
Italien bezahlt die unklaren politischen Machtverhältnisse mit steigenden Zinskosten. Bei der ersten Versteigerung einer zehnjährigen Staatsanleihe nach der Parlamentswahl kletterte die Rendite auf 4,83 Prozent und damit auf den höchsten Wert seit Oktober 2012, wie die italienische Finanzagentur am Mittwoch mitteilte. Vor vier Wochen lag sie noch bei 4,17 Prozent. Trotz des deutlichen Anstiegs blieb der Zins aber unter der psychologisch wichtigen Marke von fünf Prozent.
Bei der Auktion einer fünfjährigen Anleihe stieg der Zins auf 3,59 Prozent von 2,94 Prozent im Januar. Insgesamt nahm der Staat bei den beiden Versteigerungen mit 6,5 Milliarden Euro den zuvor anvisierten Höchstbetrag ein. Die Auktionen waren jeweils gut 1,6-fach überzeichnet. "Die Nachfrage war ganz ordentlich", sagte Analyst Nick Stamenkovic von RIA Capital Markets. "Allerdings verlangen die Investoren auch eine deutlich höhere Risikoprämie."
Bei der Wahl hat keiner der politischen Blöcke eine eigene Mehrheit geschafft. Wegen der instabilen politischen Lage droht dem Euro-Land eine Herabstufung seiner Kreditwürdigkeit durch die Ratingagentur Moody's. Der Wahlausgang wirke sich negativ auf die Kreditwürdigkeit aus, weil Neuwahlen und damit eine noch längere Phase der politischen Instabilität im Raum stünden, erklärte die Agentur vor der Auktion. Moody's bewertet Italien seit Juli 2012 mit "Baa2". Der Ausblick ist negativ.
Europa zittert vor möglicher Berlusconi-Wiederkehr
Besonders drastisch drückt es Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer aus: Eine Wiederwahl Berlusconis „wäre für die Anleger ein Horror-Szenario, die Staatsschuldenkrise würde wieder hochkochen“. Die Renditen für italienische Staatsanleihen dürften wieder in die Höhe schnellen, der mühsame Reformprozess in dem Land könnte abrupt beendet sein. „Italien hat mit Berlusconi bereits viele verlorene Jahre hinter sich, eine Neuauflage würde diese Agonie verlängern“, urteilt Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater. Beim Umbau der Europäischen Union drohe wieder mehr Gegenwind aus Rom, meint Kater - Konfrontation statt Kooperation: „Ein Wahlsieg Berlusconis behindert den Wiederaufbau von Vertrauen in den Euro.“
Sollte das hoch verschuldete Land für frisches Geld an den Kapitalmärkten dramatisch höhere Zinsen zahlen müssen, könnte die Europäische Zentralbank (EZB) mit dem Italiener Mario Draghi an der Spitze zumindest in die unangenehme Lage geraten, entscheiden zu müssen, ob sie dem Land zur Seite springt. Die Chefvolkswirtin der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba), Gertrud Traud, spricht von einer „wahren Bewährungsprobe für Draghi“. Die EZB könnte mit dem Kauf von Staatsanleihen für Entlastung sorgen, doch die Währungshüter haben die Latte dafür selbst hoch gelegt: Erst wenn ein Land einen Hilfsantrag beim Euro-Rettungsfonds ESM stellt und somit politische Reformauflagen akzeptiert, wäre die EZB prinzipiell bereit zum Kauf von Anleihen des betreffenden Staates.
Der Rettungsschirm ESM kann Eurostaaten bis zu 500 Milliarden Euro an Krediten geben, im Gegenzug müssen sie strenge Spar- und Reformauflagen erfüllen. Sollte Rom - wie von Berlusconi im Wahlkampf versprochen - Steuern senken, ohne die Ausfälle mit Einsparungen zu kompensieren, könnte die Situation in Europa unangenehm werden, meint Berenberg-Chefvolkswirt Holger Schmieding: „Ein Italien, das die Regeln bricht, wäre kein Kandidat für Unterstützung durch den ESM oder die EZB“. Über Finanzhilfen entscheidet einstimmig der ESM-Gouverneursrat, der aus den Finanzministern der 17 Euro-Staaten besteht. Gustav Horn vom gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) befürchtet, dass Hilfen für Italien den Rettungsschirm sprengen würden: „Damit gerät die gesamte Rettungsarchitektur in Gefahr.“ Dekabank-Ökonom Kater ist jedoch überzeugt: „Von Rettungsschirmen sind wir weit entfernt.“
„Die Wahl Berlusconis ist nicht mein Hauptszenario“, erklärt Commerzbank-Ökonom Krämer. Stefan Bielmeier von der DZ Bank erwartet, dass das Mitte-Links-Bündnis Bersanis seinen Vorsprung aus den letzten Umfragen halten kann und die neue Regierung in Italien ohne Berlusconi gebildet wird. Auch die Fondsgesellschaft Fidelity hält einen Sieg Bersanis für wahrscheinlich. Die Erleichterung darüber werde zu einer Kursrallye an den europäischen Aktienmärkten führen: Und „selbst wenn die Wahl überraschend eine Regierung unter Berlusconi hervorbringen sollte, ..., werden die Märkte die Rückkehr zum Sparkurs durch Abstrafen sehr schnell erzwingen“.
Denkbar ist, dass Bersani die Mehrheit im Abgeordnetenhaus erringt, aber die nötige regierungsfähige Mehrheit im Senat verpasst. Mögliche Folgen: Hängepartie um die Regierungsbildung, Reformstillstand und Unruhe an die Finanzmärkten. Die Reaktionen wären allerdings weniger heftig als bei einer Wahl Berlusconis, meint Ökonom Krämer: „Unsicherheit ist Gift für die Märkte. Aber solange Berlusconi nicht wieder Premierminister wird, sollte die EZB die Lage stabil halten können, ohne tatsächlich italienische Staatsanleihen zu kaufen.“
Gewohnte Situation für Italien
Der Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI), Thomas Straubhaar, tritt dennoch Sorgen über eine Verschärfung der Euro-Krise entgegengetreten. Italien sei häufige Regierungswechsel und die ständige Suche nach Mehrheiten gewohnt, sagte der Volkswirt am Mittwoch im Deutschlandfunk. Mit Hilfe des Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM und notfalls durch Unterstützung der Europäischen Zentralbank (EZB) werde Europa in der Lage sein, den Bestand des Euro zu garantieren. Auch die deutsche Wirtschaft habe gut gelernt, mit solchen Unsicherheiten umzugehen. Zumindest auf kurze Sicht schössen viele der verängstigten Reaktionen auf den Wahlausgang in Italien daher über das Ziel hinaus.
Deutschland sei als größter Zahlmeister für alle Probleme der Eurozone „unglaublich erpressbar geworden“, sagte Straubhaar. „Wir machen die Hausaufgaben, die in Italien einmal mehr über eine lange Frist versäumt worden sind, umzusetzen.“ Man dürfe deshalb aber nicht tatenlos zusehen, sondern müsse die strukturell schwächeren Länder stärken. „Wenn sie mal mit anderen in einem Euro-Bett liegen und einen Euro gezeugt haben, dann können sie das nicht mehr rückgängig machen.“ Die gemeinsame Währung sei „in hohem Maße alternativlos“.