Die Bundesregierung hat ihr selbstgestecktes Ziel beim Wohnungsbau im vergangenen Jahr trotz eines leichten Anstiegs erneut klar verfehlt. Insgesamt wurden 295.300 Wohnungen und damit 0,6 Prozent oder 1900 mehr gebaut als im Jahr davor, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte. 2021 hatte es erstmals einen Rückgang gegeben, nachdem die Zahl von 2011 bis 2020 stetig gestiegen war. „Allerdings wurde das Niveau des Jahres 2020 von 306.400 Wohnungen im Jahr 2022 nicht erreicht“, betonten die Statistiker. Das Ziel der Ampel-Koalition von jährlich 400.000 neuen Wohnungen wurde abermals klar verfehlt.
Daher sei der leichte Anstieg „kein Grund zum Jubeln“, kommentierte der wissenschaftliche Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien, die Entwicklung. „Die Zielverfehlung ist umso tragischer, als dass die Zahl der fertiggestellten Wohnungen in den kommenden Jahren abnehmen dürfte – vor allem aufgrund der zuletzt massiv gestiegenen Zinsen.“ Gleichzeitig habe sich der Bedarf durch die Aufnahme ukrainischer Kriegsgeflüchteter noch einmal erhöht. Wolle die Bundesregierung die Wohnungsnot in Ballungsgebieten ernsthaft angehen, müsse sie jetzt massiv mehr Mittel bereitstellen - insbesondere für den öffentlichen Wohnungsbau.
Verzögerter Abschluss
Der leichte Anstieg zeige, „dass viele Bauherrinnen und Bauherren ihre Vorhaben trotz Lieferengpässen und Fachkräftemangel sowie deutlichen Preissteigerungen abschließen konnten“, so das Statistikamt. „Allerdings hat sich der Abschluss teilweise verzögert.“ So hat sich die Zeit von der Genehmigungserteilung bis zur Fertigstellung seit der Störung globaler Lieferketten durch Ausbruch der Corona-Pandemie um etwa zwei auf 22 Monate verlängert.
Typische Baumängel in Altbauten
Bis in die 60er und 70er Baujahre hinein finden sich noch unzureichend gegen Feuchtigkeit geschützte Kellerfundamente und Kellerwände. Bei Bauten aus den 20er Jahren finden sich teilweise sogar verrostete Stahlträger in Gewölbekellern. Muss ein Keller trocken gelegt und sogar ringsum ausgeschachtet werden, um ihn gegen Feuchtigkeit abzudichten, kostet das den Hauseigentümer schnell 20.000 Euro und mehr.
Bei Baujahren bis in die 70er Jahre finden sich noch ungedämmte Dachstühle, die die Energiekosten für ein Gebäude deutlich in die Höhe treiben. In den 70er und 80er Jahren gab dann zwar immer mehr gedämmte Dächer, doch oftmals wurde noch Mineralwolle verarbeitet, deren Fasern lungengängig sind und somit schädlich für die Atemwege sind. Ein komplett neues Dach mit Dämmung kostet schnell einen ordentlichen fünfstelligen Betrag. Sollte keine Dämmung vorhanden sein, sind Käufer heute zudem zur nachträglichen Dämmung verpflichtet. Für ein Einfamilienhaus muss der Bauherr mit Ausgaben im fünfstelligen Bereich rechnen. Die zeitweise modernen Flachdächer litten noch bis Ende der 70er Jahre unter oft fehlerhafter Ausführung, so dass früher oder später Wasser eindrang. Sie sollten vor einem Kauf genau geprüft werden, da Wasserschäden am Dach schnell Folgeschäden nach sich ziehen.
Holzfenster können bei sehr guter Pflege 50 Jahre und länger halten, oder schon nach zehn Jahren das Zeitliche segnen. Kunststofffenster halten generell eher 15 bis 25 Jahre. Sollen Fenster komplett erneuert werden, kommen auch hier schnell 20.000 Euro oder mehr zusammen.
