




Die Schleusen für die riesige Geldschwemme müssen weit geöffnet bleiben: Diese Losung wird EZB-Präsident Mario Draghi den Akteuren an den Finanzmärkten am Mittwoch nach der Zinssitzung laut Experten präsentieren. Denn die Konjunkturerholung in der Euro-Zone steht noch auf wackligen Beinen. Dazu muss Draghi den ungelösten Schuldenstreit mit Griechenland im Blick behalten. Und auch die Kreditvergabe an die Wirtschaft ist längst nicht so rege, wie sich die Europäische Zentralbank (EZB) das erhofft. Den Leitzins, der schon länger auf dem Rekordtief von 0,05 Prozent liegt, dürfte sie derweil nicht antasten.
"Draghi wird am Mittwoch betonen, dass die EZB ihr Anleihe-Kaufprogramm vollständig umsetzen wird und dass das Enddatum September 2016 nach wie vor steht", sagt etwa National-Bank-Volkswirt Dirk Gojny. Alles andere würde eine Diskussion um ein schnelles Ausklingen des Programms auslösen, was die EZB tunlichst vermeiden wolle. Auch Commerzbank-Volkswirt Christian Schubert geht davon aus, dass Draghi an den Eckpfeilern nicht rütteln will: "Denn aus EZB-Sicht ist die wirtschaftliche Erholung gerade auf die positive Wirkung des Kaufprogramms zurückzuführen." Ein vorzeitiger Abbruch würde daher aus Sicht der Währungshüter das Wachstum im Euro-Raum gefährden. Das Bankhaus Lampe erwartet, dass über Veränderungen des Programms frühestens 2016 ernsthaft nachgedacht wird.
Fragen zum EZB-Anleihekaufprogramm
Die Preisentwicklung im Euroraum bereitet den Notenbankern Sorgen. Im Januar und Februar sind die Verbraucherpreise auf Jahressicht jeweils gesunken. Deshalb befürchten die Währungshüter eine Deflation, also einen anhaltenden Preisrückgang quer durch die Warengruppen. Das könnte dazu führen, dass Verbraucher und Unternehmen Anschaffungen in Erwartung weiterer Preissenkungen verschieben und die Wirtschaft erlahmt. Dies will die EZB mit den Käufen verhindern: „Das Programm wird dazu beitragen, die Inflation wieder auf ein Niveau zurückzuführen, das mit dem Ziel der EZB im Einklang steht.“ Die EZB strebt eine Teuerungsrate von knapp zwei Prozent an.
Die EZB kauft Wertpapiere am Sekundärmarkt - also nicht direkt bei Staaten, sondern bei Banken oder Versicherern. So wird Geld ins Finanzsystem geschleust. Die EZB erwartet, dass das Programm den Unternehmen in ganz Europa helfen wird, leichter Zugang zu Krediten zu erhalten. Das werde die Investitionstätigkeit steigern, Arbeitsplätze schaffen und das Wirtschaftswachstum insgesamt stützen. Dafür druckt sich die EZB quasi selbst Geld, die Menge (Quantität) des Zentralbankgeldes nimmt zu, daher der Begriff „Quantitative Lockerung“ (QE).
Die EZB will Papiere von Eurostaaten, von internationalen Institutionen wie der Europäischen Investitionsbank (EIB) oder von nationalen Förderbanken wie der KfW kaufen. Bei Staatsanleihen gilt: Gekauft werden nur Papiere von guter Bonität. Anleihen, die von Ratingagenturen als Ramsch gewertet werden, sind außen vor - es sei denn, das Land befindet sich in einem Sanierungsprogramm der EU und erfüllt alle Sparauflagen. Die Überprüfung des Programms muss abgeschlossen sein. Damit ist im Moment ausgeschlossen, dass die EZB Anleihen Zyperns oder Griechenlands kauft.
