Die Stadt München erwägt Fahrverbot für Dieselautos. "So sehr ich mich freuen würde, wenn es ohne solche Verbote ginge, so wenig sehe ich, wie wir künftig weiter ohne Sperrungen auskommen werden", sagte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) der "Süddeutschen Zeitung". Abgas-Messungen hätten auf vielen Straßen der bayerischen Landeshauptstadt erschreckende Ergebnisse geliefert. Die Zeitung berichtete, dass der von der Europäischen Union zugelassene Mittelwert für Stickstoffdioxid auf den großen Ring- und Einfallsstraßen regelmäßig überschritten werde. Das gehe aus Daten hervor, die München nach einem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bis Ende Juni vorlegen muss.
Betroffen wären je nach Abgasnorm zwischen 133.000 und 170.000 Fahrzeuge. Insgesamt haben 295.000 der 720.000 in München zugelassenen Autos einen Dieselmotor.
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace begrüßt die Pläne: „Endlich ist einem Bürgermeister die Gesundheit der Menschen wichtiger als freie Fahrt für schmutzige Diesel“, sagte Greenpeace-Verkehrsexperte Tobias Austrup am Mittwoch. „Immer mehr Städte werden einsehen, dass der andauernde Abgasbetrug der Hersteller Fahrverbote unumgänglich macht.“
Welche Schadstoffe im Abgas stecken
Stickoxide (allgemein NOx) gelangen aus Verbrennungsprozessen zunächst meist in Form von Stickstoffmonoxid (NO) in die Atmosphäre. Dort reagieren sie mit dem Luftsauerstoff auch zum giftigeren Stickstoffdioxid (NO2). Die Verbindungen kommen in der Natur selbst nur in Kleinstmengen vor, sie stammen vor allem aus Autos und Kraftwerken. Die Stoffe können Schleimhäute angreifen, zu Atemproblemen oder Augenreizungen führen sowie Herz und Kreislauf beeinträchtigen. Pflanzen werden dreifach geschädigt: NOx sind giftig für Blätter und sie überdüngen und versauern die Böden. Außerdem tragen Stickoxide zur Bildung von Feinstaub und bodennahem Ozon bei.
Kohlendioxid (CO2) ist in nicht zu großen Mengen unschädlich für den Menschen, aber zugleich das bedeutendste Klimagas und zu 76 Prozent für die menschengemachte Erderwärmung verantwortlich. Der Straßenverkehr verursacht laut Umweltbundesamt rund 17 Prozent aller Treibhausgas-Emissionen in Deutschland – hier spielt CO2 die größte Rolle. Es gibt immer sparsamere Motoren, zugleich aber immer größere Autos und mehr Lkw-Transporte. Außerdem mehren sich Hinweise darauf, dass Autobauer nicht nur bei NOx-, sondern auch bei CO2-Angaben jahrelang getrickst haben könnten.
Bei der Treibstoff-Verbrennung in vielen Schiffsmotoren fällt auch giftiges Schwefeldioxid (SO2) an. In Autos und Lkws entsteht dieser Schadstoff aber nicht, was am Kraftstoff selbst liegt: Schiffsdiesel ist deutlich weniger raffiniert als etwa Pkw-Diesel oder Heizöl und enthält somit noch chemische Verbindungen, die bei der Verbrennung in Schadstoffe umgewandelt werden.
Winzige Feinstaub-Partikel entstehen entweder direkt in Automotoren, Kraftwerken und Industrieanlagen oder indirekt durch Stickoxide und andere Gase. Die Teilchen gelangen in die Lunge und dringen in den Blutkreislauf ein. Sie können Entzündungen der Atemwege hervorrufen, außerdem Thrombosen und Herzstörungen. Der Feinstaub-Ausstoß ist in Deutschland seit Mitte der 1980er Jahre deutlich gesunken. Städte haben Umweltzonen eingerichtet, um ihre Feinstaubwerte zu senken.
Feinstaub entsteht aber nicht nur in den Motoren. Auch der Abrieb von Reifen und Bremsen löst sich in feinsten Partikeln. Genauso entstehen im Schienenverkehr bei jedem Anfahren und Bremsen feiner Metallabrieb an den Schienen. All das landet ebenfalls als Feinstaub in der Luft.
Katalysatoren haben die Aufgabe, gefährliche Gase zu anderen Stoffen abzubauen. In Autos wandelt der Drei-Wege-Kat giftiges Kohlenmonoxid (CO) mit Hilfe von Sauerstoff zu CO2, längere Kohlenwasserstoffe zu CO2 und Wasser sowie NO und CO zu Stickstoff und CO2 um. Der sogenannte Oxidations-Kat bei Dieselwagen ermöglicht jedoch nur die ersten beiden Reaktionen, so dass Dieselabgase noch mehr Stickoxide enthalten als Benzinerabgase. Eingespritzter Harnstoff („AdBlue“) kann das Problem entschärfen: Im Abgasstrom bildet sich so zunächst Ammoniak, der anschließend in Stickstoff und Wasser überführt wird.
Der Streit um die Abgasbelastung in München wird seit geraumer Zeit auch vor Gericht verhandelt. Die Deutsche Umwelthilfe klagt, damit die Behörden Maßnahmen zur Einhaltung der vorgeschriebenen Richtwerte umsetzen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte im März einen Beschluss veröffentlicht, wonach die Landeshauptstadt bis zum Ende des Jahres Fahrverbote für Dieselfahrzeuge vorbereiten muss.
Der Greenpeace-Experte warnte angesichts der unterschiedlichen Handhabung des Problems vor „verkehrspolitischer Kleinstaaterei“. Um einen Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen zu vermeiden, müsse Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) seine „Blockade der blauen Plakette“ einstellen. Die Kommunen bräuchten einheitliche Hilfe und die Autobauer ein klares Signal: „Der Diesel hat keine Zukunft mehr.“
Die Diskussionen über Fahrverbote für Dieselautos in mehreren deutschen Städten haben die Autobranche aufgeschreckt, weil sie einen Preisverfall für Diesel-Pkw befürchtet. Sie will die Abgaswerte nun durch Nachrüstungen der Motoren verbessern. Baden-Württemberg hatte für Stuttgart wegen häufig überhöhter Feinstaubwerte Fahrverbote für Dieselautos ab 2018 angekündigt. Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte aber betont, das Verbot sei nicht in Stein gemeißelt, wenn alte Dieselmotoren nachgerüstet werden könnten. Auch Hamburg hatte für bestimmte Straßenabschnitte zweitweise Fahrverbote beschlossen.