Die von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ins Spiel gebrachten Änderungen bei der Abgeltungsteuer sorgen für heftige Debatten bei Vertretern aus Politik und Wirtschaft.
Der Bund der Steuerzahler (BdSt) äußerte sich ablehnend zur Idee von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, die Abgeltungsteuer abzuschaffen. "Eine Rückkehr zum alten System würde für viele bedeuten, wieder eine Steuererklärung abgeben zu müssen", sagte BdSt-Präsident Reiner Holznagel der WirtschaftsWoche. Die Abgeltungsteuer sei vor allem einfach und transparent. Zudem sei erst kürzlich mit viel Aufwand ein automatisches Abzugsverfahren für die Kirchensteuer auf Kapitalerträge eingeführt worden. "Daher wäre die Abschaffung der Abgeltungsteuer kein guter Beitrag zur Steuervereinfachung", sagte Holznagel.
Nach Ansicht von Uwe Fröhlich, Präsident des Bundesverbands der Volks- und Raiffeisenbanken, wären die vom Bundesfinanzminister ins Spiel gebrachten Änderungen mit gravierenden Nachteilen für den Finanzplatz Deutschland verbunden. "Die Abgeltungsteuer sollte auch zukünftig mit einem Steuersatz von 25 Prozent beibehalten werden", sagte Fröhlich der WirtschaftsWoche.
Durch die Einführung der Abgeltungsteuer zum 1. Januar 2009 sollten nach Darstellung von Fröhlich die Akzeptanz der Besteuerung von Kapitalerträgen durch den Bürger verbessert, die komplizierte Besteuerung vereinfacht und der Finanzplatz Deutschland im Vergleich zu den europäischen Nachbarstaaten gestärkt werden. Diese Ziele seien erreicht worden. "Das erfolgreiche Konzept aus kurzfristigen fiskalischen Gründen zu konterkarieren, würde die frühere komplexe und als ungerecht empfundene Besteuerung privater Kapitalanlagen wieder aufleben lassen", sagte Fröhlich. "Damit wären gravierende Nachteile für den Finanzplatz Deutschland verbunden."
Markus Ferber (CSU), stellvertretender Vorsitzender des Wirtschafts- und Währungsausschusses und Mitglied im Sonderausschuss des Europaparlaments zur Kapitalertragssteuer OECD, findet eine internationale Vereinbarung zur Bekämpfung der Steuerflucht bei Kapitalerträgen sinnvoller als nationale Regelungen. "Diese erzeugen nur Wanderungsbewegungen des Kapitals", sagte Ferber der WirtschaftsWoche. Eine OECD-Regelung sollte allerdings Freibeträge für Kleinanleger vorsehen.
Oliver Schultze, auf Kapitalanlagenbesteuerung spezialisierter Steuerberater in Pinneberg, sieht in der Abkehr von der Abgeltungsteuer zudem ein europarechtliches Problem. Die Abgeltungsteuer löste das Teileinkünfteverfahren bei Aktien ab, weil schon auf der Ebene der Aktiengesellschaften die Gewinnausschüttung mit rund 30 Prozent besteuert werden.
Nur die restlichen 70 Prozent können als Dividende an die Aktionäre ausgeschüttet werden. Davon wird dann noch 25 Prozent Abgeltungsteuer erhoben. Insgesamt kommt man dadurch auf eine Besteuerungsquote in Höhe des Spitzensteuersatzes von 42 Prozent. Würde der Bundesfinanzminister die Steuer auf Dividenden aber bis auf den Spitzensteuersatz erhöhen, würden Dividenden mit rund 65 Prozent besteuert. "Diese Quote ist nicht mehr akzeptabel, dadurch würde Deutschland wieder zu einem Höchststeuerland", sagt Schultze.
"Umverteilung von oben nach unten"
Sven Giegold, Sprecher der Europagruppe der Grünen und Fraktionsmitglied der Grünen im EP sieht die Abschaffung der Abgeltungssteuer als richtigen Schritt an. "Die Abgeltungssteuer war schon bei der Einführung nicht alternativlos", sagte Giegold der WirtschaftsWoche. "Kapital sollte genau so hoch besteuert werden wie Einkommen. Die zusätzlichen Einnahmen sollten dazu verwendet werden, die Steuern für Alleinerziehende zu senken."
Nach Ansicht von Bernd Riexinger (DIE LINKE) ist es höchste Zeit, "diese massive Steuerungerechtigkeit" abzuschaffen. "Es gibt keinen vernünftigen Grund weshalb Kapitalerträge geringer als Löhne besteuert werden sollten", sagt Riexinger. "Das ist Umverteilung von unten nach oben. Wenn die Kapitalertragssteuer soweit erhöht wird, dass die steuerliche Bevorzugung von Kapitalerträgen ein Ende hat, können wir diesen Vorstoß von Schäuble nur unterstützen.“
Schäuble hatte in einem Interview in der kommenden Ausgabe der WirtschaftsWoche eine Abschaffung der Abgeltungsteuer und höhere Steuersätze auf Kapitalerträge nach 2017 angeregt. Der WirtschaftsWoche sagte Schäuble, derzeit arbeite er mit Finanzministern aus mehr als 50 OECD-Ländern am automatischen Informationsaustausch zu Steuerdaten. "Wenn wir den bis 2017 wirksam hinbekommen, müssen wir auch nicht mehr länger sagen: 25 Prozent von X ist besser als 45 Prozent von nix", sagte der Finanzminister der WirtschaftsWoche: "Dann wären auch wieder höhere Steuersätze auf Kapitalerträge denkbar."
SPD-Politiker Thorsten Schäfer-Gümbel unterstützte Schäubles Pläne: "Wir freuen uns darüber, dass auch der Bundesfinanzminister auf unserer Seite ist", sagte er der WirtschaftsWoche. "Die SPD hat oft betont, dass die Abgeltungssteuer hinfällig ist, wenn der automatische Informationsaustausch kommt. Stattdessen fordern wir eine gleiche Besteuerung von Kapital und Arbeit. Das schafft Steuergerechtigkeit. Schäuble muss daher alle Kräfte daran setzen, dass das Abkommen 2017 beschlossen wird."
Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken, steht dem geplanten Vorhaben eher skeptisch gegenüber. „Die Abgeltungsteuer hat die Besteuerung von privaten Kapitalanlagen sowohl für die Bürger als auch für die Finanzverwaltung ganz wesentlich vereinfacht", sagte Kemmer der WirtschaftsWoche. Die Abgeltungsteuer sei nicht zuletzt vor dem Hintergrund eingeführt worden, dass das bisherige Recht für den Kapitalanleger kaum noch durchschaubar war. "Es wäre leichtfertig, mit der Forderung nach einer Rückkehr zu einer Besteuerung von Kapitalanlagen Steuern zu erhöhen und die unbestrittenen Vorteile der Abgeltungsteuer wieder über Bord zu werfen“, sagt Kemmer.
Schäubles Amtsvorgänger Peer Steinbrück hatte die Abgeltungssteuer beschlossen. Der WirtschaftsWoche sagte Schäuble: "Damals bei der Einführung war das Argument, man müsse sich mit geringeren Sätzen zufrieden geben, weil in einer globalisierten Wirtschaft sonst massive Steuer-und Kapitalflucht drohe." Die Kapitalertragssteuer beläuft sich in Deutschland derzeit auf lediglich 25 Prozent, selbst für Großanleger, während die Lohnsteuer für einfache Arbeitnehmer bis zu 42 Prozent beträgt. Schäuble weiter: "Ich war nie ein Anhänger dieser Idee, aber ich war damals leider nicht zuständig."