Wolfgang Schäuble Minister sieht Einigung zu Flüchtlingskosten skeptisch

Das Gezerre um die Kosten für die Versorgung und Integration von Flüchtlingen dauert seit Monaten. Ein Konzept zeichnet sich vor dem dritten Spitzentreffen nicht ab. Finanzminister Schäuble dämpft die Erwartungen.

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Wie Dax-Konzerne Flüchtlingen helfen – oder auch nicht
Als die Flüchtlingszahlen stiegen, brüstete sich die deutsche Wirtschaft mit großen Versprechungen: Daimler-Chef Dieter Zetsche orakelte von einem neuen Wirtschaftswunder, BDI-Chef Ulrich Grillo versprach, die Industrie werde „ganz vorne“ mitmachen bei der Integration von Asylbewerbern in den Arbeitsmarkt. Quelle: dpa/picture-alliance
Viele Initiativen gründeten sich, viele prominente Stimmen meldeten sich zu Wort, ein Credo: Arbeit, Sprache, Bildung sind die Basis gelungener Integration, und überhaupt: Deutschland brauche diese Leute. Quelle: dpa/picture-alliance
Was ist nun aus den großen Versprechungen geworden? Ein Streifzug durch die deutsche Arbeitswelt zeigt: Manche tun nicht viel, außer sich mit der Mitgliedschaft in einer der werbeintensiven Hilfsinitiativen zu brüsten, andere spenden siebenstellige Beträge oder schaffen Hunderte Praktikums- und Ausbildungsplätze. Neben dem Erwartbaren findet sich in der Palette der Hilfsangebote aber auch manche Überraschung. Quelle: dpa/picture-alliance
Der Sportkonzern hat auch 30 Praktikumsplätze in den Bereichen Handel, Logistik und diversen Abteilungen am Headquarter geschaffen. Aber es gibt auch Sport-, Spiel- und Bastelnachmittage mit den Flüchtlingen hier in Herzogenaurach, und engagierte Mitarbeiter können finanzielle Unterstützung für „ihre“ Flüchtlingsprojekte anfragen. Dann gibt es aus dem Adidas-Fördertopf zum Beispiel Trikots für Fußball-Teams oder Schuhe für die Läufer, die am Stadtlauf teilnehmen. Quelle: dpa/picture-alliance
Der Reifenhersteller konzentriert sich auf das Wesentliche: Arbeit und Sprache. Deutschlandweit hat der Konzern in Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit 50 Plätze für eine sogenannte Einstiegsqualifizierung geschaffen. Das Programm dauert sechs bis zwölf Monate und soll die Leute fit machen für den Arbeitsmarkt. Ziel ist zum Beispiel die Übernahme in eine Ausbildung bei Conti – zehn Flüchtlinge haben bereits einen Vertrag für die Qualifizierung unterschrieben. Quelle: dpa/picture-alliance
Die Deutsche Post hat bereits mehr als 150 Flüchtlinge auf Praktika im Konzern vermittelt, mehr als 50 Menschen unter anderem aus Ruanda, Eritrea, Togo und Syrien sind außerdem auf konkrete Arbeitsplätze angestellt worden. Besonders stolz ist der Konzern auf seine Mitarbeiter: Mehr als 13.000 Beschäftigte engagieren sich in mehr als 650 Projekten. Auch nett: Etwa 26.000 Quadratmeter Liegenschaften hat der Konzern den Kommunen überlassen, um zum Beispiel Notunterkünfte oder Kleiderkammern einzurichten. Quelle: dpa/picture-alliance
Der Stromkonzern ist Gründungsmitglied der bundesweiten Initiative „Wir zusammen“, die vor allem Plattform zum Austausch über Projekte sein will. RWE ist aber auch Krise, weshalb man derzeit „keine Möglichkeit“ sehe, Flüchtlinge fest anzustellen. Immerhin gibt es zusätzliche 46 Praktikumsplätze und zwei Ausbildungsplätze. Außerdem geben Mitarbeiter Flüchtlingen Sprachkurse, dolmetschen oder lassen sich zu sogenannten Integrationslotsen ausbilden. Eine Aktion, die für einen Stromkonzern vielleicht wie Peanuts anmutet, für die Flüchtlinge sicherlich von großer Bedeutung: In Zusammenarbeit mit der Telekom hat RWE in einem Erstaufnahmelager kostenfreies WLAN-Netz organisiert. Quelle: dpa/picture-alliance

Im Dauerstreit zwischen Bund und Ländern über die Aufteilung der Flüchtlingskosten zeichnet sich keine rasche Lösung ab. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) besteht auf klaren Belegen der Länder über die anfallenden Integrationskosten. Vor dem neuen Bund-Länder-Spitzentreffen an diesem Donnerstag im Kanzleramt beurteilte er die Chancen auf eine Einigung äußerst skeptisch. Die Länder forderten zuletzt acht Milliarden Euro zusätzlich vom Bund.

