ZDH-Unternehmerforum Arbeitsminister Heil bereit zu Gesprächen über Arbeitslosenbeitrag

Arbeitsminister Heil macht dem Handwerk Hoffnung auf Entlastung. Doch Brückenteilzeit und Sozialer Arbeitsmarkt sorgen für Konfliktstoff.

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Die Politiker schrauben derzeit an der im Koalitionsvertrag festgelegten Senkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrags um 0,3 Punkte. Heil signalisiert Kompromissbereitschaft. Quelle: dpa

Berlin Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat Gesprächsbereitschaft über eine stärkere Senkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrags signalisiert, wenn gleichzeitig etwas für die Weiterbildung von Beschäftigten getan wird. Beim Unternehmerforum des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) in Berlin präzisierte er zudem seine Vorstellungen vom geplanten Sozialen Arbeitsmarkt für Langzeitarbeitslose.

Bei der umstrittenen „Brückenteilzeit“ gebe es weiter Differenzen zwischen Union und SPD, räumte der Minister ein.

Nach CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hatte auch CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer erklärt, sie sehe zusätzlichen Spielraum für Entlastungen beim Arbeitslosenversicherungsbeitrag. Im Koalitionsvertrag hatten sich die Regierungsparteien auf eine Senkung um 0,3 Punkte auf 2,7 Prozent geeinigt. Dobrindt hatte im Bundestag eine Senkung um 0,5 Prozentpunkte ins Spiel gebracht.

„Ich nehme jetzt weitere Wünsche entgegen“, sagte Heil vor den Handwerksfunktionären. Aber Weihnachten sei erst am 24. Dezember. „Und wir müssen ein bisschen aufpassen, dass wir nicht Wünsch-dir-was spielen.“  

Über die Höhe der Entlastung werde er mit sich reden lassen, betonte Heil. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) brauche aber eine ausreichende Reserve. Gerade angesichts der internationalen Krisen wisse niemand, wie lange die durch niedrige Zinsen und Energiepreise gestützte gute Konjunktur anhalte. Die BA dürfe nicht in die Bredouille kommen, im Ernstfall prozyklisch in die Krise hinein die Beiträge erhöhen zu müssen.

Klar sei aber auch, dass die Weiterbildung gestärkt werden müsse, um auf dem sich rasant wandelnden Arbeitsmarkt die Beschäftigungsfähigkeit der Menschen zu erhalten. Deshalb müsse die Arbeitsagentur stärker auch auf diesem Feld aktiv werden. Auch dafür müsse Geld da sein.

Gleichzeitig dämpfte der Arbeitsminister aber die Sorgen der Unternehmer, der Staat könnte ihnen die Weiterbildung aus der Hand nehmen oder vorschreiben: „Ich will keine Superbehörde in Nürnberg, die sich dann alles für die Betriebe ausdenkt.“

Um das Ziel der Vollbeschäftigung bis 2025 zu erreichen, planen Union und SPD auch einen Sozialen Arbeitsmarkt für Langzeitarbeitslose. Insgesamt will die Große Koalition die Jobcenter bis 2022 mit vier Milliarden Euro zusätzlich ausstatten, um die Betreuung zu verbessern.

Heil stellt sich hier ein zweigleisiges Instrument vor. Arbeitslose, die schon zwei oder drei Jahre ohne Job sind, sollen mit Lohnkostenzuschüssen wieder an Tätigkeiten in der Privatwirtschaft, in gemeinnützigen Einrichtungen oder den Kommunen herangeführt werden.

Wer schon fünf Jahre und länger arbeitslos ist und zusätzlich gesundheitliche oder soziale Probleme hat, soll darüber hinaus von einem begleitenden Coaching profitieren. Ein Berater hilft dem Langzeitarbeitslosen etwa, sich wieder an einen geregelten Tagesablauf zu gewöhnen oder auch wirklich regelmäßig zur Arbeit zu erscheinen.

Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer hatte in seiner Eingangsrede noch vor dem Sozialen Arbeitsmarkt gewarnt: „Nach den leidvollen Erfahrungen des Handwerks mit Ein-Euro-Jobs darf es nicht dazu kommen, dass Maßnahmen gefördert werden, die am Ende zu Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten unserer Betriebe führen“, sagte Wollseifer.