Nicht selten finden sich in Altbauten veraltete oder korrodierte Leitungssysteme. So wurden etwa bis in die 60er Jahre noch Stromleitungen ohne Erdungskabel verlegt, die heutigen Sicherheitsstandards nicht mehr genügen. In noch älteren Gebäuden drohen auch undichte Gasleitungen oder alte Wasserleitungen aus Blei. Generell spricht man bei Wasserleitungen von einer Lebensdauer von 25 bis 30 Jahren, nur Kupferleitungen halten noch zehn Jahre länger. Gleiches gilt für Leitungen für das Heizwasser. Die Kosten lassen sich pauschal kaum veranschlagen, aber der Installations- und Zeitaufwand ist hoch – insbesondere wenn viele Wände und Böden dafür aufgestemmt werden müssen. In einem Modellvergleich der Sanierung eines Altbaus durch den Verband privater Bauherren e.V. schlug die Erneuerung der Elektroleitungen in einem 60er-Jahre Einfamilienhaus mit einem niedrigen fünfstelligen Preis zu Buche. Für die Erneuerung der Sanitärleitungen muss mit einem Betrag in ähnlicher Größenordnung gerechnet werden.
Im Durchschnitt ist ein Heizkessel nach 20 bis 30 Jahren am Ende seiner Lebensdauer angelangt. Zudem ist die Technik oft veraltet, der Energiebedarf entsprechend hoch. Neueigentümer sind zudem unter bestimmten Bedingungen gesetzlich gezwungen ihre Heizungsanlage zu erneuern. Eine Umrüstung auf eine sparsamere Brennwertheizung ist mit rund 10.000 Euro zu veranschlagen. Soll es eine moderne Pellet-Heizung sein, kommen schnell noch ein paar tausend Euro hinzu. Müssen zudem Leitungen und Heizkörper erneuert werden, wird es nochmals deutlich teurer, da auch hier der Installationsaufwand vergleichsweise hoch ist.
Ab den 50er Jahren hielt die Bauchemie Einzug in den Hausbau. Leider wurden bis in die 80er Jahre noch Materialien verwendet, die heute als stark gesundheitsgefährdend gelten. So wurde bis in die 70er Jahre noch Asbest verbaut, etwa in Form von Asbestzementplatten. Die krebserregenden Stoffe zu ersetzen und zu entsorgen ist aufwändig und teuer, zudem ist während der Baumaßnahmen das Gebäude oftmals nicht bewohnbar. Auch finden sich etwa teerhaltige Parkettkleber, giftige Holzschutzmittel oder Formaldehyd in Holzbauteilen. Hier ist Vorsicht geboten.
Ist die Fassade sanierungsbedürftig, muss laut Energieeinsparverordnung auch gleich eine Wärmedämmung aufgebracht werden – denn werden Bauteile verändert, müssen sie auch energetisch verbessert werden. Bei einem Einfamilienhaus entstehen so für die Fassade schnell Kosten von 25.000 Euro und mehr.
Die Baugenehmigungen für Wohnungen gingen spürbar zurück: Deren Zahl sank im vergangenen Jahr um 7,0 Prozent auf 354.200. Sie lag damit aber weiter über den Baufertigstellungen. Dies führte zu einem Überhang von genehmigten, aber noch nicht fertiggestellten Wohnungen von insgesamt 884.800 - ein Plus von 38.400 im Vergleich zu 2021. Der seit 2008 anhaltende Anstieg des Bauüberhangs setzte sich damit „etwas abgeschwächt fort“, hieß es. 2021 lag das Plus noch bei 67.000 Wohnungen.
„Der verlangsamte Zuwachs des Bauüberhangs dürfte zum Teil an der gestiegenen Zahl erloschener Baugenehmigungen liegen, bei denen in der Regel die mehrjährige Gültigkeitsdauer abgelaufen ist“, hieß es. Diese fließen in die Berechnung nicht mehr ein und haben im vergangenen Jahr mit 22.800 den höchsten Stand seit 2006 erreicht. Daher müsse sich auch ein Überhang in Form nicht abgearbeiteter Baugenehmigungen nicht zwingend tatsächlich in höherer Bauaktivität niederschlage, sagte Ökonom Dullien.
Die Zahl der neuen Einfamilienhäuser sank im vergangenen Jahr um 1,5 Prozent auf 77.100. Bei Zweifamilienhäusern gab es dagegen einen Anstieg von 14,1 Prozent auf 23.000 Wohnungen, bei Mehrfamilienhäusern wurde eine Zunahme von 1,5 Prozent auf 150.200 gemeldet.
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