Zypries in Washington „Mehr Gemeinsamkeiten als Dinge, die uns trennen“

Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries hat in Washington mit ihrem US-Amtskollegen eine engere Zusammenarbeit verabredet. Schon Ende Juni will Wilbur Ross zum Gegenbesuch nach Berlin kommen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Die Bundeswirtschaftsministerin wirbt in Washington für eine enge Zusammenarbeit beider Länder. Quelle: dpa

Washington Stahl, Stahl, Stahl – die ganze Wand gegenüber seinem Konferenzraum im Department of Commerce in Washington hat US-Wirtschaftsminister Wilbur Ross mit Fotos von Stahlschmelzen, Stahlwalzen und Stahlarbeitern zuhängen lassen. Die zum größten Teil bereits vergilbten Bilder zeigen die Stahlproduktion der amerikanischen Firma Bethlehem Steel – eine Ikone der amerikanischen Stahlindustrie, die Ross einst kaufte, als sie Bankrott gegangen war. Jeder Besucher, der sich mit ihm und seinen Mitarbeitern trifft, muss an der Wand vorbei. Auch Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD), als sie am Mittwoch zum Gespräch mit Ross eintrifft, der Höhepunkt ihrer siebentägigen USA-Reise.

Der Handelsminister in der Regierung von US-Präsident Donald Trump hat es sich zur Aufgabe gemacht, der darbenden amerikanischen Stahlindustrie zu neuem Glanz zu verhelfen. Derzeit prüft er im Auftrag von Trump, ob billiger Stahl aus dem Ausland die nationale Sicherheit der USA gefährdet. Das könnte eine Grundlage für Handelsbarrieren sein, von denen die amerikanische Industrie profitieren, die ausländische Unternehmen, also auch deutsche Firmen, aber benachteiligen würden.

Wegen diesen und weiteren protektionistischen Tendenzen der Trump-Administration war Zypries am Dienstag nach Washington gereist. Am Mittwoch war der dritte und wichtigste Tag ihrer großen Reise durch die USA. Kurz vor dem Termin mit Ross hatte sie sich mit dem neuen US-Handelsbeauftragten Robert Lighthizer getroffen, am Dienstag hatte sie lange mit Paul Ryan, dem Sprecher des Repräsentantenhauses, konferiert.

Jetzt steht Zypries gemeinsam mit ihrem Wirtschaftsstaatssekretär Matthias Machnig in dem Raum mit den Stahlfotos. Ross lässt seine Besucher aus Deutschland warten. Um kurz nach 16 Uhr kommt er, freundlich lächelnd. Nach einer kurzen Begrüßung ruft er: „Sie haben die gleiche Anstecknadel“ und berührt Zypries am Revers. Ross trägt so wie sie einen Pin mit der deutschen und US-amerikanischen Flagge – ein Symbol der Freundschaft zwischen den beiden Ländern. Zypries freut das sichtlich. „Es war eine nette Geste, sich das Teil anzustecken“, wird sie später sagen.

Mehr als eine dreiviertel Stunde lang verschwinden Ross und Zypries hinter der schweren Holztür, die umrahmt ist von einem Bild des grimmig drein schauenden US-Präsidenten Donald Trump auf der einen und einem freundlich lächelnden Foto von Ross auf der anderen Seite. Beim Fototermin im Anschluss des Gesprächs verkündet Zypries gleich, dass Ross am 27. Juni zum Gegenbesuch nach Berlin kommen wird. Dann werden voraussichtlich auch die Ergebnisse der Stahl-Prüfung vorliegen. Was dabei herauskommt, darauf mag sich Ross nicht festlegen. Zypries sagt, vorher werde sie aber dafür sorgen, dass die deutsche Wirtschaftsvereinigung Stahl dem Department of Commerce noch eine Aufstellung zum deutschen Stahl zukommen lassen wird.

Zypries und er hätten über den Handel zwischen Amerika und Deutschland gesprochen, sagt Ross. Er wünscht sich, dass deutsche Firmen mehr in die USA investieren und umgekehrt. „Wir haben mehr Dinge gemeinsam als Dinge, die uns trennen“, betonte er.

