Yascha Mounk „Inklusiver Nationalismus sorgt für Toleranz“

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„Jede Firma, die in Deutschland Umsätze generiert, sollte auch hier Steuern zahlen“

Die Festnahme des ehemaligen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy, der möglicherweise illegale Wahlkampfspenden von Muammar al Gaddafi angenommen hat, ist Wasser auf die Mühlen derer, die die Elite für korrupt wähnen.  
Natürlich gibt es Fälle von Bestechung, aber das sind Ausnahmen. Den Vorwurf der Korruption auf die ganze politische Elite auszuweiten ist zu pauschal.

Wie sähe ein differenzierterer Blick aus?
Betrachten wir den Einfluss von Geld auf die Politik in den USA. Jeder Politiker ist darauf angewiesen, für seine Kampagnen Spendengelder zu generieren. Aus diesem Grund verbringen Abgeordnete unglaublich viel Zeit mit Lobbyisten und Ultrareichen. Daraus schließen viele Bürger, Politiker seien korrupt. Sie glauben, Abgeordnete würden oft gegen Gesetze stimmen, die sie für gerecht halten, um die Interessen ihrer Geldgeber zu wahren. In der Realität ist das deutlich komplizierter. Politiker verbringen mehr Zeit mit Lobbyisten oder reichen Menschen, und verstehen deren – zum Teil durchaus legitime – Bedürfnisse deshalb viel besser als die ebenso legitimen Bedürfnisse des sonstigen Wahlvolks, zu dem sie kaum Kontakt haben. Deswegen bevorzugt die Politik eine sehr kleine Gruppe von Menschen auf eklatante Weise.

In den meisten europäischen Ländern sind die Wahlkampfspenden gedeckelt. Hat Geld hier einen geringeren Einfluss?
Es ist kein Zufall, dass die Politik in Europa die Nachsteuer-Einkommen gerechter verteilt als in den USA. Was die Europäer allerdings, nebenbei bemerkt, gerne verschweigen: Die Vermögen waren in den USA lange gerechter verteilt als hierzulande. Insgesamt halte ich das europäische System für sinnvoller, aber es hat ebenfalls große Schwächen. In vielen Ländern Europas ist Wahlkampffinanzierung aus dem Ausland nicht verboten, sodass der Kreml ganz legal populistische Parteien aus der rechten und der linken Ecke finanziert. Zudem finden Menschen, die über sehr viel Geld verfügen und politischen Einfluss ausüben wollen, immer einen Weg. In Frankreich sehen wir mit Sarkozy gerade, dass die Deckelung der Wahlkampfspenden dazu führen kann, dass manche Politiker sich über illegale Spenden einen großen Vorteil verschaffen können. Ich halte die Deckelung insgesamt für sinnvoll, ein Allheilmittel ist sie aber augenscheinlich nicht.

Yascha Mounks „Der Zerfall der Demokratie - Wie der Populismus den Rechtsstaat bedroht“ ist Anfang Februar im Droemer Verlag erschienen. Quelle: Presse

Was müssen wir tun, um ein weiteres Erstarken der Populisten zu verhindern?
Wir müssen vor allem die strukturellen Gründe für ihr Erstarken bekämpfen. Es gibt viele Politikfelder, auf denen wir nie den Mut hatten, neue Ideen auszuprobieren, obwohl die alten unsere Probleme nicht lösen. Das ist keine Frage von linken oder rechten Regierungen, sondern von Phantasie und Konsequenz. Nehmen wir die Besteuerung. In Deutschland zahlt keine Steuern, wer 200 Tage im Jahr in einem Steuerparadies verbringt. Das ist in den USA anders, dort muss jeder Staatsbürger Steuern verrichten, egal, wo er lebt. Da sollte sich Deutschland ein Vorbild an den USA nehmen. Auch bei den Unternehmenssteuern können wir vieles ändern: Jede Firma, die in Deutschland Umsätze generiert, sollte auch hier Steuern zahlen müssen – anstatt sich vor einem echten Beitrag drücken zu können, indem sie ihren nominellen Sitz in Irland oder Luxemburg anmeldet. Mit ein wenig Ambition lassen sich solche Missstände durchaus beheben.  

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