




Der Wulff-Prozess könnte ein vorläufiges Ende finden. In einem Zwischenfazit hat der Richter Frank Rosenow angekündigt, dass aus seiner Sicht nichts gegen eine Einstellung spricht. Die könnte schon Mitte Januar über die Bühne gehen, wenn Staatsanwaltschaft und Beklagter mitmachen. Und genau hier liegt die Krux an der Sache: Eine Einstellung des Prozesses liegt nicht in der Hand des Gerichts, sondern kommt durch Einigung zwischen den Verfahrensbeteiligten zustande.
Die Beteiligten werden vom Richter lediglich dazu angeregt, sich zu einigen. Um das zu erreichen, macht das Gericht klar, wie das Verfahren wahrscheinlich ausgehen würde, wenn man es denn bis zum Ende führte. Für gewöhnlich genügt das, um die Beteiligten von einer Einigung zu überzeugen: Für den Beschuldigten lohnt es sich, weil er sofort erreichen kann, was sonst noch viele Tage der öffentlichen Demütigung im Gericht erfordern würde. Für den Kläger lohnt es sich, weil er zumindest die Kosten für den weiteren Prozess spart.
Doch im Fall Wulff liegt die Sache anders. Dieser unwürdige Prozess ist von Beginn an mit Erwartungen beladen worden, die ein Gerichtsverfahren niemals erfüllen kann. Der Beklagte erhoffte sich nicht bloß, glimpflich davonzukommen. Nein, der Prozess solle dafür sorgen, dass seine höchstpersönliche Ehre wiederhergestellt würde. Dabei war die bereits nach der öffentlichen Selbstgeißelung des Staatsoberhauptes im Fernsehstudio verloren. Die Staatsanwaltschaft Hannover ihrerseits braucht den Prozess, um ihr folgenschweres Handeln in der Vergangenheit zu rechtfertigen. Schließlich hatte sie mit der Eröffnung des Verfahrens den Sturz des Präsidenten herbeigeführt, ein einmaliger Vorgang in der Geschichte der Republik. So soll nun eine gesellschaftlich bereits vollstreckte Strafe nachträglich vor dem Gericht ihre rechtliche Grundlage bekommen.
Und so haben beide Parteien direkt nach dem Zwischenfazit klar gemacht, dass sie herzlich wenig von einer Einstellung halten. Wulffs-Verteidiger schlossen sich der Einschätzung des Gerichts an, machten aber klar: „Für uns kommt nur ein Freispruch infrage.“ Oberstaatsanwalt Clemens Eimterbäumer erklärte seinerseits: „Die Zwischenbilanz der Kammer überzeugt uns nur teilweise.“ Es könnte also weitergehen, bis in den April.
Für die öffentliche Meinung ändert sich nichts





Auf den ersten Blick sind die Motivationslagen beider Parteien nachvollziehbar. Wulff sieht die gute Chance auf volle Rehabilitierung. Die Staatsanwaltschaft wiederum hat nur noch wenig zu verlieren. Ob sie das Verfahren einstellt oder Wulff freigesprochen wird, sie steht als Verlierer da. Doch solche Argumente zeigen, dass sich beiden Seiten viel zu sehr in das Verfahren verrannt haben. Ob freigesprochen oder gegen geringe Spende eingestellt, dass wird in der öffentlichen Beurteilung von Christian Wulff spätestens in ein paar Monaten keine Rolle mehr spielen. Und um diese öffentliche Beurteilung geht es Wulff offensichtlich, so sicher wie er sich inzwischen sein kann, dass ihm eine schwerwiegende Bestrafung nicht droht.
Dass die Staatsanwaltschaft sich so verstockt zeigt, dürfte der öffentlichen Meinung geschuldet sein, die seit Prozessbeginn zugunsten des ehemaligen Bundespräsidenten gekippt ist. Dabei fällt ihre Bilanz bei näherer Betrachtung so schlecht nicht aus: Dass der Richter die Anklage überhaupt zugelassen hat, zeigt, dass er die Vorwürfe zumindest nicht als völlig unhaltbar betrachtet. Damit ist die Staatsanwaltschaft eigentlich aus dem Schneider: Die Einleitung der Ermittlungen kann ihr nun keiner mehr vorwerfen. Für alles weitere hat sie sich nicht zu rechtfertigen, das ist ihr Job.
Noch haben die Parteien Zeit, über das Angebot nachzudenken. Es ist Ihnen zu wünschen, dass sie ihre Meinung ändern. Denn die vergangenen Prozesstage haben vor allem eines gezeigt: Was hier stattfindet, taugt nur als Schauspiel. Wenn man den Prozessbeobachtern Glauben schenkt, hat der Richter bereits in den ersten Zeugenvernehmungen erkennen lassen, dass er die Spur der Vorteilsnahme für sehr dünn hält. So dünn, dass er es kaum für nötig hielt, ihr ernsthaft zu folgen. Mit Bettina Wulff wurde mehr geplaudert, als sie zu befragen. Als der mächtige Verleger Michael Burda seine Vorliebe für Schweinswürstel ausführte, erübrigten sich alle Nachfragen von selbst.
Deutschland
Es wäre an der Zeit, dass beide Seiten endlich das tun, was der ganzen Affäre von Beginn an gefehlt hat: über ihren Schatten springen. Zu gewinnen gibt es hier längst nichts mehr. Weder für den Richter, noch für Wulff, die Staatsanwaltschaft oder die Öffentlichkeit. Aber zumindest das Geld könnte der Rechtsstaat sich sparen.