"16+1"-Treffen Wie China Kohleprojekte am Balkan befeuert

Vor allem die Kohleindustrie sorgt in manchen Städten in Osteuropa -wie hier im Bosnischen Tuzla- für schlechte Luft und Smog. Quelle: Presse

Während Deutschland ein Datum für den Kohleausstieg sucht, bauen die Balkan-Länder ihre Kohleindustrie weiter aus. Befeuert wird die Entwicklung durch China. Am Wochenende könnte es neue Förderzusagen aus China geben.

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Wer katastrophale Luftverschmutzung in China vermutet, wird von den Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) überrascht sein. So übertreffen manche Städte in Südosteuropa die Feinstaub-Werte chinesischer Metropolen. Laut den WHO-Zahlen ist die mazedonische Stadt Tetovo der Ort mit der schlechtesten Luft in ganz Europa. Ähnlich miserabel ist die Luft in den Industriezentren von Tuzla und Zenica in Bosnien-Herzegowina.

Schuld an den katastrophalen Werten ist vor allem die Kohleindustrie. 13 der 30 Kohlekraftwerke mit dem höchsten Schadstoffausstoß erstrecken sich über die Länder von Polen bis Griechenland. Von den Kohlekraftwerken mit dem höchsten Ausstoß von Kohlestoffdioxid (CO2) liegen ebenfalls 12 der 30 größten in Südosteuropa. Und die Zahl der CO2-Schleudern dürfte noch weiter zunehmen: Aktuell verfolgen etwa Polen, Tschechien, Bosnien-Herzegowina, Serbien, Mazedonien, Ungarn, Rumänien, Griechenland und Kosovo Pläne zum Ausbau der Kohlekraft.

So triftet Europa neben der Flüchtlingsfrage auch in der Klimafrage zusehends auseinander. Während die deutsche Bundesregierung die Kohlekommission einsetzt, um ein Ausstiegsdatum aus dem Energieträger Kohle zu finden, setzen die Nachbarländer im Osten verstärkt auf Kohlestrom. Befeuert wird diese Entwicklung am Balkan durch Geld aus China. Denn hinter zahlreichen Kohlemeilern stecken chinesische Investoren. Schon dieses Wochenende könnte China im Rahmen des „16+1“-Treffens in Sofia weitere Finanzierungen für den schmutzigen Energieträger zusagen.

Das sind die die Pläne der Kohlekommission für den Ausstieg

„Schon beim 16+1-Treffen vergangenen November wurde ein Finanzierungsvertrag für das Kohlekraftwerk Tuzla Unit 7 in Bosnien-Herzegowina unterschrieben und ein Memorandum of Understanding für das Kohlekraftwerk Kamengrad in Bosnien-Herzegowina“, sagt Pippa Gallop von der tschechischen NGO Bankwatch Network. So wie dieses Jahr habe es auch damals im Vorfeld des Treffens keine näheren Informationen zu Kohleprojekten gegeben. Deshalb rechnet Pippa damit, dass China auch in Sofia entsprechende Zusagen machen könnte.

Wie stark China die Kohleindustrie am Balkan fördert, hat die NGO Bankwatch Network vor wenigen Wochen in einem umfassenden Dossier vorgelegt. Demnach sind chinesische Unternehmen und Banken an zumindest fünf der in Bosnien-Herzegowina und Serbien geplanten Kohlekraftwerke beteiligt. Dazu gehören Kostolac 3 in Serbien und die Meiler Tuzla 7, Banovici, Gacko II und Kamengrad in Bosnien-Herzegowina.

Kritik übt Bankwatch Network an den Umweltstandards dieser Projekte. „Nicht eines dieser Projekte ist in Übereinstimmung mit aktuellen EU Umweltschutzstandards“, heißt es von der NGO. Investoren für die Kohlemeiler sind wegen der Umweltfrage abseits von China ohnehin kaum noch zu finden. Europäische Banken ziehen sich zunehmend aus dem Kohlegeschäft zurück. Zuletzt hat die Weltbank bekannt gegeben, die Förderung eines Kohlekraftwerks im Kosovo nochmals überprüfen zu wollen.

Neben den Umweltstandards kritisiert Bankwatch Network auch die Vertragsbedingungen für die Kohle-Investitionen, die für oftmals zulasten der südosteuropäischen Länder gehen dürften. Zudem wirft die Profitabilität der geplanten Kraftwerke Fragen auf. Bei den geplanten Meilern Tuzla 7 und Banovici in Bosnien-Herzegowina beklagt die NGO etwa mangelnde Koordination.

Kosovo nimmt bei der Frage nach der Zukunft der Kohleindustrie am Balkan eine Schlüsselrolle ein. Denn unter der Erde des winzigen Landes liegt das weltweit fünftgrößte Vorkommen an Kohle. Auf fast 15 Milliarden Tonnen Braunkohle wird das Vorkommen geschätzt. Das ist mehr Kohle als unter der Erde von ganz China vermutet wird. 

Gleichzeitig gelten die kosovarischen Kohlemeiler als wahre Rußschleudern. 2017 schloss Kosovo mit dem englischen Betreiber ContourGlobal einen Vertrag zum Bau eines neuen Kohlemeilers. Mit einer Kapazität von 470 Megawatt soll es den Energiebedarf des halben Staates decken. Doch nicht nur NGOs kritisieren das Projekt. Auch die Internationale Organisation Energy Community kritisiert einseitige Vertragsbedingungen, die fast sämtliche Risiken des Projekts dem Kosovo und damit dem Steuerzahler aufbürden.

Igor Kalaba, Koordinator für Südosteuropa bei der NGO CAN Europe, sieht vor allem die EU in der Pflicht: „Warum sieht die EU tatenlos zu, wenn ihre zukünftigen Mitglieder am Balkan in Kohle anstatt in Erneuerbare Energien investieren und dabei nicht einmal Umweltschutzstandards einhalten? Die EU müsste viel stärkere Signale senden, dass das nicht akzeptabel ist.

Alternativen zur Kohle gäbe es laut Kalaba genügend. Auch China wäre durchaus bereit, am Balkan mehr in Erneuerbare Energien zu investieren. So sind beim 16+1-Treffen vergangenen November etwa auch Investitionen in Windparks beschlossen worden. „Das Problem ist nicht, dass China Erneuerbare Energien nicht fördern will, sondern dass die Balkan-Länder Kohle-Projekte bevorzugen“, sagt Kalaba. 

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