Zoll-Statistik Das lukrative Geschäft mit dem Anabolika-Schmuggel

Zoll: Illegaler Handel mit Doping-Mitteln steigt deutlich Quelle: dpa Picture-Alliance

Kaum eine Ware verspricht Kriminellen so hohe Margen wie der Handel mit Doping-Mitteln. Und die Nachfrage wächst spürbar. Der Zoll hat im vergangenen Jahr erheblich mehr Anabolika-Präparate sichergestellt.

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23 Kartons türmen sich auf dem Tisch der Zöllner. Hans-Jürgen Schmidt, Sprecher der Zollfahndung in Frankfurt am Main, schneidet eines der Päckchen mit seinem Stanley-Messer entzwei und zieht daraus kleine Flaschen und Tabletten hervor. 27.000 Ampullen und 250.000 Tabletten an anabolen Steroiden wird die Zollfahndung bei diesem Aufgriff insgesamt zählen. In einem Flugzeug aus Indien kam die heiße Fracht nach Deutschland. Ende März hat der Zoll sie am Flughafen Frankfurt abgefangen. Hätten die Zöllner die Doping-Mittel nicht entdeckt, würden sie mittlerweile wohl schon in deutschen Fitness-Centern kursieren.

Kaum eine illegale Substanz verspricht Schmugglern und Kriminellen so hohe Margen wie der Handel mit Doping-Mitteln. Die Gewinnspanne kann bis zum Hundertfachen des eingesetzten Geldes für Produktion und Schmuggel betragen. Selbst klassischer Rauschgifthandel bietet Kriminellen keine derart hohen Gewinnmöglichkeiten. Hinzu kommt die enorme Nachfrage nach illegalen Doping-Mitteln. In der Bodybuilder- oder Radsport-Szene und auch unter Amateuren finden Anabolika & Co. reißenden Absatz.

Die am Dienstag vorgestellte Jahresbilanz des Zolls bestätigt diesen gefährlichen Trend. So ist die sichergestellte Menge an Doping-Mitteln 2017 gestiegen. 750.000 entsprechende Tabletten beschlagnahmte der Zoll 2017. 2016 waren es 440.000 Stück. Die Ermittlungsverfahren im Bereich Doping sind zwar leicht rückläufig. So leitete die Zollfahndung 2017 rund 1000 Ermittlungsverfahren wegen Arznei- und Dopingkriminalität ein. 2016 waren es noch rund 1200. Doch der leichte Rückgang ist vor allem der neuen Taktik des Zolls geschuldet. Statt auf eine Vielzahl kleiner Aufgriffe konzentriert sich der Zoll auf Ermittlungen größerer Fälle und versucht dabei, an die Hintermänner zu gelangen.

So arbeiten Anabolika-Dealer

Mit solchen Aufgriffen und Erfolgsmeldungen konterkariert die Truppe von Finanzminister Olaf Scholz auch Kritik an ihrer Einsatzfähigkeit. Zu wenig Personal und zu viele Aufgabenfelder würden die Truppe des Finanzministers operativ schwächen, hieß es zuletzt in Medienberichten. Doch das Vorgehen des Zolls gegen Anabolika-Schmuggel zeigt, wie wichtig die Tätigkeit des Zolls gerade in Nischenbereichen ist. Weil die Grundstoffe für die Herstellung der Doping-Mittel meist aus dem Ausland kommen, fällt der Kampf gegen die illegalen Dopingmittel in die Zuständigkeit des Zolls. Gefährlich ist der Schmuggel mit diesen Substanzen vor allem deshalb, weil die körperlichen Folgen des Anabolika-Konsums desaströs sind und die Mittel zumeist stark verunreinigt verkauft werden.

Was den Kampf gegen Anabolika & Co für die Beamten so schwierig macht, ist das vielfältige Angebot dieser Mittel. Im Gegensatz zu klassischen Drogen müssen sich Interessierte nicht erst in schmuddeligen Straßenecken oder im Darknet herumtreiben. Schon mit einer einfachen Internetsuche lassen sich Doping-Mittel kinderleicht per Post bestellen.

So soll eine Gruppe mutmaßlicher Doping-Dealer aus Offenbach etwa eine eigene Website betrieben haben, über den sie den Handel mit Doping-Mittel abwickelte. Der Zoll wurde auf das Kollektiv aufmerksam, nachdem er vor gut einem Jahr im Internationalen Postzentrum im hessischen Niederaula eine Postsendung sichergestellt hat. Dabei handelte es sich um eine Lieferung aus China, die mehr als ein Kilogramm Testosteron – also das Grundmittel zur Herstellung von Dopingmitteln – enthielt. Anstatt das Päckchen aus dem Verkehr zu ziehen, heftete der Zoll sich an die Fersen des Empfängers und observierte ihn monatelang. Controlled Delivery, kontrollierte Zustellung, nennen die Ermittler dieses Vorgehen.

Vor wenigen Wochen schlug der Zoll dann zu und durchsuchte mehr als ein Dutzend Wohnungen in Offenbach, Dietzenbach und Wuppertal. Tausende Ampullen und Tabletten stellte der Zoll damals sicher. Sieben Beschuldigte im Alter von 27 bis 43 Jahren forschte der Zoll aus. Der Hauptbeschuldigte, ein 31-jähriger Portugiese, soll sogar ein Doping-Untergrundlabor in Offenbach betrieben haben.

Hans-Jürgen Schmidt von der Zollfahndung Frankfurt hat schon zahlreiche dieser Untergrund-Labore für Doping-Mittel gesehen. Neben den Kartons mit den illegalen Doping-Mitteln stehen die Utensilien eines Drogenlabors, das die Zöllner bei Gießen ausgehoben haben. „Die Mittel für die Herstellung sind keineswegs steril. Die Doping-Mittel aus solchen Untergrund-Laboren sind meist stark verunreinigt und unhygienisch“, warnt Schmidt.

Dabei ist die Verunreinigung der Mittel noch die geringste Gefahr, die Konsumenten droht. Denn die Nebenwirkungen von Anabolika & Co sind weitreichend. Neben Herz-Kreislauf-Störungen können Organe wie die Leber nachhaltig geschädigt werden. Darüber hinaus drohen den Konsumenten auch psychische Schäden, die bis zum Selbstmord führen können.

Konsumiert werden die Doping-Mittel laut Zoll meist in der Bodybuilder-Szene. Gerade junge Männer, die schnell Muskeln aufbauen wollen, gehören zur Zielgruppe der Schmuggler. Doch auch Radfahrer greifen auf die gefährlichen Präparate zurück. Selbst Hobbysportler versuchen ihre Leistungen zunehmend mit illegalen Dopingmitteln zu steigern.

Wie weitreichend die körperlichen Folgen sind, weiß Schmidt aus seiner täglichen Routine. „Durch die anabolen Steroide verkleinern sich die Hoden und es kommt zu Potenzproblemen“, sagt der Zöllner. Wie sehr die Anabolika-Szene unter Impotenz leidet, erkennen die Zöllner oft an den abgefangenen Packungen: Viele Konsumenten bestellen zu dem anabolen Steroiden gleich noch Potenzmittel mit. 

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