Wirtschaftsinstitut Ökonomen warnen vor übereiltem Exit

Coronakrise: Wirtschaftsforscher warnen vor übereiltem Exit Quelle: dpa

Das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung warnt vor einer zu schnellen Aufhebung der Kontaktbeschränkungen. Die Wissenschaftler fürchten ein erneutes Aufflammen der Epidemie.

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Vor einer übereilten Lockerung der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie hat das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung gewarnt. „Es ist wichtiger, dass die Kontaktbeschränkungen nachhaltig gelockert werden, als dass sie schnell gelockert werden“, sagt der Wissenschaftliche Direktor des IMK, Sebastian Dullien.

Eine vorschnelle Aufhebung der Kontaktbeschränkungen berge die Gefahr, dass es zu einem erneuten Emporschießen der Corona-Infektionen komme und die Kontaktbeschränkungen wieder verschärft werden müssten, heißt es in der Studie des IMK. Die Kosten der Kontaktbeschränkungen stiegen zwar mit einem Andauern über Anfang Mai hinaus überproportional, weil die Gefahr wachse, dass es zu Unternehmenspleiten und in der Folge zu steigender und sich verfestigender Arbeitslosigkeit komme. Aber das Risiko eines anhaltenden Stop-and-Gos mit erneuten flächendeckenden Schließungen von Schulen, im Einzelhandel und in der Gastronomie wiege schwer.

„Am Ende zählt die Gesamtdauer der Betriebsunterbrechungen. Wenn jetzt für zwei Wochen alles wiedereröffnet wird, um dann wieder für zwei Monate schließen zu müssen, ist nichts gewonnen“, sagte Dullien.

Die Eckpunkte für das Wiederhochfahren von Handel und Wirtschaft müssten in den allernächsten Tagen klar und praktisch umsetzbar kommuniziert werden, wenn eine Lockerung ab Anfang Mai beginnen soll, forderte er.

Mittwoch will die Kanzlerin mit den Länderchefs über mögliche Lockerungen für Menschen und Wirtschaft beraten. Grundlage dürften die Empfehlungen der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina sein. Ein Überblick.

Wichtig sei im ersten Schritt die rasche Kommunikation und Umsetzung von Infektionsschutz und Abstandsregeln in Kindertagesstätten, Schulen, Einzelhandel und Gastronomie. „Den Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen muss klarer als bisher gesagt werden, was ab wann auf sie zukommt“, erklärt Dullien. Dazu gehörten neben Vorgaben zu absehbar notwendigen Umbauten und Hygiene-Vorschriften zur Wiedereröffnung ebenso ein klares Statement, dass es keine schnelle Rückkehr zum Vorkrisen-Status geben werde und bestimmte Einschränkungen, etwa bei Großveranstaltungen, absehbar noch längere Zeit bestehen bleiben werden.

In Schulen und Kitas sollte nach Einschätzung der Düsseldorfer Wissenschaftler zunächst ein teilweiser Betrieb wieder aufgenommen werden. SO könne etwa jede Klasse hat nur noch jeden zweiten Tag Unterricht haben – bei klarer räumlicher Trennung der Klassen. In Geschäften und Dienstleistungsbetrieben sollte laut IMK generell mit Trennwänden und – je nach Größe – zunächst mit Einlassbeschränkungen gearbeitet werden.

Sobald die Verfügbarkeit von einfachem Mund-Nasen-Schutz gegeben sei, sollte nach Ansicht der Forscher außerdem überprüft werden, inwieweit eine generelle Pflicht zum Tragen dieser einfachen Masken auf öffentlichen Wegen die Infektionsverbreitung begrenzen könnte.

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von Sven Böll, Camilla Flocke, Henryk Hielscher, Rüdiger Kiani-Kreß, Dieter Schnaas, Martin Seiwert, Cordula Tutt

Außerdem sollte darüber nachgedacht werden, in bestimmten Städten, Landkreisen und Regionen mit niedrigen Infektionsraten bei der Wiedereröffnung von Gastronomie, Einzelhandel sowie Schulen und Kitas voranzuschreiten, empfiehlt die Studie. Dazu müsse allerdings sichergestellt werde, dass nur Ortsansässige das Angebot nutzen.

Für die Frage, wie gut die deutsche Volkswirtschaft durch die Krise komme, sei aber mindestens ebenso wichtig, dass grenzüberschreitende Lieferketten reaktiviert und die Weltwirtschaft stabilisiert werden, betonte Dullien. Auf europäischer Ebene sei deshalb mehr Flexibilität der Bundesregierung in Fragen der so genannten Corona-Bonds gefragt. Auch um eine Stabilisierung des grenzüberschreitenden Handels mit den EU-Partnern zu erreichen.

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