
Die Spionageaffäre um die Aktivitäten der US-Geheimdienste auf deutschem Boden nimmt immer größere Ausmaße an. Die Bundesanwaltschaft ermittelt jetzt auch gegen einen mutmaßlichen Spitzel im Verteidigungsministerium. Am Mittwoch wurden im Großraum Berlin seine Wohnräume und sein Büro im Berliner Bendlerblock durchsucht. Der Zivilist war nach dpa-Informationen als Referent in der Abteilung Politik tätig und soll dort für internationale Rüstungskooperation zuständig gewesen sein. Er wirkte damit an der Vorbereitung sicherheitspolitischer Richtungsentscheidungen des Ministeriums mit.
Ein Haftbefehl gegen ihn wurde zunächst nicht ausgestellt, weil es bisher nur Indizien für seine Agententätigkeit und keinen dringenden Tatverdacht gibt. Die Bundesanwaltschaft erklärte, bei den Durchsuchungen seien mehrere Computer und zahlreiche Datenträger sichergestellt worden, die nun sorgfältig untersucht würden.
Die Überwachungspraktiken der NSA
Die Überwachungspraktiken des US-Auslandsgeheimdiensts NSA stehen seit der Enthüllung durch den Informanten und IT-Experten Edward Snowden in der Kritik. Einige Beispiele, über die Medien berichtet haben.
Nach Snowdens Enthüllungen zapfen die USA die Rechner von Internet-Firmen an, um sich Zugang zu Videos, Fotos, E-Mails und Kontaktdaten zu verschaffen. Der Datenhunger betrifft auch die Kommunikation in Europa, darunter Deutschland und Frankreich. Die Möglichkeit dazu bietet unter anderem das Spionageprogramm „Prism“.
Der Geheimdienst NSA und sein britischer Gegenpart GCHQ sollen in der Lage sein, einen Teil der Verschlüsselung und der Datentunnel im Internet zu knacken. Das soll nicht nur Online-Banking und Internet-Shops betreffen, sondern auch Internet-Dienstleister wie Microsoft, Yahoo, Google, Facebook, AOL, YouTube, Skype, AOL und Apple.
Telefon- und Videoverbindungen gelten ebenfalls als nicht sicher. So soll die NSA die Vereinten in New York abgehört und deren Videokonferenzanlage angezapft haben. Betroffen sei auch die EU-Vertretung bei der Uno.
Der Geheimdienst soll auch Millionen chinesischer Mobilfunknachrichten sowie wichtige Datenübertragungsleitungen der Tsinghua-Universität in Peking ausspioniert haben. In Frankreich sollen Wirtschaft, Politik und Verwaltung betroffen sein - allein Ende 2012 und Anfang 2013 rund 70,3 Millionen Datensätze von Telefonverbindungen. In Mexiko sollen Regierungsmitglieder bespitzelt worden sein.
Seit einer Woche sitzt bereits ein Beamter des Bundesnachrichtendienstes (BND) in Untersuchungshaft, weil er die Amerikaner gegen Bezahlung mit geheimen Informationen versorgt haben soll. Die Affäre wird zunehmend auch für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die der deutsch-amerikanischen Partnerschaft große Bedeutung zumisst, zum schweren Problem.
Regierungssprecher Steffen Seibert sprach erstmals von „tiefgreifenden Meinungsverschiedenheiten“. In Berlin wird nun intensiv über Gegenmaßnahmen nachgedacht - bis hin zur Ausweisung von amerikanischen Botschaftsmitarbeitern. Aus Washington gab es zu den neuen Vorwürfen zunächst keinerlei Kommentar.
Der US-Botschafter in Deutschland, John B. Emerson, musste zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage zum Gespräch ins Auswärtigen Amt. Angeblich bat er selbst um das Treffen. Über den Inhalt schwiegen sich beide Seiten aus. Auf ein neues Telefonat mit US-Präsident Barack Obama hat Merkel bislang verzichtet.
Zwischen Berlin und Washington knirscht es nach den Enthüllungen über den US-Geheimdienst NSA und das abgehörte Kanzlerhandy bereits seit einem Jahr. Die Amerikaner haben immer wieder beteuert, den Beziehungen nicht schaden zu wollen. Allerdings schwindet in Berlin mittlerweile die Bereitschaft, solchen Beteuerungen zu glauben. Die Opposition warf der schwarz-roten Bundesregierung Zaudern vor. Die Linkspartei forderte die Auflösung aller deutschen Geheimdienste.