Zeitarbeit und Werkverträge Andrea Nahles dreht bei

Arbeitsministerin Andrea Nahles feiert einen Durchbruch bei der Reform von Zeitarbeit und Werkverträgen. Im Detail aber ist sie den Arbeitgeber-Interessen weit entgegengekommen.

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Nahles: „Missbrauch bei Leiharbeit und Werkverträgen wird bekämpft“

Andrea Nahles (SPD) spazierte am Dienstagabend sichtlich gelöst aus dem Kanzleramt und vor die TV-Kameras. Sie wollte offenkundig die erste Botschaft senden und den von ihr gewünschten Ton vorgeben: Sie, die Arbeitsministerin, habe sich durchgesetzt. Das lange von der CSU erbittert blockierte Gesetz zu Zeitarbeit und Werkverträgen werde nun endlich auf den Weg gebracht, der Knoten sei geplatzt. Nahles schaute in die milde Dämmerung und freute sich.

Dass das Gesetz kommen soll, war zwar bereits auf dem jüngsten Treffen der Koalitionsspitzen vor einigen Wochen vereinbart worden – aber der bayrische Koalitionspartner hatte noch weiteren Klärungsbedarf angemeldet. Nun sind alle Fragen beantwortet – und Nahles feiert sich als Siegerin.

Dabei ist die umstrittene Reform eigentlich ein Lehrstück über politische Kompromisse. Und eines über die höchst geschickte Anpassungs- und Wandlungsfähigkeit der Arbeitsministerin noch dazu. Im Grundsatz kann Nahles alle SPD-Versprechen des Koalitionsvertrages – Beschränkung der Zeitarbeit auf 18 Monate, gleicher Lohn für Zeitarbeiter nach 9 Monaten, bessere Definition gegen den Missbrauch von Werkverträgen – halten. Dies wird sie sicher weiter kräftig betonen.

Im Detail gibt es nun dennoch so viele Klauseln und Sonderregeln, dass die Arbeitgeber sehr gut mit dem Gesetz werden leben können, das für sie noch vor einigen Monaten so etwas wie der Leibhaftige in Paragrafenform war.

Einen Hinweis darauf gaben die Reaktionen. Es war nicht der DGB, sondern der Geschäftsführer des Verbandes Gesamtmetall, Oliver Zander, der die abendlichen Koalitionsergebnisse als erstes für deren „notwendige Freiräume“ lobte. Im Klartext: Arbeitnehmerüberlassung und die Ausgliederung von Tätigkeiten an Dienstleister per Werkvertrag bleiben ungefährdet. Die geschätzte Flexibilität am Arbeitsmarkt bleibt in der Praxis weitgehend erhalten.

So dürfen beispielsweise nicht nur tarifgebundene Unternehmen weiterhin von der 18-Monatsfrist nach oben abweichen, sondern auch solche, die keinem Tarifvertrag unterliegen. Auch das angedachte Verbot, Zeitarbeiter als Streikbrecher einzusetzen, wird präzisiert und dabei leicht entschärft: Wird ein Betrieb künftig bestreikt, dürfen Leiharbeitnehmer zwar keine Aufgaben von Streikenden übernehmen. Arbeiten sie aber an anderen Stellen im Betrieb, dürfen sie dies auch während eines Ausstands der Festangestellten. Das muss Nahles in ihrem Gesetzentwurf jetzt präzisieren.

Ihrem Ziel, nach Mindestlohn, Rentenpaket und Tarifeinheit ein weiteres Kernvorhaben unter Dach und Fach zu bringen, ist die Arbeitsministerin damit ein großes Stück näher gekommen. Der Preis für diesen Erfolgsnachweis war ihr offenbar nicht zu hoch.

Zumal die SPD-Oberen nach der Einigung bei ihrem Prestigeprojekt am gestrigen Abend auch ihrerseits eine eher unbeachtete Teil-Blockade räumten: Die im vergangenen November zwischen den Fraktionsexperten erzielte Einigung zur Flexi-Rente, die CDU und CSU unbedingt wollten, soll nun bis Sommer in einen Gesetzentwurf münden.

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