Wolfgang Schäuble Die Zweifel an der „schwarzen Null“ wachsen

Lässt sich die „schwarze Null“ im Bundeshaushalt auch in Zeiten der Flüchtlingskrise erreichen? Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat mit seinen jüngsten Aussagen Zweifel daran genährt.

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Der Bundesfinanzminister hat das Problem, dass keiner seriös abschätzen kann, wie viele Flüchtlinge noch nach Deutschland kommen werden. Quelle: dpa

Shanghai/Berlin Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hält einen Bundeshaushalt ohne neue Schulden wegen der Flüchtlingskrise keineswegs für gesichert. Ob sein Etat auch 2016 mit einer "schwarzen Null" schließen werde, ließ er am Donnerstag vor einem G20-Treffen in Shanghai explizit offen: "Schauen wir mal." In ihren internen Berechnungen geht die Regierung als "technische Annahme" davon aus, dass von 2015 bis 2020 3,6 Millionen Zuwanderer ins Land strömen. Auf dieser Basis ließe sich die schwarze Null wohl halten - wenn Schäuble seinen Sparstrumpf nicht für andere Zwecke plündern muss. Allerdings ist unklar, wie seriös diese Annahme ist - es könnten deutlich mehr oder weniger sein.

"Die große Herausforderung heißt Migration", sagte Schäuble bei einer Außenhandelskonferenz in der chinesischen Metropole. Die Zuwanderung bedeute höhere Kosten in vielen Bereichen wie Verteidigung, innere Sicherheit und Entwicklungszusammenarbeit. Zugleich machte der CDU-Politiker aber deutlich, dass er die "schwarze Null" noch nicht abgeschrieben hat. Auch 2017 werde er darum kämpfen, dass der Haushalt ohne neue Schulden auskomme. Dies war dem Bund 2014 erstmals seit 1969 wieder gelungen.

Schäubles Äußerungen fallen mitten in die heiße Phase der internen Budgetberatungen der Regierung. Das Kabinett will die Eckwerte für den Bundeshaushalt 2017 und die weitere Finanzplanung des Bundes bis 2020 Ende März verabschieden.

Bei der Kostenkalkulation tappt die Regierung allerdings im Dunkeln - denn niemand weiß vorherzusagen, wie viele Flüchtlinge noch kommen werden. In ihrer Planung behilft sich die Regierung deshalb mit einer als realistisch eingeschätzten Zahl, die als "technische Annahme" auch ihrem Jahreswirtschaftsbericht von Ende Januar zugrunde liegt. Darin ging sie provisorisch davon aus, dass im Schnitt der Jahre bis 2020 jährlich 500.000 Flüchtlinge kommen, wobei die Jahreszahlen aber stark schwanken können. 2015 waren rund 1,1 Millionen Flüchtlinge eingereist.

Auf der Haben-Seite der Bilanz stehen 12,1 Milliarden Euro, die Schäuble 2015 als Überschuss verbucht hatte. Davon sind 6,1 Milliarden Euro bereits in diesem Jahr für Migrations-Ausgaben fest eingeplant. Auch die restlichen sechs Milliarden Euro will Schäuble 2017 zur Bewältigung des Flüchtlingszustroms ausgeben. Nach einer der Nachrichtenagentur Reuters vorliegenden Übersicht des Finanzministeriums hofft Schäuble, auf diesem Weg die "schwarze Null" zu halten. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass seine Ministerkollegen ihre Begehrlichkeiten in anderen Politikbereichen aufgeben.

"Geld für zusätzliche Wünsche aller Art ist schlicht und ergreifend nicht da", sagte Finanzstaatssekretär Jens Spahn zu Reuters: "Wir haben beim Bund einen Überschuss, aber wir haben nichts übrig." In Shanghai ging Schäuble als Beispiel auf die Forderung nach einer Kaufprämie für Elektro-Autos ein. Er habe zwei Argumente dagegen, sagte Schäuble. "Ich habe kein Geld", laute das erste. Und zudem habe er ordnungspolitische Bedenken. Auf dem Wunschzettel der Ministerien stehen unter anderem noch mehr Geld für den sozialen Wohnungsbau, für Ein-Euro-Jobs für Flüchtlinge und für den Verteidigungshaushalt.

Schäuble sieht gute Gründe, die Hand auf dem Portemonnaie zu halten. So machte der Chef des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Frank-Jürgen Weise, klar, dass er wenig von der "technischen Annahme" von 3,6 Millionen Zuwanderern bis 2020 hält: "Nein, mit diesen Zahlen rechne ich nicht." So sei offen, wie sich die Lage in Syrien und in der Türkei entwickele. Weise zeigte sich zugleich optimistisch, viele Flüchtlinge in Arbeit zu bringen - dies würde Schäubles Kosten wiederum reduzieren.

Ähnlich äußerte sich Kanzleramtsminister Peter Altmaier: "Es gibt keine seriösen, verlässlichen Zahlen, weil wir nicht wissen, wie sich die Dinge entwickeln." Wichtig sei vor allem, die illegale Einwanderung zu stoppen: "Wir sind entschlossen, es so zu lösen, dass am Ende die illegale Migration begrenzt ist."

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