Zwölf-Sterne-Bewegung Jugendpartei „Volt“ will Europa umkrempeln

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„Europa needs you“

Zudem brauche man eine europäische Arbeitsagentur, die den Fachkräftemangel mit europäischer Perspektive angehen kann. Und eine Kernforderung sei auch: „Firmen leiden unter dem derzeitigen bürokratischen Aufwand. Es sollte möglich sein, überall in Europa schnell Firmen mit wenig bürokratischem Aufwand zu gründen.“

Jetzt nickt der FDP-Wähler eifrig zustimmend. Klar rechts oder links lässt sich die Partei dennoch nicht verorten, zu vielfältigen sind die politischen Ideen. „Volt“ will seine Ziele nicht allein mit der Arbeit im EU-Parlament, sondern auch in den nationalen Parlamenten erreichen, ein Einzug in den deutschen Bundestag 2021 wird parteiintern schon geplant.

Während Boeselager dem Jurastudenten noch erklärt, was die Partei will, ist bei seinen Kollegen am Tisch eine erhitzte Diskussion darüber entbrannt, wie man die EU-Länder, in denen „Volt“ noch wenige Mitglieder hat, unterstützen könne. Viele der Berliner Vertretung kommen gerade von einer „Volt“-Tagung in Paris, wo sie etliche der internationalen Mitglieder kennengelernt haben.

Einer fragt, wohin man fahren solle, welche Länder sich anbieten würden, Spanien steht als Vorschlag im Raum. Daraufhin antwortet ein anderer: „In Spanien gelten Mainstream-Parteien noch als proeuropäisch. Da ist unsere Chance, was zu holen, relativ gering.“ Doch die Partei will mehr sein als reines Gegenprogramm zu den Populisten: „Wir wollen die Idee eines echten vereinten Europas wieder aufleben lassen“, sagt einer am Tisch, der aber nicht namentlich genannt werden will.

Mitten im Gespräch stehen auf einmal mehrere Parteimitglieder auf, sie starten eine spontane „Listening-Tour“. So nennen sie das, wenn sie einfach Leute auf der Straße nach deren Meinung zu Europa befragen und ihnen dabei ein Smartphone unter die Nase halten. „In Deutschland funktioniert das mit der Gerechtigkeit nicht so richtig“, sagt eine ältere Dame, und ein „Volt“-Mädchen tippt das Gesagte sofort in ihr Handy ein. Manchmal wirkt alles noch etwas unkoordiniert an diesem Abend, doch die Energie, die die einzelnen Teilnehmer ausstrahlen, scheint fast greifbar.

Bei der „Listening-Tour“ ist auch die Berliner Chefin dabei, überhaupt hat die junge Bewegung viele parteiinterne Titel vergeben: einen „Events-Lead“, einen „Berlin City Lead“ und jemanden, der sich um politische Strategie kümmert, den „Policy-Lead“.

Der Grund dafür, so erklärt es Boeselager: Klare Zuständigkeiten, mit Posten-Geschacher habe das nichts zu tun. Noch sind die Mitglieder ohnehin alle ehrenamtlich aktiv: Ein junger Mann aus der Gruppe mit dunkeln Haaren und Dreitagebart arbeitet als Grafikdesigner. Nach Feierabend hübscht er die Flyer von „Volt“ auf. Er zieht aus seiner Handyhülle einen auf dem in riesigen Lettern zu lesen ist: Europe needs you. Der Grafiker sagt: „Die Welt, in der wir leben, steht auf wackeligen Füßen — und die Populisten wollen uns die Beine mit voller Wucht wegtreten.“ Er werde noch etliche Feierabende mit der Arbeit für „Volt“ verbringen: „Mir ist es das wert, denn auch wenn es platt klingt: Wir dürfen nicht rechten Spinnern überlassen, in was für einem Land wir leben wollen. Dafür arbeite ich gerne mal unbezahlt bis in die Nacht.“

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