Würzburg-Terror Ruf nach dem starken Staat

Was ist die richtige Antwort auf den Axt-Angriff von Würzburg? Die Kommunen fordern eine stärkere Polizeipräsenz. Die Politik überlegt bereits, an welchen sicherheitspolitischen Stellschrauben sie drehen kann.

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Beamte eines Spezialeinsatzkommandos (SEK) simulieren die Bewältigung einer Amok-Bedrohungslage. Quelle: dpa

Berlin Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, hat sich nach der Axt-Attacke in einem Regionalzug bei Würzburg  für eine stärkere Polizeipräsenz in der Öffentlichkeit ausgesprochen. „Der Staat muss seine Handlungsfähigkeit zeigen, die Bürgerinnen und Bürger besser schützen und die Sicherheitsstrukturen stärken. Dazu gehört aus Sicht des Deutschen Städte- und Gemeindebundes auch mehr sichtbare Polizeipräsenz in der Öffentlichkeit“, sagte Landsberg dem Handelsblatt.

„Den Schutzmann an der Ecke und den Streife gehenden Polizisten gibt es nur noch selten“, kritisierte Landsberg. Wer aber der Verunsicherung in der Bevölkerung durch mehr Sicherheit begegne, leiste damit einen „unverzichtbaren Beitrag gegen Radikalisierungstendenzen“.  Damit die Polizei die wachsende Zahl an Aufgaben angemessen wahrnehmen kann, bedarf es aus Sicht Landsbergs einer „Entlastung der Polizei von bürokratischen Aufgaben und einer größeren Konzentration auf Strafverfolgung und Straftatenverhinderung“.

Im Fall des Würzburg-Attentats hat die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen übernommen. Es bestehe der Verdacht, dass der Attentäter die Tat als Mitglied des sogenannten Islamischen Staates (IS) zielgerichtet begangen habe, teilte die Behörde am Mittwoch in Karlsruhe mit. Geklärt werden soll demnach auch, ob weitere Personen in den Angriff verwickelt waren.

Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) hatte zuvor in Berlin von einem Einzeltäter gesprochen, der möglicherweise von der Propaganda der ISS-Terrormiliz angestachelt gewesen sei. Hinweise, wonach der 17-Jährige auf Anordnung des IS gehandelt habe, gebe es aber nicht.

Der allein als Flüchtling nach Deutschland gekommene junge Mann hatte am Montagabend Fahrgäste in einem Regionalexpress bei Würzburg mit einer Axt angegriffen. Im Zug und auf der Flucht verletzte er insgesamt fünf Menschen schwer. Er wurde von Polizisten erschossen, als er die Beamten angriff.


Union will schon Sympathiebekundung für Terror bestrafen

De Maiziere (CDU) sprach sich für schärfere Sicherheitsmaßnahmen aus. „Für die Zukunft brauchen wir mehr Videoüberwachung, (...) mehr Polizei und wir brauchen einen besseren Schutz der Beamten.“, sagte er. Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) kündigte einen stärkeren Kampf gegen islamistische Propaganda im Internet an. Dazu sei er bereits im Gespräch mit dem Präsidenten des Bundeskriminalamtes.

Die CDU/CSU-Fraktion drängt auf ein Strafgesetz gegen Werbung für terroristische Vereinigungen. Das Internet werde immer mehr „zum geistigen Nährboden für islamistisches Gedankengut“, sagte der Unions-Innenexperte Mayer (CSU) dem Handelsblatt. Die Union setze sich daher dafür ein, „dass die Sympathiewerbung für eine terroristische Vereinigung wieder unter Strafe gestellt wird“.

Unionsfraktionsvize Stephan Harbarth (CDU) warf Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) vor, ein entsprechendes Gesetzesvorhaben bislang zu blockieren. Es werde „endlich Zeit“, dass Maas tätig wird.

Es gebe „viele Gründe, für unsere Werte einzutreten und sie zu verteidigen - mit klarem Blick auf die Gefährdungen, aber mit Augenmaß“, sagte Bundespräsident Joachim Gauck der „Bild“-Zeitung. „Unsere Werte wie Freiheit, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und unseren liberalen Lebensstil werden wir natürlich nicht ändern.“ Die Terrorgefahr dürfe nicht dazu führen, dass die Lebensweise geändert werde.

