Zoff um Regulierung SPD liegt im Clinch mit Zeitarbeit-Betriebsräten

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„Schlechten Ruf haben sich Zeitarbeitsunternehmen hart erarbeitet“

Tack legt ihre Motivlage offen: „Ziel der SPD ist immer, prekäre Beschäftigung und Niedriglöhne zurück zu drängen und das unbefristete sowie ordentlich bezahlte Normalarbeitsverhältnis zu stärken. Deshalb wollen wir Zeit- und Leiharbeit auf ihre Kernfunktion beschränken, nämlich Auftragsspitzen zu bewältigen.“ Der Kampf gilt also der Zeitarbeit an sich. Dabei hat sich seit den Zeitarbeits-Skandalen der Vergangenheit – etwa beim inzwischen historischen Drogerie-Unternehmen Schlecker – die Situation der rund eine Million Beschäftigten in der Branche rechtlich und von den Konditionen her deutlich verbessert.

Cellier kritisiert die Haltung der Politik gegenüber den Beschäftigten: „Zeitarbeitskräfte werden von der Politik wie Opfer gesehen und behandelt. Sie würden aber lieber ernst genommen.“ Unterstützung bekommt die streitbare Randstad-Frau jetzt von Ralf Gundlach, Betriebsrats-Vorsitzender in der Deutschland-Hauptverwaltung des drittgrößten deutschen Zeitarbeitsunternehmens Manpower in Eschborn. Gundlach kritisiert: „Die Betriebsräte von Zeitarbeitsunternehmen werden von der Politik nicht ausreichend ernst genommen. Wir sind aber nicht der verlängerte Arm der Geschäftsführung, sondern gewählte Arbeitnehmervertreter.“ Politiker etwa von den Linken instrumentalisierten die Zeitarbeitsarbeitskräfte, „um selbst Robin Hood zu spielen. Das Vokabular etwa von Sarah Wagenknecht, wenn sie über Zeitarbeitskräfte redet, ist teilweise grenzwertig“.

Gundlach hält wie Cellier das neue Gesetz zur Zeitarbeit „und vor allem die Befristung der Einsatzzeit nicht für zielführend“. Der Wechsel oder die Beendigung eines Einsatzes nach 18 Monaten schwäche sogar die Bereitschaft, sich in den Arbeitnehmervertretungen der Zeitarbeitsunternehmen zu engagieren: „Wer weniger Stabilität hat im Arbeitsumfeld, kandidiert nicht für den Betriebsrat.“

Die Betriebsratschefs der Zeitarbeitsriesen wünschen sich eine differenziertere Debatte. Dabei schauen sie selbst kritisch auf die immer noch vorkommenden Verstöße gegen Arbeitnehmerrechte in der Branche. Gundlach etwa sagt: „Missstände gibt es auch heute noch – teilweise ist es unglaublich, wie manche Zeitarbeitsunternehmen mit ihren Leute umspringen.“ Es komme vor, dass Zeitarbeitskräfte gedrängt würden, sich bei einer Erkrankung nicht krank zu melden, sondern Urlaub zu nehmen. Und manche würden als Helfer bezahlt, obwohl sie als Fachkräfte arbeiten. Mitleid mit der eigenen Branche hat Gundlach nicht: „Einen schlechten Ruf kriegt man nicht umsonst. Den haben sich die Zeitarbeitsunternehmen in der Vergangenheit hart erarbeitet.“

Dennoch konstatiert der Manpower-Mann, „dass die Situation der Zeitarbeitnehmer durch Tarifverträge, Gesetzgebung und Rechtsprechung deutlich besser geworden ist“. Das werde in Politik und Öffentlichkeit zu wenig wahrgenommen: „In den neuen Bundesländern sind die Gehälter in der Zeitarbeit teilweise besser als in den Branchen, wo die Kolleginnen und Kollegen eingesetzt werden. Durch Zeitarbeit kommen Leute wieder in Arbeit, die sonst keine Chance für einen Neuanfang hätten: Langzeitarbeitslose zum Beispiel und/oder Bewerber mit Migrationshintergrund, Ältere oder alles zusammen.“ Auch stimme es längst nicht mehr, dass Zeitarbeitskräfte umgehend den Job verlören, wenn ihr Arbeitgeber sie nicht mehr vermitteln könne. Gundlach: „Die allermeisten Zeitarbeitskräfte, mit ganz wenigen Ausnahmen, sind bei Manpower unbefristet beschäftigt.“ Und in Folge der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht könnten Zeitarbeits-Unternehmen ihren Mitarbeitern erst nach drei Monaten ohne Einsatz betriebsbedingt kündigen.

Mehr Dialog zwischen Politikern und Betroffenen könnte der Debatte über die Zeitarbeit nicht schaden. Einstweilen fühlen sich die Betriebsräte der Branche unverstanden. Cellier sagte in ihrem Interview mit unserer Redaktion, Zeitarbeitskräfte „sollten nicht dadurch Nachteile erleiden, dass die Politik scheinbar arbeitnehmerfreundliche Ziele wie „Stärkung der Stammbelegschaft“ und „Tarifbindung in den Unternehmen“ mit ungeeigneten Maßnahmen erzwingen will“.

Den Dialog über die Begrenzung der Verleihdauer aber durch eine Petition zu erzwingen, dieser Versuch scheint zu scheitern. Bisher haben knapp 20.000 Unterzeichner eine entsprechende Forderung der Randstad-Betriebsräte unterstützt, erfuhr unsere Redaktion vom Petitionsausschuss des Bundestages. Für das Ansetzen einer öffentlichen Diskussion im Petitionsausschuss hätten es 50.000 sein müssen.

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