Zukunftsforscher Horst Opaschowski warnt 2019 wird ein Jahr der Konfrontationen

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„Deutschland braucht einen Kurs- und Perspektivenwechsel“

Gibt es noch so etwas wie die Mitte der Gesellschaft oder zersplittert diese ähnlich wie die Parteien in Deutschland?
Es ist offenkundig, dass die Gesellschaft auseinanderdriftet. Das trifft auch die Mitte. Nicht nur der Wohlstand, auch das Wohlergehen der Menschen ist von der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich betroffen. Die soziale Kluft ist eines der Hauptprobleme des nächsten Jahrzehnts und damit eine große Herausforderung und Gefahr für die Demokratie. Deutschland braucht einen Kurs- und Perspektivenwechsel zu mehr sozialer und wirtschaftlicher Gleichheit. Selbst die ehemals breite Mittelschicht bekommt die Aufspaltung der Gesellschaft in Armutsgefährdete und Besserverdienende, in Aufsteiger und Absteiger, in Gewinner und Verlierer zu spüren.

Ich kann das auch mit Empirik untermauern: Nach dem Nationalen WohlstandsIndex für Deutschland, den ich seit 2012 gemeinsam mit dem IPSOS-Institut durchführe, haben nur mehr vier von zehn Bundesbürgern „keine Angst vor der Zukunft“ (43%). Alle übrigen machen sich Sorgen. Die Erklärung: Die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland besitzt kein Eigentum und damit auch keine Zukunftssicherheit.

Was hält ein Zukunftswissenschaftler eigentlich von der Manipulation des Erbguts bei Menschen? Ein chinesischer Wissenschaftler hat Laien und Fachleute geschockt, weil er die Gene von Babys verändert haben will. Hat die Menschheit hier eine rote Linie überschritten oder können wir noch zurück?
Das ist ein großes Thema für die Zukunftswissenschaft, weil auch eine unheilvolle Verknüpfung von Biotechnik, Gentechnik und Digitalisierung damit verbunden ist, wenn wir nicht aufpassen. Bereits 1999 hatte ich in meinem Buch „Generation @“ davor gewarnt, das menschliche Gehirn zu scannen, in einem Computer zu duplizieren und den Computer zum neuen Homo Sapiens aufzuwerten.

Fünf Jahre später habe ich über genetisch manipulierte Wunschkinder geschrieben, so wie sie nun in China auf die Welt gekommen sein sollen. Das unkontrollierte Klonen von Menschen war eines meiner Worst-Case-Szenarien für die nahe Zukunft. Jetzt droht diese rote Linie tatsächlich überschritten zu werden. Also müssen wir uns in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik um die Ethik der Technik heute und nicht erst morgen Gedanken und Sorgen machen. Der Auftrag der neuen Datenethikkommission der Bundesregierung kann daher nur lauten: Künstliche Intelligenz und Digitalisierung müssen sich am Gemeinwohl orientieren.
Welche Wünsche haben die Deutschen für die Zukunft?
Beim Gedanken an die ganz persönliche Zukunft setzt die Bevölkerung nach wie vor große Hoffnungen auf die 3Gs: Geld, Gesundheit und Geborgenheit. Ohne Geld geht gar nichts, ohne Gesundheit aber auch nicht. Und bei Geborgenheit denken die Bürger an die eigene Familie, den Freundeskreis sowie an ein freies und friedliches Zusammenleben.

Über das Unwort des Jahres wurde auch 2018 wieder viel diskutiert, deshalb wie in den Jahren zuvor wieder die Frage nach Ihrem persönlichen Unwort?
Aus Sicht des Zukunftsforschers lautet mein persönliches Unwort des Jahres 2018 „Maximale Realität“ – eine unheilvolle Wortverbindung, die scheinheilig Schein mit Sein und irreführend ein Immer-Mehr mit einem Immer-Besser verwechselt. Das erinnert an ein anderes Unwort namens „Alternative Fakten“.

Die sieben größten Baustellen für 2019
Deutschland hat die Energiewende eingeleitet. Das letzte Kernkraftwerk soll spätestens 2022 vom Netz gehen. Quelle: dpa
Die Netzbetreiber sträuben sich. Beim Breitbandausbau geht es vielen zu langsam. Quelle: dpa
Beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) hat sich die Situation zwar etwas entspannt, weil weniger Asylbewerber ins Land kommen. Quelle: dpa
Nach Jahren des Sparkurses soll die Bundeswehr mit modernem Gerät aufgerüstet werden, um für Aufgaben der Landesverteidigung und für internationale Einsätze bereit zu sein. Quelle: dpa
Die einen fürchten um ihre Gesundheit, die anderen klagen über Fahrverbote. Quelle: dpa
Der Ruf nach mehr Polizisten kommt aus Bund und Ländern. Quelle: dpa
Brexit und der Umgang mit Trump Quelle: REUTERS
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