Es ist Zufall, dass die Termine auf denselben Tag fallen. Am Dienstag hat der Industrieausschuss des Europäischen Parlaments über den Chips Act abgestimmt und der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte ein Treffen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU). Bei beiden Terminen geht es um ein ganz großes Thema: Europas strategische Autonomie bei der Chipherstellung und die Abwehr gezielter Angriffe auf diesem Gebiet aus den USA.
Spätestens seit dem Oktober 2022, als die USA Exportbeschränkungen für Halbleiter in Richtung China erlassen haben, ist klar, dass die Regierung von Joe Biden bei Chips eine gnadenlose „America first“ Strategie fährt. Unter dem Vorwand der Sicherheit bedrängen die USA den niederländischen Konzern ASML, keine Maschinen zur Chipherstellung mehr nach China zu verkaufen. Rutte gab 2019 US-Druck nach und ließ den Export der modernsten Maschinen von ASML nach China stoppen. Nun wollen die USA auch den Verkauf der sogenannten DUV-Technik verhindern, bei der ASML einen Weltmarktanteil von 95 Prozent hat. Gleichzeitig dürfen US-Unternehmen weiterhin Maschinen zur Halbleiterherstellung nach China liefern, etwa für Ätztechnologie.
Die USA greifen Europa ganz gezielt an auf einem Gebiet, in dem es technologisch führt. Für Deutschland ist das nicht nur ein Problem, weil Zulieferern wie Zeiss und Trumpf gute Geschäfte mit ASML machen, dem höchstbewerteten europäischen Tech-Konzern. Deutschland muss sich als größter Mitgliedsstaat der EU auch aus politischem Selbsterhaltungswillen gegen die Übergriffigkeit der US-Wirtschaftspolitik wehren.
Ein EU-Gesetz wie der Chips Act wird im Übrigen wertlos, wenn Europa seine technologische Führerschaft in einem Bereich der Halbleiterproduktion verliert. Rutte wird von der Leyen um die Unterstützung Europas bitten. Mehr Unterstützung aus Berlin bei diesem Thema könnte er genauso gut brauchen.
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