Tätigkeiten auf dem Sozialen Arbeitsmarkt müssten also auf jeden Fall zusätzlich, wettbewerbsneutral und im öffentlichen Interesse sein. Heil bemühte sich, die Befürchtungen der Handwerker zu dämpfen: Die geplanten Lohnkostenzuschüsse stünden ja allen Unternehmen offen, betonte der Arbeitsminister.

Große Probleme hat das Handwerk auch mit dem geplanten gesetzlichen Rückkehrrecht vom Teilzeit- auf den Vollzeitjob – auch wenn der durchschnittliche Handwerksbetrieb nur fünf Mitarbeiter hat und deshalb vom Gesetz gar nicht betroffen ist. Denn es greift nur in Betrieben mit mindestens 45 Beschäftigten.

Doch für die größeren Betriebe sei die „Brückenteilzeit“ ein „schwerwiegender Eingriff in die Dispositionsfreiheit der Unternehmen“, kritisierte Wollseifer. Gerade mittelständische Arbeitgeber fragten sich, wie sie den Ausfall der Arbeitszeit der Teilzeitkräfte kompensieren sollten, wenn angesichts der guten Arbeitsmarktlage kein zusätzliches Personal zu finden sei.

Heil verteidigte die geplante Regelung. Viele Beschäftigte wollten nur für begrenzte Zeit kürzer treten – auch weil sie wüssten, dass sie mit einem dauerhaften Teilzeitjob im Alter kaum eine Rente oberhalb der Grundsicherung erzielen würden. Gerade viele Frauen blieben aber in der Teilzeitfalle stecken.

Strittig bei dem Gesetz sei nach wie vor die Frage, was mit den Beschäftigten passieren soll, die heute schon Teilzeit arbeiten. Wollen sie ihre Arbeitszeit aufstocken, müssen sie nach geltendem Recht nachweisen, dass der Arbeitgeber eine entsprechende Stelle hat und sie dafür auch geeignet sind. „Dieses Wissen können Arbeitnehmer nicht haben“, sagte Heil.

Deshalb soll die Beweislastumkehr her: Der Arbeitgeber soll nachweisen, dass er keine passende Vollzeitstelle hat oder den Kandidaten für ungeeignet hält. Die Unternehmer fürchten hier zusätzliche Bürokratie. Eine Runde von Staatssekretären aus verschiedenen Ministerien bemühte sich am Donnerstag, eine Lösung in dieser Frage zu finden.

In der Podiumsdiskussion beim ZDH-Unternehmerforum traten die Differenzen jedoch noch offen zutage. Die Beweislastumkehr müsse so gestaltet werden, dass sie auch für einen kleinen Handwerksbetrieb ohne fünf Topjuristen in der Personalabteilung rechtssicher zu handhaben sei, sagte der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Peter Weiß (CDU).

Seine SPD-Kollegin Kerstin Tack betonte dagegen, sie könne nicht erkennen, dass das Gesetz eine „unzumutbare Härte“ für die Unternehmen darstelle.

Beim Fachkräftemangel, der auch das Handwerk stark umtreibt, verwies der Arbeitsminister auf die inländischen Potenziale. Jährlich verließen 50.000 Jugendliche die Schule ohne Abschluss, 1,6 Millionen der 20- bis 30-Jährigen hätten keine abgeschlossene Berufsausbildung. Da werde der „Nachwuchs für Hartz IV“ produziert, kritisierte Heil.

Auch bei der Erwerbsbeteiligung von Frauen gebe es noch Luft nach oben. Und schließlich plane die Koalition ja ein Fachkräftezuwanderungsgesetz. Arbeits-, Innen- und Wirtschaftsministerium, die lange über die Federführung bei dem Projekt stritten, wollen laut Heil jetzt bis zur Sommerpause ein gemeinsames Eckpunktepapier vorlegen.

Bis dahin müsse etwa die Frage geklärt werden, ob es nicht Sinn mache, jungen Menschen aus Staaten außerhalb der EU für eine begrenzte Zeit die Einreise zur Jobsuche zu erlauben.

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