Andrej Babiš „Tschechiens Trump“ investiert in Wittenberg

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Probleme mit Olaf

Das nötige Kleingeld für Babiš' Großzügigkeit liefert sein Konzern Agrofert. 1993 gründete er mit einem Kollegen den Düngemittellieferanten Agrofert und formte ihn zu einem Konzern mit rund 34.000 Mitarbeitern, der die gesamte Lieferkette von der Saat bis zum fertigen Brotlaib umfasst. Weil seinem Konzern Anfang der 2000er-Jahre noch ein Ammoniakwerk fehlte, erwarb Babiš 2002 die Stickstoffwerke in dem Chemiepark von Wittenbergs Stadtteil Piesteriz. Dass auf dem Werksgelände nun auch die Großbäckerei Lieken hinzukommt gefällt nicht allen. Seit Monaten liegen die Gewerkschaften im Clinch mit Lieken und werfen dem Unternehmen Lohndumping vor.

Auch international steht es mit dem Ruf von Babiš nicht zum Besten. Seine Doppelfunktion als Agrofert-Inhaber und früherem Finanzminister führte immer wieder zum Vorwurf von Interessenkonflikten. So soll sein eigener Konzern von staatlichen Aufträgen profitiert haben. Doch auch die EU-Antikorruptionsbehörde Olaf bereitet Babiš Schwierigkeiten. Wegen möglicher Veruntreuung von EU-Fördermitteln beim Bau des Wellness-Hotels Storchennest rund 50 Kilometer vor Prag ermittelt sie gegen Babiš.

Der Tscheche sieht die Vorwürfe als Kampagne gegen ihn. Als die WirtschaftsWoche vor einem Jahr mit Babiš über die Vorwürfe sprach, bestritt er diese vehement: „Die Subventionen wurden mehrmals kontrolliert und für korrekt befunden. Alles war gesetzeskonform!“ Dann holte Babiš wieder den Taschenrechner aus der Sakkotasche und tippte: „Wir haben 915 Millionen tschechische Kronen investiert und die bewilligte Subvention betrug 50 Millionen Kronen. Die Subvention betrug also gerade einmal fünf Prozent.“

Auch den Vorwurf, dass er als Finanzminister Aufträge an eigene Unternehmen vergeben hätte, wies Babiš von sich: „Der Finanzminister hat überhaupt keinen Einfluss auf die Auftragsvergabe und die Subventionen. Zudem liegt der Umsatz, den Agrofert mit dem tschechischen Staat macht, bei gerade einmal 1,7 Prozent. Wenn ich nur Geschäfte und Geld machen will, wäre ich nicht in der Politik.“ Seine „Feinde“ würden durch diese Vorwürfe bloß versuchen, seine „Firmen zu beschädigen“.

Auch seine politischen Absichten umriss Babiš vor einem Jahr schon recht genau: „Ich möchte den Staat wie ein Unternehmen führen. Wie ein Familienunternehmen! Die tschechische Politik sollte ein großes Familienunternehmen sein. In einem Familienunternehmen gibt es einen Vater, aber auch der Sohn steuert. Und nicht alle Kinder sind gleich: Einer ist schwächer, einer ist stärker, aber sie kümmern sich umeinander.“

Nur Flüchtlinge sollen offenbar nicht zu dieser „Familie“ des Milliardärs gehören. Auf die Frage, wie er als Premier mit der Flüchtlingsfrage umgehen würde, antwortete  Babiš damals: „Es ist nicht akzeptabel, wenn Brüssel sagt, wen wir als souveräner Staat aufnehmen sollen. In der Ukraine ist auch Krieg, aber die Ukrainer können etwa nicht zu uns kommen, weil sie die Grenze nicht passieren können. Dabei sind uns die Ukrainer etwa viel näher als die Syrer. Die einzige Lösung ist ein Frieden in Syrien.“

Mit seiner Haltung gegen Flüchtlinge punktet der Unternehmer bei den Wählern. Auf realen Erfahrungen können die Ängste der Tschechen dabei nicht beruhen: Tschechien hat vergangenes Jahr nur wenige Hundert Flüchtlinge aufgenommen.

 

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