Bislang vor allem wie ein Schmierstoff für Aktienmärkte. Da viele andere Geldanlagen wegen der niedrigen Zinsen kaum noch etwas abwerfen, stecken Investoren ihr Geld in Aktien. Die Kurse steigen. Experten warnen, dass dadurch Blasen an den Aktienmärkten entstehen können. Ähnliches gilt für Immobilienmärkte. Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret sieht die Gefahr, dass viele Anleger auf der Suche nach Rendite zu Vermögenswerten greifen, die sie bisher wegen deren Risiken gemieden haben: „Die Entstehung von Preisblasen wird damit wahrscheinlicher, und das könnte zu einem Problem für die Stabilität des Finanzsystems werden.“
Bundesbank-Präsident Jens Weidmann befürchtet, dass der Reformeifer in Krisenländern nachlassen könnte - schließlich wird das Schuldenmachen billiger, wenn die EZB als großer Akteur auf den Plan tritt. Kritiker werfen der EZB zudem vor, sie finanziere letztlich Staatsschulden mit der Notenpresse. Das mache die Notenbank abhängig von den Staaten und gefährde ihre Unabhängigkeit.
Im Prinzip schon, doch sie hat ihr Pulver weitgehend verschossen. Das gilt vor allem für die Zinsen, mit denen die Geldpolitiker eigentlich die Inflation steuern: Eine Zinssenkung verbilligt Kredite und soll Konjunktur wie Inflation antreiben. Doch die EZB hat den Leitzins schon auf 0,05 Prozent gesenkt, also quasi abgeschafft. „Gäbe es noch Spielraum, so hätte die EZB die Leitzinsen bereits gesenkt. Da diese Möglichkeit aber nicht mehr bestand, war das Programm zum Ankauf von Vermögenswerten das einzig geeignete Instrument, mit dessen Hilfe die EZB ein ähnliches Ergebnis erreichen konnte“, erklärt die EZB.
Im ersten Quartal war das Bruttoinlandsprodukt in der Euro-Zone um 0,4 Prozent gestiegen - so kräftig wie seit fast zwei Jahren nicht mehr. Erholungstendenzen zeigten sich unter anderem in Frankreich, Italien und Spanien. Die EZB pumpt mit den Bondkäufen Woche für Woche Milliarden in das Finanzsystem - bis September 2016 sollen es insgesamt 1,14 Billionen Euro sein. Sie will damit diese Wertpapiere für Banken unattraktiver machen, damit die Geldhäuser lieber mehr Kredite vergeben.
Das ist aber noch nicht erreicht, wie die jüngsten Daten zeigen: So wurden im April genauso viele Darlehen an Unternehmen und Haushalte ausgereicht wie im Vorjahr - und auch die Preise stagnierten. Die EZB strebt eigentlich eine Teuerung von knapp zwei Prozent an, was für die Wirtschaftsentwicklung aus ihrer Sicht am besten ist.





Sorgenkind Griechenland
Neben dem Kaufprogramm dürfte Griechenland beherrschendes Thema der Draghi-Pressekonferenz werden. Die EZB hat hier eine Schlüsselfunktion inne: Inzwischen entscheidet sie wöchentlich über die Gewährung von Notfallhilfen der Athener Notenbank an die lokalen Geldhäuser, deren Kunden aus Sorge von einer Eskalation der Krise bereits Milliarden von ihren Konten abgehoben haben. Zieht die EZB den Stecker, könnten die Banken rasch kollabieren. "Wir gehen davon aus, dass sie diese Kredite weiter genehmigen wird, da sie wohl kaum die politische Verantwortung für einen 'Grexit' übernehmen will", schreibt die Commerzbank mit Blick auf ein mögliches Ausscheiden des Landes aus dem Währungsraum. Die EZB muss aber aufpassen, nicht die Grenze zur unerlaubten Staatsfinanzierung zu überschreiten.
Der Kampf der EZB gegen die Krise
Nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers öffnen die großen Zentralbanken die Geldschleusen, um mitten in der Panik an den Finanzmärkten die Geschäfte am Geldmarkt am Laufen zu halten.
Die wichtigsten Notenbanken der Welt senken gemeinsam die Zinsen - ein historischer Schritt.
Die EZB senkt ihren Leitzins überraschend um einen dreiviertel Prozentpunkt auf 2,5 Prozent. Es ist der größte Zinsschritt seit der Einführung des Euro.
Die EZB stellt den Banken der Euro-Zone erstmals für ein ganzes Jahr Liquidität zur Verfügung. Mehr als 1000 Banken rufen 442 Milliarden Euro ab.
