Arbeitsmarkt Frankreich Kampf um die 35-Stunden-Woche

Seite 2/2

Senkung der Abfindungen bei Kündigungen

Als die 35-Stunden-Woche vor 16 Jahren eingeführt wurde, sollte die Arbeitszeitverkürzung quasi automatisch zu mehr Beschäftigung führen. Statt der erhofften 700 000 Arbeitsplätze entstand Studien zufolge aber nur rund die Hälfte. Zudem mussten Unternehmen mit Überstundenzuschlägen und Freizeitausgleich operieren. „Während die Konkurrenz international zunahm und zum Beispiel Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit verbesserte, hat die 35-Stunden-Woche in Frankreich die Arbeitskosten um elf Prozent erhöht“, kritisiert Philippe Crevel, Direktor des Thinktanks Cercle de l’Epargne.

Eine höhere Wochenarbeitszeit ist nicht der einzige umstrittene Plan der Regierung auf dem Arbeitsmarkt: Sie will unter anderem auch die bei Kündigungen üblichen Abfindungen senken. Denn das Kündigungsrecht gilt als zu starr. Die Folge: Fast neun von zehn Neueinstellungen sind befristete Arbeitsverhältnisse mit einer Dauer von häufig weniger als einem Monat. So umgehen die Arbeitgeber den starren Kündigungsschutz.

„Es ist paradox“, sagt der Arbeitsmarktexperte Patrick Levy-Waitz. „Franzosen wollen möglichst selbstbestimmt leben und arbeiten, aber sie scheuen das Risiko.“

So benehmen Sie sich in Frankreich richtig

Aus Furcht um den sozialen Frieden hat es bislang keine französische Regierung gewagt, die Zustände auf dem Arbeitsmarkt grundsätzlich zu ändern. So wächst einzig und alleine eins: die Anstrengung, mit der die geltenden Regeln umgangen werden. Im Fall der 35-Stunden-Woche sorgen etwa Jahresarbeitszeitkonten, Ausnahmen für leitende Angestellte, Freizeitausgleich oder teure Überstunden für Ausnahmen von der Regel. Darüber hinaus erlaubte die konservative Regierung unter Staatschef Nicolas Sarkozy in der Wirtschaftskrise 2008 sogenannte Abkommen zur Wettbewerbsfähigkeit.

Diese gestatteten Mehrarbeit auch ohne Lohnausgleich, wenn dadurch Arbeitsplätze gesichert wurden. Doch sein sozialistischer Nachfolger Hollande hat diese Möglichkeit auf zwei Jahre befristet, und auch das nur für Unternehmen, die in „großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten“ stecken und bei denen die Gewerkschaften zustimmen. Nur zehn Betriebe haben derzeit diese bürokratische Hürde überwunden.

Ob die nun geplanten Reformen Präsident Hollande nutzen, darf bezweifelt werden. Er hat zu lange gezaudert. Denn in Kraft treten kann das Gesetz frühestens im Sommer – zu spät, als dass etwaige positive Folgen in Form einer höheren Beschäftigung die Chancen für seine Wiederwahl wesentlich erhöhen.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%