60 Jahre Römische Verträge Die Europäische Union hat ein PR-Problem

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Wirrwar der Institutionen

Zweiter Punkt: das Wirrwarr der Institutionen. In Brüssel gibt es viele EU-Behörden, jede mit eigenen Prozessen – und eigenen Pressemitteilungen, die oft in mehreren Sprachen erscheinen. „Da dauert es natürlich länger, sich auf eine Botschaft zu verständigen“, sagt Shields. Außerdem konzentriere sich die Kommunikation zu sehr auf die Europäische Kommission. „Das Parlament kommt zu selten vor.“

Dritter Punkt: die falsche Tonlage. „Die Sprache der EU ist immer noch zu technisch“, sagt Shields. Ganze Internetseiten beschäftigen sich mit dem EU-Jargon und erklären Begriffe und Abkürzungen wie Komitologie (das System der Verwaltungs- und Expertenausschüsse) oder ECOFIN (der Rat der EU-Finanzminister) in möglichst verständlicher Sprache. Wo selbst viele Experten gähnen, steigen normale Bürger sofort aus.

Einer, der diese Probleme lösen soll, ist Klaus Dittko: ein Mann, der sich in der Kommunikationsbranche auskennt. Früher hat er Reden für Helmut Kohl geschrieben, dann verschiedene PR-Jobs gemacht. Mittlerweile leitet er die Werbeagentur Scholz & Friends in Berlin. Zum Kundenstamm seiner Agentur gehört die EU. Vor ein paar Jahren hat sie für das Parlament gearbeitet, jetzt entwirft sie eine Kampagne zum Juncker-Plan für die Kommission.

Der Brexit-Fahrplan

Der Juncker-Plan, sagt Dittko, sei ein gutes Beispiel, um das kommunikative Dilemma der EU zu erklären. Jedes Jahr steckt die EU mehrere Milliarden Euro in unterschiedliche Projekte, um das Wirtschaftswachstum  zu stärken. Die Projekte betreffen zum Beispiel Windparks, Straßen oder Flughäfen. Zwar ist der Plan umstritten, aber klar ist, dass die Projekte Arbeitsplätze schaffen und die regionale Infrastruktur stärken. „Das Problem ist, dass die positiven Effekte bisher kaum jemand wahrnimmt oder der EU zuschreibt“, sagt Dittko. Stattdessen kanalisiere ein großer Teil der europäischen Bevölkerung ihren Frust über Arbeitslosigkeit oder die zunehmende Migration in Richtung EU.

Beim Brexit sei überdeutlich geworden, dass es ein Problem mit der Wahrnehmung der EU gebe, sagt Dittko. Nun hofft er, dass das Ereignis wie ein reinigender Gewittersturm wirkt. „Ich glaube, vielen Menschen ist dadurch erst klar geworden, was sie an der EU haben – und was sie verlieren können“, sagt er. Darin liege auch eine große Chance für die EU. Das Wahlergebnis in den Niederlanden und die "Pulse of Europe"-Bewegung, für die jeden Sonntag Tausende Menschen europaweit auf die Straße gehen, sieht er als erste Anzeichen für eine aufkeimende Gegenbewegung zum europafeindlichen Populismus von Le Pen und Co.

Fünf Krisen, die die EU schon überlebt hat

Wie die richtige Kommunikation der EU solche Bewegungen unterstützen und ihre Botschaft verbreiten kann, hat die Brüsseler PR-Expertin Shields in einer Agenda zusammengetragen. „Es kommt darauf an, dass die richtigen Personen die Erfolgsgeschichten der EU in einfacher Sprache spannend erzählen“, fasst sie ihre Ergebnisse zusammen. Die richtigen Personen seien dabei eher selten Pressesprecher in grauen Anzügen, sondern glaubwürdige Bürger.

Nach Ansicht von Shields hätte man mit den richtigen Worten auch den Ärger um die Staubsauger-Verordnung vermeiden können. „Man hätte viel mehr betonen müssen, dass auch energiesparende Staubsauger kraftvoll sein können und man mit ihnen viel Geld sparen kann“, sagt sie. In einem Blog-Eintrag machte die Europäische Kommission genau das als Reaktion auf die negativen Presseberichte. Allerdings ist dieser Blog ziemlich versteckt. Bis heute haben den Beitrag genau 10.185 Menschen aufgerufen.

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