Alternative zur Währungsunion Die Lehren aus der Vorgeschichte des Euro

Das europäische Währungssystem vor 1999 hat seinen Zweck erfüllt. Die historische Analyse zeigt, dass ökonomische Rationalität allein weder die Einführung des Euro begründen kann, noch seine Verteidigung um jeden Preis.

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Die größten Pleitestaaten der Welt
Norwegische Insel Quelle: dpa
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Brunnen am österreichischen Parlamentsgebäude Quelle: dpa
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Big Ben und Westminster Abbey Quelle: REUTERS

Auf offizieller, politischer Ebene wird darüber nicht diskutiert, zumindest nicht öffentlich. Die Währungsunion soll auf jeden Fall Bestand haben und zwar mit allen Mitgliedsstaaten, so wünschen es die Regierenden in Europas Hauptstädten und erst Recht die Meister des Geldes in der Europäischen Zentralbank. Mario Draghis Worte aus jener denkwürdigen Rede in London am 26. Juli 2012 hallen noch immer nach: „whatever it takes“.

Doch unter Wirtschaftswissenschaftlern häufen sich die Stimmen, die die Vorteile einer Rückführung der Europäischen Währungsunion in ein System verschiedener Währungen betonen. Angesichts der Verzerrungen innerhalb der Währungsunion durch die angehäuften realen Über- und Unterbewertungen liegt es zumindest für Nicht-Politiker und Ökonomen außerhalb der EZB nahe, über Alternativen nachzudenken.

Alternativen zu einer Politik, die es nun einmal nicht vermag, die notwendige Entzerrung durch mehr Inflation im Norden und mehr Deflation im Süden oder andere Angleichungsmaßnahmen durchzusetzen, und sich in Ermangelung dessen mit dauerhaften transnationalen Hilfen in Nord-Süd-Richtung abzufinden scheint.

Eine "atmende Währungsunion"

An die radikale und ersatzlose Auflösung der Währungsunion mit völlig frei flotierenden Nationalwährungen innerhalb Europas denkt kaum jemand ernsthaft. Die daraus resultierende Kalkulationsunsicherheit würde nicht nur die Auflösung der Währungs- sondern wohl auch der Wirtschaftsunion und des gemeinsamen Marktes bedeuten. Das kann kein verantwortungsvoller Mensch wollen. Die nächstliegende Alternative wäre ein Rückgriff auf das Modell des Europäischen Währungssystems, wie es in der Europäischen Gemeinschaft von 1979 bis zur Fixierung der Wechselkurse zum Jahreswechsel 1998/99 praktiziert wurde.

Mehrere namhafte Autoren – zum Beispiel Hans-Werner Sinn, Werner Abelshauser, Martin Feldstein, Fritz Scharpf – haben eine Verkleinerung der Eurozone um bestimmte „Krisenländer“ vorgeschlagen, deren wieder eingeführte Landeswährungen dem Euro dann über ein flexibles aber reglementiertes Wechselkurssystem verbunden wären. Der Austritt würde den betreffenden Ländern zunächst eine Abwertung erlauben, um die Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Wirtschaft zu stützen. Zu dem Zweck könnte der noch existierende „Wechselkursmechanismus II“ aus der Vor-Euro-Zeit und den Beitrittsprozeduren reanimiert werden. Derzeit praktiziert man diesen nur mit der dänischen Krone. In diesem Mechanismus sind die teilnehmenden Notenbanken verpflichtet, die Kursschwankungen mit Interventionen innerhalb einer festgelegten Bandbreite zu halten.

Neun Klischees über die EU – und die Wahrheit dahinter

Ein solches Regime wäre flexibel: Die festgelegten Bandbreiten könnten bei innereuropäischen Verzerrungen neu verhandelt werden und das System könnte sowohl einen großen Euro-Block mit nur sehr wenigen neuen Nationalwährungen als auch eine - womöglich nur auf Zeit - aufgelöste Währungsunion umfassen. Sinn, der sich so etwas wünscht, spricht von einer „atmenden Währungsunion“.

Dass das funktionieren könnte, legt die historische Erfahrung nahe: Zwischen 1979 und 1998 hat die Europäische Gemeinschaft mit dem „Europäischen Währungssystem“ (EWS) und der künstlichen „European Currency Unit“ (ECU) ihre Landeswährungen gebändigt. Martin Höpner und Alexander Spielau vom Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln haben analysiert, ob dieses „Diskretionäre Wechselkursregime“ in jenen zwei Jahrzehnten funktionierte, also die nominalen Wechselkurse weitgehend stabilisieren konnte.

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