Wohlfahrtsverbände Caritas und Diakonie bedienen sich beim Staat

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Kündigung nach Scheidung

Dafür spenden die Deutschen
Umweltschutz Quelle: dapd
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Langfristige Entwicklungsprojekte Quelle: Reuters
AIDS-Hilfe Spendendose Quelle: dpa
Kinder Quelle: Reuters
Aus eine Hubschrauber werden Nahrung und Wasser in ein Überschwemmungsgebiet abgeworfen Quelle: dpa

Im Sommer traf es die Erzieherin Bernadette Knecht aus Königswinter bei Bonn. Jahrelang hatte sie einen Kindergarten der Caritas geleitet, die Eltern waren zufrieden. Dann trennte sie sich von ihrem Ehemann und zog bei ihrem neuen Lebensgefährten ein. Knecht wurde gefeuert. Ähnlich rabiat handeln die Wohlfahrer bei Scheidung, Kirchenaustritt oder unehelichen Kindern.

Je nachdem, wie ausgeprägt das Verständnis des einzelnen Kirchenfürsten für seine Mitarbeiter ist, so gut oder schlecht werden sie behandelt. Im Zweifel geht bei den meisten Sozialunternehmen dabei Profitabilität vor Nächstenliebe. Zwar rühmt sich die Diakonie mit überdurchschnittlichen Löhnen, doch die Ausreißer nach unten sind zahlreich. Rund 35.000 Mitarbeiter hätten die kirchlichen Wohlfahrtsverbände in günstige Subunternehmen ausgegliedert, schätzt der Diakoniewissenschaftler Johannes Eurich von der Universität Heidelberg. Das lohnt sich offenbar: Während die Gesamtwirtschaft schon vor der nächsten Rezession zittert, herrscht bei der Wohlfahrt ein stabiler Aufwärtstrend, der hauseigene "Geschäftsklimaindex" der Caritas hat gerade den zweithöchsten Stand aller Zeiten erreicht.

Widerspruch zwischen Klerikern und Wohlfahrern

Nicht nur vonseiten der Gewerkschaften, auch aus der Kirche selbst gibt es jedoch zunehmend Kritik. "Die Kirchen versuchen alles, um Diakonie und Caritas wieder zu klerikalisieren", sagt Theologe Graf. Die Kirchenväter sehen vor allem die offensichtlichen Widersprüche zwischen den Worten der Kleriker und den Taten der Wohlfahrer mit Sorge.

Deutlich zeigt sich das beim Ausbau der Kinderbetreuung. Nirgends gibt es zurzeit so viel Geld zu verteilen, zudem verfügen die Kirchen über Grundstücke in zentralen Lagen, die sich hervorragend für Kitas eignen. In kurzer Zeit sind Caritas und Diakonie zum größten Anbieter geworden. Nur inhaltlich passt das nicht in ihr Weltbild. So konnte man dieser Tage beobachten, wie Vertreter von Caritas und Diakonie das neue Betreuungsgeld heftig kritisierten – und dann von Klerikern zurückgepfiffen wurden: "Ich finde es beschämend, dass ausgerechnet ein Verband der römisch-katholischen Kirche sich gegen eine Anerkennung elterlicher Erziehungsleistungen ausspricht", schrieb der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke den eigenen Leuten.

Politik und Wohlfahrt gegen das Sparen

Dahinter steckt ein grundsätzliches Dilemma. Um ihren gesellschaftlichen Einfluss zu erhalten, müssen sich die kirchlichen Wohlfahrtsorganisationen zu verlängerten Staatsorganen machen. Dennoch wollen sie nicht auf ihre Privilegien verzichten. Doch von der politischen Seite müssen die Wohlfahrer trotz dieser Doppelzüngigkeit nichts fürchten. Gerade machen Verbände und Politiker aller Fraktionen Front gegen eine EU-Initiative, die das Vergaberecht auf soziale Dienstleistungen ausweiten will – obwohl der Staat dadurch wohl eine Menge Geld sparen könnte.

Die Allianz müsste verwundern, gäbe es da nicht so viele Menschen wie Jens Petring. Der Grünen-Politiker dokumentiert seine Distanz zum Establishment durch abgelaufene Turnschuhe, eine Fruchtgummischale auf dem Konferenztisch und ist Mitglied im Jugendhilfeausschuss der Stadt Düsseldorf. Trotzdem trifft man ihn nicht im Rathaus, sondern bei der Wohlfahrt. Denn Petring ist im Hauptberuf Geschäftsführer des Kinder- und Jugendhilfeverbunds Rheinland, Mitglied im Paritätischen Wohlfahrtsverband. Mit anderen Worten: Als Politiker entscheidet er über Mittel, von denen er dann als Geschäftsmann profitiert. In jeder anderen Branche würde das auf öffentliche Kritik stoßen.

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