Zwei Klassen Medizin Darauf einigen sich Union und SPD bei Ärztehonoraren

Statt der von der SPD geforderten Bürgerversicherung wollte die Union Leistungsverbesserungen für gesetzlich Versicherte. Das ergibt sich aus vertraulichen Unterlagen. Doch die SPD hat das verhindert.

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CDU und CSU konnten sich beim Thema Verbesserungen der ärztlichen Versorgung auf dem Land gegen die SPD nicht durchsetzen. Quelle: dpa

Berlin Beim Thema Zwei-Klassen-Medizin sind die Unterhändler von SPD und Union in der Arbeitsgruppe Gesundheit kein bisschen weiter gekommen. Zwar verständigten sie sich auf Verbesserungen bei der ambulanten Versorgung. So soll der Strukturfonds der Kassenärztlichen Vereinigungen, durch den vor allem Landarztpraxen gefördert werden, aufgestockt und verbindlicher ausgestaltet werden. Fortgesetzt wird auch der bis 2019 befristete Innovationsfonds mit einem Volumen von 200 Millionen Euro im Jahr. Mit dem Geld sollen innovative Versorgungsformen gefördert werden, die in Zukunft die klassische Einzelarztpraxis ersetzen kann, wenn immer mehr Praxissitze vor allem auf dem Land verweisen, weil ausscheidende Ärzte keinen Nachfolger mehr finden.

Doch die Union hatte deutlich weitergehende Vorschläge auf den Tisch gelegt. Sie wollte weit mehr Geld in die Hand nehmen, als jetzt vereinbart worden ist. Vor allem sollten die Ärzte für bestimmte Leistungen höhere Honorare erhalten. Bisher sind die Honorare für gesetzlich Versicherte budgetiert. Im Einheitlichen Bewertungsmaßstab sind die einzelnen Leistungen lediglich mit Punkten bewertet. Je mehr Leistungen sie abrechnen, umso geringer ist der Punktwert. Dagegen sieht die Gebührenordnung für Privatpatienten fixe Sätze in Euro und Cent vor. Der Arzt ist zudem frei, den 1,8fachen bis 3,5fachen Gebührensatz in Rechnung zu stellen.

Rechnen die Ärzte bei gesetzlich Versicherten mehr Leistungen als mit den Kassen vereinbart ab, werden diese streng genommen teilweise nicht voll oder gar nicht bezahlt. Hier wollte die Union Lockerungen zulassen, wenn es zum Beispiel in einer Region Facharztmangel gibt. Auch Ärzte, die bereit sind über einer Terminservicestelle vermittelte Patienten anzunehmen, sollten von derlei Honorarbegrenzungen befreit werden.

Sogar eine grundlegende Reform der Honorarordnung für gesetzlich Versicherte wollten die Parteikollegen von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) durchsetzen. Per Gesetz sollten Kassen und Kassenärztliche Bundesvereinigung insbesondere verpflichtet werden höhere Honorare für persönliche zuwendungsintensive Leistungen zu vereinbaren. Für besonders förderungswürdige Leistungen wie Hausbesuche sollte es fixe Einzelleistungsvergütungen in Euro und Cent geben. Dies sollte unter anderem verhindern, dass gesetzlich Versicherten gegen Ende eines Quartals bestimmte Leistungen nur deshalb verweigert werden, weil der Arzt das Budget schon ausgeschöpft hat.

Auch neue Behandlungsmethoden, die bisher nur Privatversicherten ohne Einschränkung zur Verfügung stehen, sollten gesetzlich Versicherten in größeren Umfang als bisher zugänglich gemacht werden. Bisher entscheidet der gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten und Krankenkassen darüber. Nur wenn er zum Ergebnis kommt, dass Innovationen medizinisch zweckmäßig und wirtschaftlich sind, kommen sie in den gesetzlichen Leistungskatalog. Derlei Leistungsverbesserungen und Vergütungserhöhungen seien, so das Unions-Papier ein besserer Weg, gegen die angebliche Zwei-Klassen-Medizin vorzugehen als die von der SPD geforderte gemeinsame Honorarordnung für gesetzlich und privat Versicherte oder gar eine Bürgerversicherung. Eine gemeinsame Honorarordnung würde nur „zusätzliche Belastungen für GKV-Versicherte durch Beitragserhöhungen erzeugen“, heißt es im Papier der Union.

Die Rede ist von Zusatzbelastungen zwischen fünf und sechs Milliarden Euro, sollten die Honorare angeglichen werden. Dagegen würden die von der Union vorgeschlagenen Lockerungen bei der Budgetierung „nur“ einige hundert Millionen Euro kosten. Dies dürfte allerdings trotzdem der Grund sein, warum die SPD auf diese Forderungen nicht eingegangen ist. Die Krankenkassen werden es ihr danken, denn sie hatten große Sorgen, dass die Kosten für die ambulante Versorgung endgültig aus dem Ruder laufen, sollte die bisherige Budgetierung gelockert werden. Immerhin hat es bereits in den vergangenen Jahren mehrere Honorarreformen gegeben. Die Ausgaben der Krankenkassen für Ärzte sind daher seit 2013 um über acht Milliarden Euro gestiegen.

Auch das Problem Ärztemangel auf dem Land wollte die Union weit beherzter angehen als die SPD am Ende zugelassen hat: Neben der verabredeten Erhöhung des Strukturfonds wollte sie auch die Kassenärztlichen Landesvereinigungen stärker an die Kandare nehmen. Sie sind schon immer eigentlich gesetzlich verpflichtet, die flächendeckende ärztliche Versorgung sicherzustellen erfüllen diese Aufgabe aber zum Teil nur unzureichend. Sie wollte die Union härter als bisher verpflichten, in unterversorgten Gebieten zusammen mit dem Kommunen Praxen einzurichten, die dann auch von angestellten Ärzten betrieben werden können. Auch mobile Arztpraxen und Patientenbusse wollte die Union stärker fördern und eine Reform der bestehenden Bedarfsplanung.

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