
Mario Draghi schließt einen Kreis. London im Sommer 2012, schlichtes Ambiente, gewichtige Worte: „Whatever it takes“ werde die Europäische Zentralbank (EZB) unternehmen, um den Euro zu retten. So hatte es der EZB-Präsident angekündigt.
Frankfurt im Januar 2015, der zweite Auftritt im neuen EZB-Gebäude am Main. „Whatever it takes“ wird von einer bloßen Worthülse zur Tatsache. Ab März dieses Jahres will Europas Zentralbank monatlich für 60 Milliarden Euro Anleihen kaufen. Vorerst soll das Programm bis Ende September 2016 dauern. Mindestens. Denn Draghis Kaufrausch soll erst aufhören, wenn die Inflationsrate sich nachhaltig an die von der EZB angestrebte Preisstabilität bei knapp zwei Prozent annähert.
Die Zentralbank macht also genau das, was die Märkte von ihr erwartet hatten. Sogar noch ein bisschen mehr. Erwartet worden war zunächst ein Volumen von etwa 50 Milliarden Euro pro Monat. Alles darunter hätte die Märkte deprimiert. Die Marionette der Kapitalmärkte zu sein - das kann Draghi gut.
Die Krisenpolitik der Euro-Zone seit 2010
Erstmals muss mit Griechenland ein Euro-Mitglied ein internationales Hilfsprogramm beantragen, um eine Staatspleite zu verhindern. Das Programm erweist sich später als nicht ausreichend.
Ein „Europäischer Rettungsschirm“ wird beschlossen. Er soll sicherstellen, dass die Zahlungsfähigkeit der einzelnen Euroländer gesichert wird. EFSF („Europäische Finanzstabilisierungsfazilität“) reichte Kredite aus, für die die Euro-Länder mit Garantien bürgten. Der maximale Garantieanteil Deutschlands betrug rund 211 Milliarden Euro. Unter diesen Rettungsschirm schlüpfen - neben Griechenland - später auch Portugal, Irland, Spanien und Zypern.
Parallel beginnt die Europäische Zentralbank (EZB) erstmals mit dem Kauf von Staatsanleihen. Das „Securities Markets Programme“ (SMP) sollte den Anstieg der Renditen von Anleihen angeschlagener Euroländer bremsen. Das SMP läuft bis Anfang 2012.
Die EZB verspricht, notfalls unbegrenzt Anleihen von Krisenstaaten zu erwerben. Gekauft wurde nach dem Programm „Outright Monetary Transactions“ (OMT) bisher noch keine Anleihe. Dennoch beschäftigt der OMT-Beschluss den Europäischen Gerichtshof (EuGH).
Mit dem ESM („Europäischer Stabilisierungsmechanismus“) geht ein neuer Rettungsschirm an den Start, der den EFSF dauerhaft ablöst. Wichtigster Unterschied der beiden Einrichtungen: Der ESM erhält eigenes Kapital, zu dem die Euroländer beitragen. Der deutsche Kapitalanteil beträgt 21,7 Milliarden Euro; hinzu kommen Garantien mit einem deutschen Anteil von 168,3 Milliarden Euro.
Wieder eine Premiere bei der EZB: Die Notenbank beschließt ein riesiges Anleihekaufprogramm - im Fachjargon „Quantitative Easing“ (QE). Damit sollen Milliarden und Abermilliarden Euro in die Wirtschaft gepumpt werden - als Stütze für die schwache Konjunktur.
In den 60 Milliarden Euro pro Monat sind auch die bereits vorher beschlossenen Käufe von Pfandbriefen und Kreditverbriefungen enthalten, sogenannte Asset backed Securities (ABS).
Gekauft werden sollen die Anleihen gemäß den Anteilen der nationalen Notenbanken am Kapitalschlüssel der EZB. Bundesanleihen sind also besonders gefragt. Lediglich für ein Fünftel des Programms soll das Risiko vergemeinschaftet werden. Neben Staats- und Unternehmensanleihen könnten auch Anleihen von Institutionen wie der Europäischen Investitionsbank (EIB) gekauft werden.
Diese Aufteilung des Haftungsrisikos ist aber nicht der einzige Grund für Kritik am Programm. Die Argumentation von Mario Draghi lässt nicht zwingend darauf schließen, dass das Programm seine erhoffte Wirkung erzielen wird.
Eigentlich will der Italiener mit dem Einlösen seines „Whatever it takes“-Versprechens das Vertrauen in die Euro-Zone stärken. Mittelfristig sollen die Anleihekäufe für Wachstum sorgen. Mehr Investitionen, dass ist Draghis Ziel. Dafür brauche es Vertrauen. Vertrauen der Unternehmen der Euro-Zone, und Vertrauen der Investoren in die Euro-Zone.
Doch allein die begrenzte Risikoteilung schürt Zweifel. Sie setze „ein falsches Signal“, sagt die Wirtschaftsweise Isabel Schnabel. „Sie stellt die Erwartung in Frage, ob die EZB genügend politische Unterstützung hat, um alles in ihrer Macht stehende zu tun“.
Auch der Euro könnte noch zur Vertrauensfrage werden. Die Anleihekäufe schwächen die Gemeinschaftswährung extrem, nach Draghis Worten fiel der Kurs schlagartig auf 1,154 Dollar. Und die Schwäche dürfte weiter anhalten. Erhöht die US-Notenbank Fed irgendwann ihre Zinsen, wird der Effekt sogar noch verstärkt.
Während der schwache Euro zurzeit als Heilsbringer für die exportabhängigen Unternehmen in Europa gefeiert wird, kann sich das Blatt auch schnell wenden. Verliert die Gemeinschaftswährung zu stark an Wert, könnten die Investoren ihr das Vertrauen entziehen und sich reihenweise verabschieden.