Zuwanderung Warum die Asylverteilung in der EU nicht klappt

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EU-Regelung könnte Deutschland noch stärker belasten

In der EU ist davon allerdings wenig zu hören. Kein Wunder, denn solange Deutschland den größten Teil der Last so bereitwillig wie bisher schultert, ist kaum zu erwarten, dass die anderen potentiellen Zielländer hier initiativ werden, um Deutschlands Belastung zu mindern. Und dass eine künftige Große Koalition dieses Ziel der europäischen Asylharmonisierung in Brüssel mit Nachdruck vertritt, ist auch kaum zu erwarten, wenn die Unionsparteien ihre Forderungen auf diesem Feld gegenüber der SPD so wenig nachdrücklich vertreten wie in den Sondierungsverhandlungen. In dem Sondierungspapier ist nur allgemein von einer „solidarischen Verantwortungsteilung in der EU“ die Rede. Ohnehin ist in dessen langen Passagen zum Thema „Europa“ von deutschen Interessen nichts zu finden.

Ganz im Gegenteil könnte eine Empfehlung, die das Europäische Parlament mit den Stimmen der meisten deutschen Abgeordneten - auch der Union - an die Kommission kürzlich gegeben hat, die einseitige Belastung Deutschlands noch deutlich verstärken. Demnach soll einerseits in der „Asylqualifikationsrichtlinie“ der Begriff der Familie auch auf entferntere Verwandte von bereits in der EU lebenden Asylbewerbern angewandt werden. Neuankömmlinge sollen demnach dort ihre Anträge stellen, wo schon Angehörige leben. Das würde in einer Art positivem Rückkopplungseffekt diejenigen Länder zusätzlich belasten, die in den vergangenen Jahren besonders viele Zuwanderer aufgenommen haben – also vor allem Deutschland. Und diejenigen weiter entlasten, die sich schon bisher selbst besonders unattraktiv für Asylbewerber gemacht haben.

In der Einigung steckt viel Union, wenig SPD

Dass Zuwanderer dorthin drängen, wo Vorfahren, Verwandte, Bekannte, Landsleute bereits vor Ort sind, ist ein zwar in Forschung und Verwaltung bekanntes, aber bislang migrationspolitisch wenig beachtetes Phänomen. „Die Bundespolizei konnte 2015 feststellen, dass es extrem hohe Wanderungsbewegungen von Jesiden nach Celle gab“, sagt Hauptmann. „Man hat das dann untersucht und festgestellt, dass es schon vorher relativ viele Jesiden in Celle gab. Das zeigt: Zuwanderer suchen vertraute Strukturen als Ankerpunkte.“

Die vom Europäischen Parlament empfohlene Neuregelung wäre also das Eingeständnis des völligen Scheiterns bei dem Versuch, Armuts- und Fluchtmigration in der EU zu steuern und gerechter zwischen den europäischen Staaten aufzuteilen. Durch eine solche Regelung könnten außerdem die Bemühungen der Unionsparteien um die Begrenzung des Familiennachzugs und eine gerechtere europäische Lastenverteilung auf EU-Ebene ausgehebelt und konterkariert werden. Es bliebe Deutschland dann nur die Wahl zwischen der Akzeptanz weiterer, vermutlich noch sehr viel zahlreicherer Folgezuwanderung in die Sozialsysteme und der drastischen Minderung der Anziehungskraft im nationalen Alleingang.

Allerdings muss der Europäische Rat, also die nationalen Regierungen, der Reform der Dublin-Regeln noch zustimmen. Stimmen aus dem Unionsteil der noch amtierenden Bundesregierung – unter anderem Innenstaatssekretär Ole Schröder - haben hier schon Einspruch angemeldet. „Ich denke, dass die Gruppe der CDU- und CSU-Abgeordneten in der Fraktion der Europäischen Volkpartei dieses Thema noch einmal sehr gründlich überprüfen wird“, sagt Hauptmann.

 

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