
Oft kommen die wichtigen Anstöße von außen. "Schindler ist der weltweit führende und innovativste Lift-Hersteller. Und wie hoch ist in diesem Land das einzige hohe Gebäude?" Das Publikum ahnt die Antwort: "Gerademal 36 Stockwerke!" Jean-Claude Biver, Verwaltungsratspräsident der Luxusuhren-Marke Hublot, der gerade eine Verbindung zwischen dem größten Spezialhersteller der Schweiz und dem Prime Tower in Zürich herstellt, erntet galliges Lachen und donnernden Applaus. Der gebürtige Luxemburger berührt damit einen wunden Punkt.
Nichts dokumentiert das aktuelle Wechselbad der Gefühle bei unseren südlichen Anrainern so sehr wie die Besetzung des Podiums. Neben der wandelnden Swiss Made, dem Redaktor Beat Kappeler von der Neuen Zürcher Zeitung, haben sich auf der Bühne des Stadttheaters von Schaffhausen auch ein Entertainer (Jean-Claude Biver), ein Provokateur (Heiner Flassbeck) und eine Staatsfigur (Eveline Widmer-Schlumpf) eingefunden.
"Wir brauchen eine globale Währungsordnung"
Die drei Ränge sind proppenvoll – fast die gesamte ökonomische Crème de la Creme der Nordschweiz und darüber hinaus hat sich hier versammelt. Man fächelt sich an diesem letzten heißen Sommertag des Jahres frische Luft und jede Menge hoffnungsvoller Gedanken zu. Das ist wohl auch nötig. Denn Heiner Flassbeck, einst deutscher Staatssekretär, danach Chef-Volkswirt der UNO-Organisation für Welthandel und Entwicklung (UNTAC) und mittlerweile Vortragsreisender, ist nicht nur ein Volkswirt von hohen Graden – er schleppt auch oft Weisheiten im Koffer mit sich herum, die das Gemüt seiner Zuhörer nicht gerade beruhigen. So auch jetzt: "Was machen Sie mit ihrem schönen Geld, wenn es keine Schuldner mehr gibt?"
Es folgt ein Plädoyer fürs Schuldenmachen, denn letztlich gehe es um die Investitionsdynamik als "fundamentales Problem": "Was wir auf der Welt brauchen, sind richtige Investoren, die das Geld der Sparer nehmen um es in vernünftige Dinge zu stecken." Die Philippika des Keynesianers lässt das Publikum von Minute zu Minute ratloser erscheinen. Und jeder Satz bei ihm mehr Pein erzeugen. So auch beim Thema Leistungsbilanz: "Der Außenhandelsüberschuss der Schweiz liegt bei 15 Prozent. Ihr habt Glück gehabt, dass Ihr bei der letzten Finanzminister-Konferenz der G20 nicht vorgeführt worden seid." Die Schweiz habe die Pflicht sich global organisierten Systemen zu öffnen. Die Dauerkrise des Euro, den er für schlecht gemanagt hält, sollte dieses Ziel nicht in Frage stellen. Flassbeck: "Wir brauchen eine globale Währungsordnung. Das braucht auch die Schweiz dringend."
Susanne Wille, die vom Schweizer Fernsehen ausgeliehene Moderatorin, verabschiedet Jean-Claude Biver, der nach Flassbeck seinen lustigen Auftritt hatte, mit dem Hinweis: "Sie sollten jetzt einmal in die Gesichter des Publikums sehen, wie die sich aufgehellt haben und fröhlich sind." Biver hat auch sonst allen Grund zu Optimismus. Sein Konzern, "prosperiert wie verrückt" (Biver): Hublot, seit 1980 erst am Markt, macht über 200 Millionen Franken Umsatz und belegt Rang 40 der wertvollsten Schweizer Marken. Die Uhrmacher aus Nyon am Lac Leman können sich über ein Rekordjahr nach dem anderen freuen. Im vergangenen Jahr waren es 24 Prozent, und dieses Jahr sollte es mindestens genauso viel werden. Bivers Replik auf Flassbecks Keynes: "Hätten wir Schulden, wären wir pleite." Und so sei man "guter Dinge im Markt – und alles ist Swiss Made".