Urteil in Luxemburg Jetzt drohen Fahrverbote auch für Euro-6-Diesel

Urteil: Euro 6 bald von Diesel-Fahrverboten betroffen? Quelle: dpa

Ein EU-Gericht kippt einen Diesel-Kompromiss der EU-Kommission – und öffnet damit die Tür für Fahrverbote auch für neue Diesel.

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Ein Gericht in Luxemburg hat eine neue Runde im Streit um Fahrverbote für Dieselfahrzeuge eingeläutet. Konkret geht es diesmal um Fahrzeuge der Euro-6-Norm, also neue Diesel. Für die hatte die EU-Kommission die Grenzwerte für den Ausstoß von Stickoxiden gelockert. Das Gericht der EU in Luxemburg entschied nun: Das hätte sie nicht gedurft.

Das Urteil könnte die Tür für neue Fahrverbote öffnen. Bislang werden nur ältere Diesel bis maximal Euro-5 aus den Innenstädten verbannt. Grund ist, dass Euro-6-Fahrzeuge als vergleichsweise sauber gelten. Wie sauber sie genau sind, ist jedoch umstritten. In einem Test stellte der ADAC bereits 2017 fest, dass manche Euro-6-Modelle im Straßenverkehr sogar mehr Schadstoffe emittieren als ihre Vorgängermodelle. Zuvor waren die Emissionen nur im Labor gemessen worden, nicht im realen Straßenverkehr.

Die EU-Kommission wollte den Herstellern eine Schonfrist einräumen und erlaubte ihnen, übergangsweise bis zum 2,1-fachen des eigentlichen Grenzwerts auszustoßen. Genau diese großzügige Übergangsregel hat nun jedoch das Luxemburger Gericht gekippt. Werden die Euro-6-Diesel nun nach ihren tatsächlichen, oft deutlich höheren Grenzwerten beurteilt, könnten auch sie aus den Innenstädten verbannt werden.

In Berlin, Frankfurt, Köln und jetzt sogar auf der A40 drohen Fahrverbote für Diesel. Wer dagegen verstößt, muss sich auf Bußgelder einstellen – zumindest dann, wenn so kontrolliert wird wie derzeit bereits in Hamburg.
von Kristina Antonia Schäfer

Geklagt hatten die Städte Paris, Brüssel und Madrid. In allen drei klagenden Städten gelten mehr oder weniger strenge Fahrverbote. Sie befürchten, dass heute womöglich auch solche Autos in Sperrzonen einfahren dürfen, die die dafür rechtsgültigen Grenzwerte nicht einhalten können. Und wegen der Festlegung der Kommission konnten sie bislang nicht einschreiten.

In Paris dürfen Dieselautos mit Erstzulassung vor 2001 und Benziner mit Baujahr vor 1997 in der Woche tagsüber nicht mehr überall fahren. In Brüssel gibt es seit Anfang des Jahres ein Fahrverbot im gesamten Großraum der Stadt für sehr alte Diesel mit der Schadstoffklasse Euro-1 oder ganz ohne Euronorm. Auch in Madrid sind Ende November viele alte Autos aus der Innenstadt verbannt worden.

Gemäß der Entscheidung des EU-Gerichts muss eine entsprechende Verordnung, in der die beanstandeten Grenzwerte festgelegt wurden, neu beraten werden. Das Gericht hat die Kommission, das Europaparlament und den Rat aufgefordert, neue Regeln festzulegen. Ob und wie sich die Grenzwerte am Ende verändern, ist noch offen.

Für mindestens 14 Monate soll erst einmal Rechtssicherheit gewahrt bleiben. So will man sicherstellen, dass es weiterhin gültige Grenzwerte gibt. Die Entscheidung der ersten EU-Instanz kann in der Regel vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) auch noch angefochten werden. Beim ADAC hieß es: „Mit dem Gerichtsurteil wird zunächst nur das Gesetzgebungsverfahren beanstandet. Die Kommission war nicht berechtigt, die Grenzwerte von RDE-Prüfungen mit einem Durchführungsrechtsakt abzuändern.“

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) geht bereits davon aus, dass die Entscheidung des EU-Gerichts „weitreichende Folgen für zukünftige Gerichtsurteile“ nach sich ziehen dürfte - „über Musterklagen bis hin zu Klagen um Neuzulassungen und Verkaufsverbote“. Die zuvor für Laborbedingungen bestimmten Grenzwerte müssten auch auf der Straße gelten.

mit Material der dpa

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