Die Gesellschaft dürfe sich nicht durch radikalislamische Tendenzen spalten lassen. „Wir sind aufgerufen, jeder Form ihrer Spaltung vorzubeugen, auch weil es genau das ist, was die Terroristen wollen“, sagte Gauck. „Es gibt manche beunruhigende Entwicklung, aber doch nicht wirklich eine Spaltung unserer Gesellschaft.“

Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek. Er sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ vom Mittwoch, möglicherweise habe der Täter im Bewusstsein gehandelt, einen Keil in die Gesellschaft zu treiben. „Tun wir alles, dass ihm das nicht gelingt.“

Die Deutsche Polizeigewerkschaft forderte, mehr für die Sicherheit von Fahrgästen in Zügen zu tun. „Die Bahn muss in diesen Bereich investieren“, sagte Verbandschef Rainer Wendt. Er sprach sich für einen Ausbau der Videoüberwachung in Bahnhöfen und Zügen aus und für eine bessere Ausbildung des Zugpersonals. Auch „Train Marshals“ - analog zu den „Sky Marshals“ für die Sicherheit in Flugzeugen - seien eine Option.

Davon hält der Städtebund-Chef Landsberg aber nichts. „Eine Ausstattung jedes Zuges, eines jeden Busses und jeder Bahn mit zusätzlichem Sicherheitspersonal ist unrealistisch – dies lässt sich weder finanziell noch personell umsetzen“, sagte er.

Landsberg plädierte stattdessen dafür, den Fokus verstärkt auf präventive Maßnahmen zu legen, sowohl im Sicherheits- als auch im sozialen Bereich. „Je mehr Menschen das Gefühl haben, nicht Teil dieser Gesellschaft zu sein, desto höher des Risiko von Radikalisierungen“, sagte Landsberg. „Eine aufmerksame Öffentlichkeit kann ebenfalls einen Beitrag bei der Verhinderung oder Begrenzung von Straftaten sein.“ Eine hundertprozentige Sicherheit gebe es aber nicht. „Das gilt für jede Großveranstaltung genauso wie auch für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel.“


„Die Antwort muss ein EU-Terrorabwehrzentrum sein“

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bekräftigte derweil die Forderung seiner Partei, den Zuzug von Flüchtlingen zu begrenzen. „Wir müssen (...) dadurch dann in der Lage sein, uns mit denen, die da sind, denen, die auch wirklich fluchtberechtigt sind, dann auch intensiv zu befassen und alles dafür zu tun, dass die nicht derartig aus dem Ruder laufen.“

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) kritisierte in diesem Zusammenhang, dass mit dem Flüchtlingsstrom viele Personen unregistriert ins Land gelangt seien. „Da sind mit Sicherheit etliche labile Gestalten dabei, die sich aus einer Endzeitstimmung heraus zu solchen Terrorattacken hinreißen lassen“, sagte BDK-Vizechef Ulf Küch dem Handelsblatt. Gegen solche Einzeltäter seien die Sicherheitsbehörden „aber relativ machtlos“. „Wir können nicht in die Köpfe solcher Leute hineinschauen.“

Küch plädiert daher dafür, verstärkt auf Prävention zu setzen. „Flüchtlinge brauchen eine sinnvolle Beschäftigung, damit sie nicht erst auf den Gedanken kommen, in den kriminellen Bereich abzurutschen. Wir müssen uns besser und intensiver um diese Leute kümmern.“

Die SPD fordert indes wie FDP-Chef Christian Lindner den Ausbau der Sicherheitsbehörden. „Der Terrorismus macht an Grenzen nicht Halt. Deshalb muss die Antwort ein EU-Terrorabwehrzentrum sein“, sagte Lindner dem „Münchner Merkur“. „Die Bedrohung durch Salafismus und Islamismus ist ganz offensichtlich größer geworden. ... Also nicht 1600 neue Zöllner als Mindestlohn-Kontrolle einstellen, sondern den Verfassungsschutz stärken.“

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