Wirecard-Ausschuss am 21. April 2021 Wie Scholz‘ Staatssekretär Jörg Kukies seine Kontakte mit Wirecard erklärt

Quelle: REUTERS

Staatssekretär Jörg Kukies verteidigt das Finanzministerium im Wirecard-Skandal. Die Bafin habe beim Leerverkaufsverbot eigenständig agiert, Berlin habe die Aufsicht nicht beeinflusst. 

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Thema des Tages:
Die Rolle des Justizministeriums und die Rolle des Finanzministeriums

Die Zeugen:
- Christine Lambrecht, Bundesjustizministerin
- Jörg Kukies, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium

Christine Lambrecht, Bundesjustizministerin, musste sich vor allem der Kritik an der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) stellen. Die DPR war für die Bilanzprüfung von Wirecard zuständig – und war noch nicht mal mit der Prüfung von im Frühjahr 2019 bekanntgewordenen Vorgängen fertig, als Wirecard im Sommer 2020 pleite ging. Die DPR fällt in den Verantwortungsbereich des Justizministeriums. Ihr Haus habe keinen Zugriff auf Einzelprüfungen, erklärte Lambrecht, und verfüge gegenüber der DPR „weder eine Rechts- noch eine Fachaufsicht“. Die SPD-Politikerin erklärte, dass sie den Vertrag mit der DPR – auch Bilanzpolizei genannt – Ende Juni 2020 gekündigt habe, also nachdem der Wirecard-Skandal öffentlich wurde. Der Schritt sei nicht als Vorwurf gegen die DPR zu sehen. Die Kündigung sei erfolgt, weil der Vertrag sonst automatisch bis Ende 2020 weitergelaufen wäre. Das Ministerium habe sich aber einen Handlungsspielraum verschaffen wollen, um die Bilanzkontrolle grundlegend zu reformieren. „Ich halte den Schritt weiterhin für konsequent“, sagte Lambrecht.

Jörg Kukies, SPD, früher Co-Chef von Goldman Sachs, seit 2018 Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, äußerte sein Bedauern darüber, dass Anleger bei der Wirecard-Pleite so viel Geld verloren hätten. Es habe kein Interesse an der Verteidigung eines nationalen Champions Wirecard gegeben. „Es gab keine Privilegierung durch das Bundesfinanzministerium. Ich habe selbst auch nie zu Gunsten von Wirecard interveniert.“ Es habe keinen Versuch des Finanzministeriums gegeben die Bafin in Sachen Wirecard zu beeinflussen. Vor allem nicht beim Leerverkaufsverbot: „Das Finanzministerium ist auf die Ausübung der Rechts- und Fachaufsicht begrenzt. Die Entscheidung trifft die Bafin in eigener Verantwortung.“ Bei einem Telefonat mit BaFin-Chef Hufeld habe er den Eindruck gewonnen, dass die Angaben der Münchner Staatsanwaltschaft für das Leerverkaufsverbot entscheidend waren. Kukies machte deutlich: Wenn das Leerverkaufsverbot rechtswidrig gewesen wäre, hätte das Finanzministerium eingreifen können. Nach Ansicht des Fachreferats im Finanzministerium sei das aber nicht der Fall gewesen.

Die Abgeordneten interessierte vor allem, welche Rolle Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz im Fall Wirecard gespielt hat. Kukies sagte, konkret erinnern könne er sich, im Zusammenhang mit der Aufnahme von Wirecard in den Dax und dem Leerverkaufsverbot mit Scholz gesprochen zu haben. Auch als der Verdacht aufkam, dass Wirecards Drittpartnergeschäft nicht existiert, will Kukies mit Scholz gesprochen haben. Wann das war, erinnere er aber nicht mehr genau.

Am 5. November 2019 habe er Markus Braun in der Wirecard-Zentrale besucht, sagte Kukies. An diesem Tag hatte Braun Geburtstag, er wurde 50. Kukies sagte, er habe davon nichts gewusst. Das Treffen sei unspektakulär verlaufen. Kukies sagt, er habe die Vorwürfe beispielsweise der Financial Times und die Sonderprüfung durch KPMG angesprochen. Braun habe hierzu nichts gesagt, was Kukies nicht schon in der Zeitung gelesen habe.

Kukies schilderte, warum er Mitte Juni 2020 Kontakt zur Commerzbank aufnahm, bei der Wirecard im großen Stil Kredite laufen hatte. Er sorgte sich damals, sagte Kukies, in der ökonomisch ohnehin schwierigen Corona-Lage, um zwei Insolvenzen im Dax: Lufthansa – und Wirecard. Kukies sagte, er habe keinerlei Druck auf irgendwen ausgeübt, um irgendeine Kreditentscheidung zu Gunsten von Wirecard zu treffen. „Es wurde das Gerücht verbreitet, ich hätte die KfW-Ipex gedrängt, einen 100 Millionen-Euro-Kredit an Wirecard zu verlängern. Das entspricht nicht den Tatsachen.“

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