
Herr Professor Bris, Deutschland ist im Ranking des International Institute for Management Development (IMD) zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit von Ländern vom sechsten auf den zehnten Platz abgerutscht. Was ist der Grund dafür?
Arturo Bris: Deutschland ist Teil eines Kontinents, der von wirtschaftlichen Turbulenzen geprägt ist. Insofern lässt sich die wirtschaftliche Situation Deutschlands nicht isoliert betrachten. Das Ranking des IMD basiert zu zwei Dritteln auf harten wirtschaftlichen Daten wie etwa Wirtschaftswachstum und Arbeitslosigkeit. Da steht Deutschland nach wie vor vergleichsweise gut da. Dagegen hat sich das Image des Landes bei den internationalen Entscheidungsträgern, das zu einem Drittel in das Ranking eingeht, deutlich verschlechtert.
Welchen Anteil hat die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung daran?
Die Wirtschaftspolitik der Regierung beeinflusst das Stimmungsbild der befragten Manager erheblich. Sie spiegelt sich in der von der Weltbank gemessenen Wirtschaftsfreundlichkeit der Rahmenbedingungen sowie dem Gründerklima und den Arbeitsmarktregulierungen wider. Deutschland hat sich in puncto Gründerklima von Platz 29 auf Platz 35 verschlechtert, in Sachen Arbeitsmarktregulierung rutschte es von Rang 35 auf Rang 41. Der Mindestlohn, der seit Jahresanfang in Deutschland gilt, hat die Standortqualität des Landes in den Augen der internationalen Entscheidungsträger verschlechtert. Das ist gefährlich. Denn trübt sich das Image eines Landes ein, machen die Unternehmen einen Bogen um das Land und es entstehen weniger Arbeitsplätze.
Deutschland liegt bei der Finanzpolitik abgeschlagen auf Platz 55 von 61 Ländern – und das trotz der Überschüsse im Staatshaushalt. Warum?
In Deutschland zahlen die Unternehmen zu viel Steuern – und Steuern sind schlecht für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Sie mögen den Staatshaushalt entlasten, die Wertschöpfung der Unternehmen aber belasten sie. Die effektive Steuerlast der Unternehmen in Deutschland liegt weit über 30 Prozent, damit zählt Deutschland international zu den Standorten mit der höchsten Steuerlast. Auch die Besteuerung des Konsums ist hoch und steigt weiter.
Seit 2010 sind die Lohnstückkosten in Deutschland um rund 9 Prozent gestiegen. Ist Deutschland dabei, seine preisliche Wettbewerbsfähigkeit wieder zu verspielen, die es dank der Agenda 2010 gewonnen hatte?
Die Daten deuten darauf hin. Als die Arbeitslosigkeit in Deutschland hoch war, blieben die Löhne hinter dem Wachstum der Produktivität zurück, jetzt legen sie kräftiger zu als die Produktivität. Das ist schlecht für die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen.
Das sind die wettbewerbsfähigsten Länder der Welt
Während Deutschland im Vorjahr noch auf Rang sechs lag, schafft es die Bundesrepublik in diesem Jahr nur noch auf den zehnten Platz. Der mitteleuropäische Staat steht 2015 vor vielen Herausforderungen. Dazu gehört der Druck, die Energiewende zu meistern, die digitale Transformation der Industrie voranzutreiben und private und öffentliche Investitionen zu fördern.
Bauen kann Deutschland auf seine hoch qualifizierten Arbeitskräfte und eine Politik der Stabilität und Vorhersehbarkeit.
Schweden fällt im Vergleich zu 2014 um vier Ränge von Platz fünf auf Platz neun. Das nordeuropäische Königreich kann besonders mit qualifizierten Arbeitskräften, den stabilen politischen Verhältnissen, einem wirksamen Rechtssystem und einem starken Fokus auf Forschung und Entwicklung glänzen. Auch das Bildungsniveau ist sehr hoch und die Infrastruktur sehr verlässlich.
Auch Dänemark konnte sich im Vergleich zum Vorjahr verbessern, von Platz neun geht es hoch auf Platz acht. Gut schneidet das nordeuropäische Königreich bei Managementpraktiken, Gesundheit und Umwelt sowie Arbeitsstandards ab. Auf dem ersten Rang landet Dänemark in der Kategorie der Regierungseffizienz gleich fünf Mal, denn es zeichnet sich nicht nur durch eine besonders große Rechtstaatlichkeit aus, sondern auch dadurch, dass Bestechung und Korruption kaum eine Chance haben.
Norwegen kann im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von drei Plätzen verzeichnen und landet damit auf dem siebten Platz. Die skandinavische Halbinsel kann vor allem mit gesellschaftlichen Rahmenbedingungen aufwarten, mit denen sie im internationalen Vergleich auf Platz eins landet. Weitere Faktoren, mit denen Norwegen punkten kann, sind im Bereich der Regierungseffizienz zu finden. Chancengleichheit, Transparenz sowie Rechtstaatlichkeit sind nur einige der besonders effektiven Maßnahmen der öffentlichen Hand.
Für Luxemburg ging es von Platz elf im Jahr 2014 hoch auf Platz sechs. Sehr gut schneidet das Großherzogtum im Bereich der politischen Stabilität, der wettbewerbsfähigen Besteuerung, des unternehmerfreundlichen Umfeldes und der qualifizierten Arbeitskräfte ab.