Die Länder seien nach wie vor nicht bereit, ihre Kosten aufzulisten und von einer dritten unabhängigen Stelle prüfen zu lassen, kritisierte Schäuble am Mittwoch bei der Vorstellung seiner Haushaltspläne. „Sie wollen ihre Zahlen nicht überprüfen lassen“, sagte der Minister. Bisherige Zahlen zu Integrationsleistungen hätten mit seriösen Schätzungen teils wenig oder nichts zu tun. Er wisse nicht, ob das eine Linie für eine Verständigung sein könne. Der Bund sei bereit, im Rahmen seiner Möglichkeiten zu helfen. „Aber es ist begrenzt“, stellte Schäuble klar. Er verwies darauf, dass die Steuereinnahmen der Länder und Kommunen sich besser entwickelten als die des Bundes.

Vor dem für Donnerstag geplanten Gipfeltreffen zur Verteilung der Integrationskosten für Flüchtlinge im Bundeskanzleramt sagte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), die von den Bundesländern zusätzlich geforderten acht Milliarden Euro sollten als jährliche Pauschale, gestaffelt auf drei Jahre ausgezahlt werden. Demnach sollen in diesem Jahr 1,5 Milliarden Euro, im kommenden Jahr 2,5 Milliarden Euro und 2018 vier Milliarden Euro überwiesen werden.

Schäuble zeigte sich darüber überrascht. Die Forderung der Länder sei im Juni so verstanden worden, als sollten die acht Milliarden Euro des Bundes zusätzlich pro Jahr fließen. „Wenn sie sich auf drei Jahre beziehen, hätten wir uns schon am 16. Juni schon einigen können“, sagte er. Denn dies habe der Bund dort schon in dieser Größenordnung angeboten, sagte Schäuble.

Bund und Länder streiten seit Monaten über die Aufteilung der Kosten für die Integration von Flüchtlingen mit Bleibeperspektive. Die Länder lehnten zuletzt bei einem Treffen im Juni die vom Bund angebotenen zusätzlich rund zwei Milliarden Euro als unzureichend ab. Damals sagte der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Bremens Regierungschef Carsten Sieling (SPD), die Erwartungen lägen bei acht bis neun Milliarden Euro.

Der Bund hatte zuletzt angeboten, für drei Jahre die Kosten der Kommunen für die Unterkunft anerkannter Flüchtlinge komplett zu übernehmen. Er ist auch bereit, für minderjährige Flüchtlinge ohne Begleitung statt 350 Millionen Euro rund eine Milliarde pro Jahr zur Verfügung zu stellen. Schließlich soll die Endabrechnung der tatsächlichen Asylkosten - es geht um die Pauschale von 670 Euro pro Monat und Asylbewerber - vorgezogen werden, so dass den Ländern das Geld schneller zur Verfügung steht. Nach dem jetzigen Stand werde ein „niedriger einstelliger Milliardenbetrag“ zusätzlich erwartet.

Schäuble hatte schon bei den Gipfeltreffen im Mai und Juni eine zusätzliche Integrationspauschale abgelehnt. Zugleich hatte er gefordert, die Länder sollten zunächst ihre Integrationskosten klar nachweisen. Erst dann könne über Zugeständnisse geredet werden.

Der SPD-Fraktionschef im Bundestag, Thomas Oppermann, kritisierte die Milliardenforderungen aus Bayern. Die Wünsche von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) seien schlicht maßlos, sagte Oppermann. In der Gesamtschau addierten sich die bayerischen Forderungen auf eine Summe, die den Bund etwa zehn Prozent seiner Einnahmen kosten würde. „Das gefährdet die finanzielle Leistungsfähigkeit des Bundes. Der Bundeshaushalt ist nicht die Melkkuh von Bayern“, meinte Oppermann.

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