Wohngipfel der Bundesregierung „Grunderwerbsteuer stellt für viele die höchste Hürde dar“

Ein politischer Zankapfel: Neubausiedlung in Potsdam (Brandenburg). Quelle: dpa

Die Bundesregierung zieht die Bilanz ihrer Wohnungspolitik. Immobilienexperte Michael Voigtländer über vertane Chancen der großen Koalition, die platte Eigenheim-Diskussion und den ewigen Traum vom Häuschen mit Garten.

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Michael Voigtländer ist Leiter des Kompetenzfelds Finanzmärkte und Immobilienmärkte beim Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln.

WirtschaftsWoche: Herr Voigtländer, die Bundesregierung zieht heute eine Bilanz ihrer Wohnungspolitik. Wie fällt Ihre aus?
Michael Voigtländer: Allenfalls gemischt. Vieles ist liegen geblieben. Auch die Neubauziele wurden nicht erreicht. Gleichzeitig war die große Koalition sehr großzügig, etwa beim Baukindergeld. Allerdings hängt diese Förderung nicht nur an einem ganz bestimmten Lebensmodell, sie wird auch erst nach einem Kauf bewilligt. Die Milliarden werden also leider nicht für eine systematische Eigentumsförderung eingesetzt, sondern subventionieren nachträglich diejenigen, die sich den Kauf einer Wohnung oder eines Hauses ohnehin leisten konnten. Besonders nachhaltig ist das nicht.

Was wäre aus Ihrer Sicht ein besserer Weg?
Die Politik sollte zum Beispiel bei den Kaufnebenkosten ansetzen, vor allem bei der Grunderwerbsteuer. Sie stellt für viele Menschen, die gerne eine Immobilie kaufen würden, die höchste Hürde dar.

Und was genau würden Sie da vorschlagen?
Etwa einen Freibetrag auf die Grunderwerbsteuer für Erstkäufer. Das würde deutlich entlasten. Die Steuer könnte auch in Raten abbezahlt werden. In anderen Ländern wiederum gibt es öffentlich geförderte Nachrangdarlehen, die als Eigenkapital zählen. So etwas machen hier leider nur ganz vereinzelt Förderbanken, etwa in Schleswig-Holstein.

Treten wir noch einmal einen Schritt zurück: Wären mehr Eigentümer überhaupt ein politisch wünschenswertes Ziel?
Unbedingt. Aus meiner Sicht wäre das ein politisches Projekt erster Güte, mehr Eigentum zu fördern. Eine Immobilie ergibt als Altersvorsorge Sinn; breiteren Schichten den Zugang zu ermöglichen, würde sogar Ungleichheit lindern. Die deutsche Vermögensverteilung ist sehr ungleich – und der Besitz von Wohnungen oder Häusern dabei ein entscheidender Faktor.

Eigentum als linkes Gewinnerthema?
Jedenfalls finde ich faszinierend, dass gerade einer Partei wie der SPD hier so gar nichts einfällt. Eigentumsbildung ist für mich ein Aufstiegsversprechen par excellence, stattdessen geht es Sozialdemokraten meistens nur darum, Mieten abzubremsen. Das ist doch politisch verschenkt. Denn wer selbst etwas besitzt, ist nicht abhängig von Vermietern.

Gerade mussten sich schon die Grünen mit dem Vorwurf auseinandersetzen, Feinde des freistehenden Einfamilienhauses zu sein.
Auch diese Debatte wurde leider sehr unterkomplex geführt. Für viele Deutsche ist das Häuschen mit Garten eben ein Lebenstraum. Da sollte man politisch besser nicht den leisesten Eindruck erwecken, hineinregieren zu wollen.

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Aber?
Man muss bitte differenzieren! Erstens kann man Einfamilienhäuser heute sehr energie- und flächeneffizient bauen; etwa tolle Townhouses mit mehr als zwei Etagen. Zweitens gibt es natürlich Kommunen, die sehr genau darauf achten sollten, per Zersiedelung einen Donut-Effekt zu vermeiden: also hübsche Neubaugebiete mit Häuschen plus einen verödenden Ortskern. In vielen Regionen wären Sanierung, Umnutzung und Flächenverdichtung im Zentrum mit Geschoßwohnungsbau die klügere Alternative.

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