Kanada hat es in diesem Jahr auf Platz fünf geschafft. Im Vorjahr landete der nordamerikanische Staat noch auf Platz sieben des IMD World Competitiveness Ranking. Die gute Platzierung hat Kanada vor allem der Stabilität und Vorhersehbarkeit in der Politik, dem hohen Bildungsniveau, qualifizierten Arbeitskräften und einem wirksamen Rechtssystem zu verdanken. Ganz gut schneidet Kanada auch aufgrund einer unternehmerfreundlichen Umgebung und einer offenen und positiven Haltung ab.
Der vierte Platz geht in diesem Jahr an die Schweiz. Unternehmen aus aller Welt wissen vor allem die sehr gute Infrastruktur des kleinen Alpenstaates zu schätzen. Die hohe Bildung und der Umweltschutz landen gar im Vergleich zu 2014 nicht mehr nur auf Platz drei, sondern gleich auf der Eins. Auch die robuste Wirtschaft, Arbeitsstandards, geringe Entlassungs- sowie Kapitalkosten sind im internationalen Vergleich so gut wie unschlagbar.
Unter die ersten drei schafft es in diesem - wie auch schon im vergangenen Jahr - der Insel- und Stadtstaat Singapur. Besonders punkten konnte das asiatische Land bei Unternehmen in diesem Jahr mit seinem institutionellen Rahmen, der im weltweiten Vergleich auf Rang eins landet. Außerdem liegt Singapur bei der technologischen Infrastruktur sowie der Bildung ganz weit vorne.
Platz zwei geht an die chinesische Sonderverwaltungszone Hongkong. Im Vergleich zum Vorjahr hat die chinesische Metropole zwei Plätze gut gemacht. Unternehmen aus aller Welt schätzen Hongkong insbesondere aufgrund der betriebswirtschaftlichen Gesetzgebung, der Managementpraktiken, der unternehmerischen Einstellungen und Werte und der technologischen Infrastruktur. Ganz gut steht Hongkong auch bei internationalen Investitionen, der Fiskalpolitik und bei den Betriebsfinanzen da.
Die wettbewerbsfähigste Volkswirtschaft der Welt sind die Vereinigten Staaten von Amerika. Das hat das IMD World Competitiveness Center in seiner aktuellen Vergleichsstudie bekannt gegeben.
Besonders attraktiv finden Firmen in den USA - laut Ranking - die dynamische Wirtschaft (66,2 Prozent), den guten Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten (55,1 Prozent), den starken Fokus auf Forschung und Entwicklung (49,3 Prozent) sowie das unternehmensfreundliche Umfeld (43,4 Prozent).
Punkten können die USA zudem als attraktiver Forschungsstandort. Nachholbedarf gibt es im Bereich der Schulbildung.
Was muss Deutschland tun, um seine Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern?
Die Lage in Deutschland muss im europäischen Kontext betrachtet werden. Deutschland ist ein exportorientiertes Land. Erholt sich die Wirtschaft in der Euro-Zone, verbessern sich auch die Perspektiven für Deutschland. Die Wahrnehmung der Standortqualität durch die internationalen Entscheidungsträger stellte sich zudem günstiger dar, gelänge es, die Freihandelsgespräche mit den USA zum Erfolg zu bringen. Deutschland mit seiner diversifizierten Industrie würde überdurchschnittlich davon profitieren.
Griechenland hat sein Ranking trotz der chaotischen Politik der Regierung in Athen um sieben Plätze verbessert. Was steckt dahinter?
Für unser Ranking sind die wirtschaftlichen Fakten des Jahres 2014 entscheidend. Die damalige Regierung in Athen hatte unter dem Druck der Reformauflagen Maßnahmen durchgesetzt, die die wirtschaftlichen Rahmendaten verbessert haben. So sind nach Berechnungen der Weltbank die Bedingungen für unternehmerisches Handeln in Griechenland besser geworden. Der bürokratische Aufwand, ein Unternehmen zu gründen, hat sich reduziert und die Betriebe erhalten heute schneller eine Ausfuhrgenehmigung als früher. Dadurch hat sich Griechenland bei der Unternehmerfreundlichkeit der Rahmenbedingungen von Platz 54 auf Platz 48 vorgearbeitet. Zudem hat die Regierung die Subventionen gekürzt und die Eigentumsrechte werden besser geschützt. Das moderate Wachstum hat im vergangenen Jahr im Zusammenwirken mit den Entlassungen die Produktivität erhöht. Jetzt aber stellt die Politik der neuen Regierung diese Erfolge in Frage.
Portugal und Spanien scheinen nachhaltig auf Erfolgskurs zu sein. Wie steht es um Frankreich?
Portugal und Spanien ernten mittlerweile die Früchte ihrer Reformen. Die interne Abwertung hat ihre preisliche Wettbewerbsfähigkeit verbessert, die Wirtschaft in beiden Ländern wächst wieder. Frankreich leidet hingegen unter seinem unflexiblen Arbeitsmarkt und dem ausufernden Staat. Schattenwirtschaft, Korruption und hohe Subventionen sind die Folgen. Daher ist Frankreich in puncto Wirtschaftsfreundlichkeit seiner Rahmenbedingungen zurück gefallen, das Image des Landes bei den internationalen Entscheidungsträgern leidet. Angesichts des bröckelnden Rückhalts der Regierung bei der eigenen Bevölkerung besteht die Gefahr, dass es statt Reformen politischen Stillstand gibt.
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