Zehn Jahre Arbeitsmarktreformen "Hartz IV gleicht einer Sklavenhalterideologie"

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"Der Arbeitsmarkt sondert bestimmte Gruppen aus"

Nachdem das Bundesverfassungsgericht Hartz IV grundsätzlich für legitim erklärt hat, wird es uns wohl auch im kommenden Jahrzehnt begleiten. Bleibt die Frage, wie es gerechter gestaltet werden kann? Arbeitsministerin Andrea Nahles etwa will Unternehmer dazu bringen, Langzeitarbeitslose einzustellen. Dafür soll der Bund 75 Prozent des Gehalts übernehmen und den Langzeitarbeitslosen einen Coach an die Seite stellen.

Auch hier wird wieder so getan, als wären die Langzeiterwerbslosen selbst schuld an ihrem Schicksal – ihnen wird ein Coach an die Seite gestellt, als handle es sich um eine sportliche Herausforderung, der mit einem Trainer besser zu begegnen sei. Das von Ihnen angesprochene Programm würde den Arbeitslosen kaum etwas bringen, weil es ja nicht die strukturellen Bedingungen für ihre Lage ändert. Solche kurzatmigen Maßnahmen, die nur einige, ausgewählte Langzeitarbeitslose erreichen, helfen nicht.

Im Osten Deutschlands herrscht die größte Armutsgefahr
Ein Mann bettelt auf der Königsstraße in Stuttgart: Auch wenn es auf dem Bild nicht so aussieht: In Baden-Württemberg sind mit 11,4 Prozent die Menschen am wenigsten von Armut bedroht. Die Armutsgefährdung beginnt in Deutschland etwa für einen Alleinlebenden, wenn sein Monatseinkommen unter 892 Euro liegt. Quelle: dpa
Direkt dahinter liegt Bayern mit einem Armutsrisiko von 11,3 Prozent. Quelle: dpa
Der Mond scheint in Frankfurt am Main durch einen leichten Wolkenschleier auf den Fluss und die illuminierte Ignatz-Bubis-Brücke. Die Armutsgefährdungsquote liegt im Bundesland Hessen bei 13,7 Prozent. Quelle: dpa
14,0 Prozent der Menschen in Schleswig-Holstein sind armutsgefährdet. Quelle: dpa
In Rheinland-Pfalz sind 15,4 Prozent der Einwohner von der Armut bedroht. Quelle: dpa
Direkt dahinter reiht sich Niedersachsen mit dem großen Unternehmen Volkswagen ein. Hier liegt die Armutsgefährdung bei 16,1 Prozent. Quelle: REUTERS
Die Armutsgefährdungsquote in Hamburg liegt bei 16,9 Prozent. Quelle: dpa

Immerhin will Nahles mittelfristig rund 150 Millionen Euro pro Jahr lockermachen und bis zu 10.000 Langzeitarbeitslose könnten davon profitieren.

Das heißt ein Prozent! Das eigentliche Problem besteht aber darin, dass der Arbeitsmarkt bestimmte Gruppen von Erwerbslosen aussondert – etwa Menschen mit gesundheitlichen oder psychischen Beeinträchtigungen.

Sie sind wegen der Hartz-Reformen aus der SPD ausgetreten. Welche Maßnahmen müsste Nahles durchführen, damit Sie der SPD wieder beitreten würden? Welche Maßnahmen könnten helfen?

Sie müsste Selbstkritik an ihrer Regierungspolitik üben und die Hartz-Reformen rückabwickeln. Auch sollte sich die Partei für einen Mindestlohn in angemessener Höhe und ohne zahlreiche Ausnahmen einsetzen. Ich sehe bisher aber nicht, dass die SPD wieder an ihre alte Parteitradition der Herstellung sozialer Gerechtigkeit anknüpft.

Das klingt alles recht unwahrscheinlich. Also wird man sie wohl nicht allzu schnell bei der SPD wiederfinden.

Danach sieht es derzeit tatsächlich kaum aus. Ich werde jedoch auch keiner anderen Partei beitreten, sondern fühle mich als parteiloser Wissenschaftler ganz wohl. Als linker Sozialdemokrat ist man ja schon länger daran gewöhnt, politisch heimatlos zu sein.

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