Wirtschaftsminister auf Ländertour Robert Habecks neue Freundschaften in der Industrie

Nur Flügel: Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Habeck (re.) und Airbus-CEO Guillaume Faury begutachten das geplante Nurflügler-Passagierflugzeugs, welches mit Wasserstoffantrieb fliegen soll. Quelle: dpa

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck startet seine Klimaschutz-Tour durch die Bundesländer: Noch vor dem Besuch im windkraftkritischen Bayern sucht der Grüne die Nähe zur Industrie in Hamburg – die auf Subventionen hofft.

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Da suchen zwei ihre Rolle. Alessandra Blank steht in der großen Halle, wo Airbus in Hamburg die Flieger der A320er-Familie endmontiert. Die 24-Jährige, Studentin und Azubi beim Flugzeugbauer, erklärt dem Gast Robert Habeck, warum hier ein Weihnachtsbaum steht, im Januar. Der Baum leuchtet klein und bunt im Vergleich zu den Flugzeugteilen rundum. Betrieben wird er mit einer Brennstoffzelle, gebastelt von den Azubis.

Alessandra Blank steht jetzt vor Kameras, vor den versammelten Chefs ihres Unternehmens und erzählt. Sie hat kurz das Satzende verloren und schiebt lächelnd ein „Oh Gott“ hinterher. Auch Habeck, der neue Bundeswirtschaftsminister, sucht noch seine Rolle. Er kommt so gar nicht staatstragend daher und hilft der jungen Frau aus der Bredouille. Der 52-Jährige fragt: „Bist du jetzt die Frau für den Wasserstoff oder macht ihr Auszubildenden der Reihe nach alles?“

Der Minister duzt. Und versenkt die Hände in den Hosentaschen seines Anzugs, der so frisch ist, dass das Sakko am Rückenschlitz noch wie im Laden vernäht ist. Habeck ist jetzt auf Tour. Hamburg ist die erste Station des Vizekanzlers und Noch-Grünen-Chefs seiner Rundreise für den Klimaschutz. Es ist ein leichterer Termin, eine Übung sozusagen, vor seiner Reise nach Bayern, wo er sich am Donnerstag unter anderen mit Ministerpräsident Markus Söder (CSU) treffen wird. In Bayern, wo die Industrie viel Strom braucht, der künftig aus Windkraft statt aus den nun abgeschalteten Atomkraftwerken kommen soll, wird es ungemütlicher. Söder und die CSU wollen Windmühlen nicht in der Nähe von Siedlungen genehmigen. Habeck deutete bereits an, dass es in dieser Frage irgendwann knallen könnte. Schließlich wurden zuletzt gar keine Rotoren mehr im Freistaat genehmigt.

Sturmwarnung voraus

Beim Ausbau der Erneuerbaren wird Habeck auf starken Widerstand stoßen. Nicht nur bei Söder oder Anwohnerinnen, auch durch die Bürokratie und aus den Reihen von Naturschützern. Zugleich muss er dafür sorgen, dass mehr und schneller Strom aus Sonne und Wind in Deutschland produziert wird. Sonst drohen dem Industrieland der Kollaps oder der Klima-GAU, weil Kohle und Gas den Energiehunger weiter in großem Maß werden bedienen müssen.

In Hamburg warten neue Freunde auf den Grünen Habeck. Bei Airbus präsentiert Vorstandschef Guillaume Faury seine Pläne. Das erste mit Wasserstoff betriebene Flugzeug soll 2035 kommen. Und bis dahin Modelle mit einem immer größeren Anteil an künstlichen, klimaneutralen Treibstoffen fliegen. Beides braucht noch viel Fantasie. Die Technik ist noch nicht erprobt, außer in der Raumfahrt, Wasserstoff ist explosiv und braucht große Tanks. Zu wenig künstlicher Treibstoff ist auf absehbare Zeit verfügbar, er ist zu teuer, die Infrastruktur fehlt. Die Abnehmerinnen von Airbus zögern insgesamt.

von Florian Güßgen, Max Haerder, Cordula Tutt

Auch ein Besuch in der Aluminiumhütte von Trimet, nicht weit entfernt im Süden Hamburgs, steht auf dem Programm – ein Hersteller, auf dessen relativ leichte Metalle Konzerne wie Airbus setzen, der aber einen enormen Energieverbrauch im Hochpreisland Deutschland hat. Auch hier wird die neue Nähe zu den Grünen geprobt, weil es um große Mengen erneuerbarer wie kostengünstiger Energie geht und hier ebenso der Staat den Umbau stützen soll. Möglichst langfristig.  

