag vergangener Woche hatte ein Flüchtling in Würzburg Menschen mit einer Axt angegriffen, am Freitag war ein junger Mann in München Amok gelaufen.

Derzeit herrsche eine große Verunsicherung, sagte Hoffmann. „Dass bei einem Einkaufsbummel oder einem Festival tödliche Gefahr lauern kann, ist neu für die Menschen.“ Die Gesellschaft werde jedoch vermutlich lernen, damit umzugehen und zu akzeptieren, dass solche Taten passieren können. Als Beispiel nannte Hoffmann Großbritannien und den Terror der nordirischen Irish Republican Army (IRA). „Da sind die Leute trotzdem in die Pubs gegangen.“

Zwischen den Bluttaten von München und Ansbach sieht der Psychologe Parallelen. „In beiden Fällen waren es psychisch labile Täter, die sich in einer persönlichen Krise befanden“, sagte Hoffmann. Auffällig sei das wiederholte Auftreten von Einzeltätern. „Diese Dynamik der individuellen Radikalisierung hat eine neue Qualität.“ Schließlich sei mutmaßlich keiner der Täter in professionelle terroristische Netzwerke oder Ähnliches eingebunden gewesen. „Trotzdem hatten sie das Gefühl, zu etwas Höherem beizutragen, sich in einer Gemeinschaft zu fühlen“, erklärte Hoffmann.

Um mögliche Nachahmungstäter abzuhalten sei es wichtig, möglichst wenig über die Persönlichkeiten der Täter zu berichten. Hoffmanns Appell: „Zeigt nicht die Gesichter, nennt nicht die Namen: Macht die Täter nicht individuell berühmt.“

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