Wirecard-Skandal Scholz hält (noch) an BaFin-Chef Hufeld fest

Die Schlüsselperson bei der Aufarbeitung des behördlichen Versagens im Fall Wirecard ist derzeit BaFin-Chef Felix Hufeld. Quelle: dpa

Für Kanzlerkandidat und Bundesfinanzminister Olaf Scholz wird Felix Hufeld zur heißen Kartoffel. Doch fallenlassen will er ihn vorerst nicht. Druck kommt aus dem Bundestag.

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Die vorgezogene Proklamation zum Kanzlerkandidaten der SPD bescherte Olaf Scholz am Montag wohltuende Glücksmomente. Doch die Probleme, mit denen sich der Bundesfinanzminister herumplagen muss, sind dadurch nicht geringer geworden. Am gefährlichsten könnte ihm, Stand jetzt, der Wirecard-Skandal werden, insbesondere warum die ihm unterstellte Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die Bilanztricksereien nicht erkannt hat und welche Rolle das Ministerium selbst dabei gespielt hat. Die Schlüsselperson bei der Aufarbeitung des behördlichen Versagens ist derzeit BaFin-Chef Felix Hufeld.

Trotz dessen widersprüchlichen Aussagen vor dem Bundestag – manche Abgeordnete sprechen von Lügen – will Scholz aber an seinem Behördenchef festhalten. „Es gab keine Gespräche dieser Art vonseiten der Bundesregierung“, erklärte Scholz‘ Staatssekretärin Sarah Ryglewski auf die Frage, ob es in letzter Zeit Gespräche zur Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses von Hufeld gegeben habe. Gerüchte dazu kursieren im Bundesfinanzministerium, und die Frage stellte der FDP-Bundestagsabgeordnete Markus Herbrand.

Ob das Bundesfinanzministerium wenigstens bei der Personalie Hufeld diesmal die Wahrheit gesagt hat, das will Herbrand bei der nächsten Sondersitzung des Finanzausschusses am 31. August noch einmal nachfragen. Gleichwohl gilt der seit 2015 amtierende BaFin-Präsident inzwischen vielerorts als Mann auf Abruf. Der CSU-Bundestagsabgeordnete und Obmann der Union im Finanzausschuss, Hans Michelbach, formuliert es so: „Herr Scholz wartet offenbar noch, bis die richtige Gelegenheit da ist, Hufeld als Bauernopfer preiszugeben.“ Das könnte in den nächsten Wochen geschehen, wenn noch mehr Details über das Versagen der Finanzaufsicht ans Tageslicht kommen.

Spätestens am 31. August und am 1. September dürfte das der Fall sein, wenn der Finanzausschuss zwei weitere Sondersitzungen durchführt. Diesmal will der Ausschuss sogar aus dem Kanzleramt Verantwortliche aus den Bereichen Geheimdienstkoordinierung und Wirtschaft einladen. Darüber hinaus ist Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) eingeladen. In Sachen Geldwäsche möchten die Mitglieder des Finanzausschusses auch die umstrittene Geldwäschebekämpfungseinheit FIU aus dem Geschäftsbereich des Bundesfinanzministeriums sowie Vertreter aus dem Bayerischen Innenministerium sprechen. Auf der Einladungsliste stehen zudem Vertreter der Bundesbank, der BaFin und der Deutschen Börse AG. Die Ausschuss-Vorsitzende Katja Hessel sieht jedenfalls noch einen „großen Aufklärungsbedarf“.

Der Aufklärungsbedarf ist auch deswegen so groß, weil die Antworten von Hufeld bisher dürftig bis undurchsichtig ausgefallen sind. Mehrfach hat der 59-Jährige nicht gerade die Wahrheit gesagt. Etwa was die Zusammenarbeit mit den Behörden in Singapur betrifft (die hatten doch Informationen geliefert). Oder dass die Europäische Zentralbank (EZB) involviert gewesen sei, Wirecard nicht als Finanzkonzern einzustufen (was EZB-Mitglied Andrea Enria inzwischen zurückwies: „Die alleinige Verantwortung“ läge bei der BaFin).

Katja Hessel findet das nicht gut und sagt der WirtschaftsWoche: „Ich bin der Ansicht, dass man das Parlament nicht anlügen darf und somit auch seinen Hut nehmen muss, wenn man das tut.“ Gerade von Hufeld habe der Ausschuss immer wieder Antworten bekommen, so Hessel weiter, „die zumindest extrem missverständlich waren“. Wenn jetzt noch die Unwahrheit dazu komme, dann sei er ihres Erachtens nicht mehr tragbar.

Als nicht mehr tragbar empfinden Hufeld andere schon längst. Herbrand zum Beispiel hat die Nase voll. Der BaFin-Chef habe sich zum einen „nicht komplett ehrlich und wahrheitsgemäß geäußert“, so Herbrand, zum anderen habe er im Fall Wirecard nicht das Instrumentarium seiner Finanzaufsicht ausgereizt, um dem Bilanzskandal beizeiten entgegenzuwirken. Auch Fabio De Masi, Fraktionsvize bei der Linken im Bundestag, senkt den Daumen: „ Bei der BaFin ist ein radikaler Wandel in der Aufsichtskultur nötig, und der ist mit Herrn Hufeld nicht zu machen.“

So weit wollen die führenden Unionspolitiker noch nicht gehen. Als Koalitionspartner muss man sich ein wenig zurückhalten, wenn es im Terrain des anderen rumst. Es wäre vorschnell, sagt der CDU-Abgeordnete Fritz Güntzler, jetzt schon über den BaFin-Chef zu richten. Vieles hänge von den nächsten Ausschusssitzungen ab. Allerdings, schiebt der bekennende Fußballfan hinterher: „Der Stuhl wackelt.“ Und gefährlich sei es bekanntermaßen, wenn sich der Vereinsboss hinter den Trainer stelle. Scholz als Boss, Hufeld als Trainer – mit diesem Bild könnte der Bundesfinanzminister, Vizekanzler und Kanzlerkandidat sicher leben. Zumal erst der Trainer fliegt, ein Vereinsboss dagegen selten.



Auch CSU-Urgestein Michelbach, der seit 26 Jahren im Bundestag sitzt, wartet noch ab, will sich nicht dem Vorwurf aussetzen, vorgezogenen Wahlkampf gegen die SPD und ihren frisch gekorenen Kanzlerkandidaten zu betreiben. Verärgert zeigt er sich allerdings schon. „Man lässt sich als Parlamentarier nicht gern auf Dauer vorführen“, sagt er. Die Aussage bezieht er nicht nur auf Hufeld. Auch Scholz habe den Bundestag bislang nicht korrekt informiert. Und auch die Rolle von Scholz‘ Staatssekretär Jörg Kukies, zuständig für die Finanzmarktaufsicht, findet Michelbach recht undurchsichtig.

Das alles, so lässt sich zwischen den Zeilen herauslesen, läuft am Ende auf einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss hinaus. FDP und Linke wollen ihn, die AfD ebenso. Die Union würde sicherlich nicht im Wege stehen, die Grünen wohl auch nicht. Bauchweh hat natürlich die SPD. Denn im Wirecard-Ausschuss würde ihr Kanzlerkandidat gegrillt werden. Vielleicht habe die SPD ja gerade deswegen Scholz so früh zu ihrem Topkandidaten bei der nächsten Bundestagswahl in mehr als einem Jahr gemacht, mutmaßt Michelbach, der schon viele Tricks und Finessen im politischen Kampf erlebt hat: „Dann kann die SPD jede kritische Nachfrage als Wahlkampfmanöver diskreditieren.“

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