Die EZB beginnt mit dem Ankauf von Anleihen Italiens und Spaniens. Beide Länder waren zuvor ins Visier der Märkte geraten.
Der neue EZB-Präsident Mario Draghi startet seine Amtszeit mit einem Paukenschlag und senkt den Leitzins auf 1,25 Prozent. Unter seinem Vorgänger Jean-Claude Trichet hatte die EZB den Schlüsselzins zuvor in zwei Schritten von einem auf 1,5 Prozent angehoben.
In einer koordinierten Aktion stellen die EZB, die amerikanische Fed sowie die Zentralbanken Kanadas, Japans, Großbritanniens und der Schweiz den von der Krise gebeutelten europäischen Banken Dollar zur Verfügung. Den Instituten fiel es zuvor schwer, sich Dollar-Kredite zu beschaffen - viele US-Investoren hatten ihnen aus Angst vor den Folgen der Schuldenkrise den Geldhahn zugedreht.
Die EZB senkt den Leitzins auf ein Prozent. Zudem werden die Refinanzierungsgeschäfte für die Banken angekündigt.
Die EZB stellt den Geschäftsbanken in zwei Tranchen zusammen mehr als eine Billion Euro an Liquidität zur Verfügung.
Die EZB senkt den Leitzins auf 0,75 Prozent. Sie kappt zudem den Einlagesatz auf null Prozent. Sie will damit die Institute ermuntern, mehr Geld an Unternehmen und Haushalte zu verleihen.
Draghi erklärt in einer mittlerweile berühmten Rede, die Zentralbank werde "alles tun, was nötig ist, um den Euro zu retten". Dieses Versprechen gilt bis heute vielen Experten als Wendepunkt in der Krise. Seitdem haben die Schwankungen an den Finanzmärkten deutlich abgenommen und die Länder können sich wieder günstiger verschulden.
Der EZB-Rat beschließt gegen den Widerstand der Bundesbank neue umfangreiche Staatsanleihenkäufe am Sekundärmarkt. Ziel des sogenannten OMT-Programms ist es, die Zukunft des Euro in der Schuldenkrise zu sichern. Tatsächlich wurden aber bis heute keine Anleihen aus dem Programm gekauft.
Die EZB senkt ihren Leitzins auf 0,25 Prozent. Als Grund nennt sie die Gefahr einer zu langen Periode zu niedriger Teuerungsraten - sie will also mit noch billigerem Geld verhindern, dass die Wirtschaft der Euro-Zone in einen Teufelskreis aus sinkenden Preisen und Investitionen gerät.
Die EZB senkt den Leitzins auf 0,15 Prozent. Erstmals ist zudem der Einlagesatz für Banken negativ. Das hat zur Folge, dass Institute, die lieber Geld bei der Notenbank parken als es an Unternehmen und Haushalte zu verleihen, künftig eine Strafgebühr von 0,1 Prozent zahlen müssen.
Die EZB senkt die Leitzinsen auf das Rekordtief von 0,05 Prozent. Sie will zudem mit zusätzlichen milliardenschweren Geldspritzen die schlappe Konjunktur in der Währungsunion anschieben und die für den Geschmack der Notenbank viel zu niedrige Inflation anheizen. Die EZB kündigte an, ab Oktober den Banken Kreditverbriefungen und auch Pfandbriefe abzukaufen.
Die EZB kündigt an, monatlich für 60 Milliarden Euro Staatsanleihen und andere Wertpapiere zu kaufen. Bis Herbst 2016 dürften auf diese Weise mehr als eine Billion Euro zusammenkommen.
Mit Spannung erwartet werden auch die neuen Inflations- und Wachstumserwartungen von den EZB-Fachleuten sowie den nationalen Notenbanken. "Wir rechnen mit einer Anpassung der Inflationsprognose", so die Volkswirte der Großbank HSBC, die von einer leichten Anhebung für 2015 auf 0,3 Prozent von bislang 0,0 Prozent ausgehen. Ihre Gründe: wieder steigende Öl- und Lebensmittelpreise. Die EZB veröffentlicht alle drei Monate neue Prognosen für Inflation, Wachstum und Arbeitslosigkeit. Diese spielen bei den geldpolitischen Entscheidungen eine wichtige Rolle.