Zivilschutzkonzept Streit über Wehrpflicht

Die Bundesregierung erwägt in ihrem neuen Zivilschutzkonzept ein Wiederaufleben der Wehrpflicht. Während Unionspolitiker diese Gedankenspiele begrüßen, spricht ein SPD-Politiker von „abstrusem Stuss“.

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Kommt die Wehrpflicht zurück? Quelle: dpa

Berlin In der Koalition ist angesichts der Regierungspläne zur besseren Vorbereitung auf Terror, Cyberattacken oder verdeckte Angriffe Streit über ein Wiederaufleben der Wehrpflicht ausgebrochen. Kritik kam auch von Linken und Grünen. Unionspolitiker verteidigten die federführend von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) ausgearbeiteten Pläne.

Der Sprecher des konservativen „Seeheimer Kreises“ in der SPD, Johannes Kahrs, nannte entsprechende Gedankenspiele in der „Frankfurter Rundschau“ (Mittwoch) „abstrusen Stuss“. Der CDU-Rechtspolitiker Patrick Sensburg forderte dagegen in den Zeitungen der Funke Mediengruppe eine schrittweise Wiederaufnahme der Wehrpflicht. Zur Abwehr neuer Bedrohungsszenarien brauche Deutschland wieder „die frühere Struktur der Heimatschutzbataillone“. Sie sollten etwa sensible Einrichtungen schützen.

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Stephan Mayer (CSU), verteidigte die Gedankenspiele für ein Wiederaufleben der Wehrpflicht. „Natürlich gehört es zu einer umfassenden Vorsorge, alle Eventualitäten zu denken“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Dazu gehört auch, die Wiedereinführung einer Wehrpflicht als eine Möglichkeit in den Blick zu nehmen.“ Wer darin bereits den Ruf nach der Wiedereinführung der zum 1. Juli 2011 nach 55 Jahren ausgesetzten Wehrpflicht sehe, „hat den Sinn einer umfassenden Vorsorge nicht verstanden“.

Die Bundesregierung will Deutschland mit einer neuen „Konzeption Zivile Verteidigung“ besser auf Bedrohungen durch Terror, Cyberattacken und Angriffe auf sensible Infrastruktur etwa in der Trinkwasser- oder Energieversorgung vorbereiten. Das Kabinett will die entsprechenden Pläne am Vormittag (9.30 Uhr) beschließen. Das aktuell gültige Konzept zur zivilen Verteidigung war vor mehr als 20 Jahren vor dem Hintergrund der Entspannung nach dem Ende des Kalten Krieges entstanden. Seither hat sich die Sicherheitslage angesichts der Bedrohung durch Terrorismus und der Spannungen zwischen dem Westen und Russland aber erheblich verschärft.


Angst vor steigenden Terrorgefahren

Das neue Konzept hat auch die Zustimmung der zuständigen SPD-Ministerien. Darunter sind das von Parteichef Sigmar Gabriel geführte Wirtschafts- sowie das von Heiko Maas geleitet Justizressort.

De Maizière stellt das Konzept am Nachmittag (14.00 Uhr) zusammen mit dem Präsidenten des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Christoph Unger, in einem Berliner Wasserwerk öffentlich vor. Bei einem Rundgang durch das Wasserwerk will sich der Minister auch über Maßnahmen zum Schutz kritischer Infrastrukturen informieren. Bei solchen Einrichtungen etwa der Wasser- oder Energieversorgung geht es um Anlagen, die für die Versorgung der Bevölkerung existenziell sind.

Sicherheitsexperten befürchten, dass Terroristen oder Staaten etwa mit Cyberattacken versuchen könnten, diese für die Versorgung der Gesellschaft wichtigen Anlagen anzugreifen. Auch die Nato bereitet sich auf Einsatzszenarien wie die sogenannte hybride Kriegsführung vor. Das sind Angriffe mit verdeckten Mitteln: Wirtschaftlicher Druck, Propaganda, Cyberattacken oder verdeckte Militäroperationen, wie sie Russland in der Ostukraine vorgeworfen werden.

Die Deutschen fühlen sich zunehmend von Terror bedroht, wollen aber am Lebensstil einer freien Gesellschaft festhalten, ergab eine repräsentativen Untersuchung des Instituts für Demoskopie für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. 77 Prozent schätzen das Gefahrenpotenzial, das in Deutschland von radikalen islamischen Gruppen ausgeht, als hoch ein, berichtet die Zeitung (Mittwoch). Ende des vergangenen Jahrzehnts seien es erst 55 Prozent gewesen. Stark gestiegen sei der Anteil derer, die zu den wichtigsten Zielen der deutschen Außenpolitik zählen, sich an internationalen Maßnahmen zur Verbrechens- und Terrorismusbekämpfung zu beteiligen.

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