Ran an die Industrie

Zunächst aber Airbus. Faury führt den Gast durch den noch rohen Rumpf eines Flugzeuges. Die Unternehmensregie sieht vor, dass sich beide bis zum Cockpit bewegen und dann aus den Pilotenfenstern schauen und dem Fotografen winken. Ein Grüner als Flugfreund, da wird Habeck in eine Rolle geschoben, die ihm wohl gar nicht so lieb ist. Die vermummende Coronamaske verhindert dann, dass aus der Bildidee von Airbus ein Bilderproblem für Habeck wird.

Beide, CEO und Minister, fahren anschließend ins nahe ZAL, ins Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung, wo Airbus an der Wasserstofftechnik forscht. Wasserstoff soll das so klimaschädliche Kerosin als Treibstoff ersetzen, so strebt es der Konzern an. Die Hamburger Forschungschefin des Konzerns, Nicole Dreyer-Langlet, empfängt den Minister mit ihrem engeren Team.

Inmitten futuristischer Flugzeugmodelle nähern sich beide Seiten schließlich dem konkreten Teil des Besuches, der Hoffnung auf staatliche Unterstützung für den großen Umbau der Branche. „Klimaneutralität und die Energiewende, das sind unsere Themen“, sagt die Forschungschefin. Und nach kurzen Erklärungen zum Wasserstoff (wird bei minus 253 Grad Celsius gespeichert) und der Tank-Beschaffenheit (Metall, in einem großen Teil des hinteren Flugzeugrumpfes) wird es konkret. Airbus hat einen Förderantrag fertig, der dem Minister wärmstens empfohlen wird. In und um Hamburg herum soll mit freundlicher staatlicher Unterstützung geforscht und Infrastruktur aufgebaut werden. Wie lässt sich Wasserstoff in großer Menge und möglichst grün herstellen? Wie lassen sich Flugzeuge damit betreiben, wie kommt der Stoff in den Flieger? 2022 bis 2026 soll das Ganze laufen, also sehr zeitnah. „Das ist eine unglaubliche Chance für uns zu investieren“, sagt die Airbus-Forschungsfrau.

Habeck macht Hoffnung, dass sich Deutschland auch gegen mögliche Bedenken aus Brüssel gegen nationale Subventionen in den Bereich stark machen wird: „Das muss politisch besprochen werden.“ Er setzt sich wie sein Vorgänger Peter Altmaier (CDU) dafür ein, dass der Staat eine Wasserstoff-Infrastruktur ermöglicht und mitfinanziert. Der Staat müsse die Grundlagenforschung unterstützen. „Man muss aber auch schauen, dass man nicht überfördert“, bremst er später etwas. „Es heißt schließlich Marktwirtschaft.“

Airbus-Chef Faury schaut unerschüttert, als der Minister das sagt. Er hat sich schon früh an die Grünen angenähert, ist mit seinem Unternehmen sogar Mitglied im Grünen Wirtschaftsdialog (GWD) geworden, einer Konkurrenzveranstaltung zum CDU-nahen Wirtschaftsrat. Faury weiß, dass die Partei Erfolge braucht – mit der Wirtschaft, nicht gegen die großen Konzerne, wie das früher gerne bei der Sonnenblumenpartei als Haltung gepflegt wurde. Und dass Airbus gute Chancen auf staatliche Unterstützung hat, so lange das Versprechen hält, technologisch führend zu bleiben oder zu werden.

Am Ende kann sich Habeck einen ironischen Seitenhieb auf seinen Gastgeber nicht verkneifen. Damit hier doch noch klar wird, dass ein Grüner nun in der Bundesregierung für die klimaschädliche Luftfahrt zuständig ist, fällt er noch mal kurz aus der traditionellen Ministerrolle. „Es muss ja auch nicht jede kurze Distanz geflogen werden“, sagt Habeck und schaut lächelnd auf seine rechte Seite, wo Faury neben dem futuristischen Flugzeugmodell eines Nur-Flüglers steht. „Man kann kurze Distanzen ruhig auch mal mit dem Fahrrad zurücklegen.“

Mehr zum Thema: Alle in Deutschland werden etwas ändern müssen, sagt Wirtschaftsminister Robert Habeck. Alle. Der Grüne geht eine große Wette ein. Wer gewinnt, ist offen.

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