Die harmonischen Worte stehen in krassem Kontrast zur scharfen Rhetorik der USA gegenüber Deutschland in den vergangenen Monaten, die Teile der deutschen Wirtschaft stark verunsichert hat. Erst attackierte Trump die deutschen Autobauer und drohte mit Strafzöllen für Firmen, die ihre Produktion ins Ausland verlagern. Dann griff die US-Regierung Deutschland immer öfter für seinen Handelsbilanzüberschuss mit Amerika an. In Berlin fürchtete man protektionistische Maßnahmen. Schließlich weigerten sich die USA beim Treffen der Finanzminister in Baden-Baden, sich einer gemeinsamen Erklärung für den Freihandel anzuschließen.


China als Gegner, Deutschland als Verbündeter

Zypries war daher in die USA gereist, um für den Freihandel zu werben und um zu erklären, warum Deutschland nur wenig Einfluss auf seine Exportüberschüsse hat. In den ersten Tagen hatte sie sich in Boston und Washington Munition für ihre Gespräche bei potenziell von einer Grenzausgleichssteuer betroffenen deutschen Unternehmen geholt.

In den Gesprächen mit Lighthizer, Ross und Ryan wird klar: Der erklärte Gegner der USA ist vor allem China. Die USA sehen den größten Anteil ihres Handelsüberschusses mit der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt und machten sich dabei „große Sorgen“. In Deutschland sähen sie eher einen Verbündeten, so Zypries. Als Maßnahme zur engeren Zusammenarbeit verabredeten Zypries und Ross, offenbar auf Vorschlag von Zypries, die Errichtung einer Arbeitsgruppe unter Leitung von Staatssekretär Machnig. Die Themen: China, Industrie 4.0 und Ausbildung. „Weil das Themen sind, die uns gemeinsam umtreiben“, sagt Zypries.

Der Handelsüberschuss mit Deutschland ist im Gespräch mit Ross hingegen kein Thema. Mit Lighthizer sprach Zypries zwar über die Kritik der USA am deutschen Handelsüberschuss. Die Differenzen konnte sie dabei aber nicht ausräumen, gab sie zu.

Bezüglich des Freihandelsabkommens TTIP äußerte sich der US-Wirtschaftsminister nach seinem Gespräch mit Zypries dagegen durchaus vielversprechend. „Wir haben uns von TPP zurückgezogen, wir haben uns nicht von TTIP zurückgezogen“, so Ross. Lighthizer, so erzählt Zypries, hatte zuvor gesagt, dass man überlegen müsse, Teile des Abkommens abzuspalten.

Das umstrittene Kommuniqué für die G20-Präsidentschaft thematisierte Zypries nicht im Gespräch mit Ross, sondern nur mit Lighthizer – obwohl das etwas ist, was nicht nur vielen Mitgliedern der deutschen Bundesregierung Kopfschmerzen bereitet. Die USA weigern sich bislang, bestimmte Bekenntnisse zum Freihandel in die gemeinsame Erklärung der 20 Industrienationen aufzunehmen. Ross wird beim Abschluss-Gipfel der Staats- und Regierungschefs Anfang Juli in Hamburg dabei sein.
Bezüglich des Verhältnisses der USA zur Welthandelsorganisation WTO musste Zypries ebenfalls ohne klare Antworten wieder abreisen. Die Formulierung der USA bezüglich eines möglichen Ausscheidens der USA aus der Organisation sei gewesen „Es ist alles möglich“, erklärte Zypries.

Am Mittwochabend ging es für die Wirtschaftsministerin bereits weiter nach South Carolina. Dort besichtigt sie am Donnerstag das weltgrößte BMW-Werk in Spartanburg und trifft sich mit dem Gouverneur Henry McMaster. Es ist Teil ihres erklärten Plans, nicht nur auf die Trump-Regierung, sondern auch auf die einzelnen Bundesstaaten einzuwirken. Den Abschluss ihrer Reise bildet ein Besuch im Silicon Valley.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%