Athen zahlt 450 Millionen zurück Woher hat Griechenland das Geld für den IWF-Kredit?

Griechenland hat am Donnerstag fristgemäß einen Kredit von rund 450 Millionen Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückgezahlt. Woher das Geld dafür kommt und wie es in der Schuldenkrise nun weitergeht.

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Griechenland will im Laufe des Tages einen IWF-Kredit zurückzahlen. Quelle: dpa

Griechenland hat fristgerecht den fälligen Kredit von rund 450 Millionen Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) überwiesen. Das meldete die griechische halbamtliche Nachrichtenagentur ANA-MPA unter Berufung auf Kreise des Finanzministeriums. Zuvor hatten Ministeriumskreise in Athen auch der Deutschen Presse-Agentur bestätigt, dass die Rückzahlung am Donnerstag pünktlich erfolgt. „Keine Sorge. Das Geld ist da. Wir werden es heute überweisen“, hieß es.

Woher haben die klammen Griechen das Geld für die Rückzahlung?

Griechenland hat große Finanzprobleme. Das Land sitzt auf gewaltigen Schulden und steht vor der Pleite. Seinen Zahlungsverpflichtungen kann das Land seit 2010 nur mit Hilfskrediten und Garantien des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Euro-Partner nachkommen. Die bisherigen Hilfen für Griechenland belaufen sich auf 240 Milliarden Euro, etwa 55 Milliarden Euro entfallen auf Deutschland. Der Schuldenberg des Landes beträgt 320 Milliarden Euro.

Am heutigen Donnerstag muss das Land einen Kredit an den IWF zurückzahlen. Das Volumen: rund 450 Millionen Euro. Bisher hat die griechische Regierung alte Kredite der Geldgeber meist mit neuen Hilfen der alten Partner abgelöst. Das geht dieses Mal nicht. Weil die Griechen Reformversprechen zum wiederholten Male nicht eingehalten haben, liegen fest eingeplante Anschlusskredite auf Eis. Die Euro-Partner und der IWF haben Auszahlungen von 7,2 Milliarden Euro gestoppt, weil die angeforderte Reformliste aus Athen als nicht ausreichend angesehen wurde.

Die Reformliste der Griechen

Griechenland hat sich deshalb am Mittwochnachmittag am Finanzmarkt 1,1 Milliarden Euro beschafft und damit seine Finanznöte etwas gelindert. Das Land begab kurzlaufende Staatspapiere (T-Bills) mit einer Laufzeit von sechs Monaten. Die Verzinsung beträgt 2,97 Prozent. Damit zahlt der Staat fast das Doppelte dessen, was das frühere Euro-Krisenland Portugal für Anleihen mit zehn Jahren Laufzeit bieten muss. Vize-Finanzminister Dimitris Mardas sprach dennoch von einer "erfolgreichen Emission". Inländische Investoren hätten das gesamte Ausgabevolumen übernommen.

Kann Griechenland nun durchatmen?

Nein. Es ist immens wichtig, dass Griechenland den IWF-Kredit bedient. Eine Verzögerung wäre als teilweiser Zahlungsausfall gewertet worden und hätte das Land endgültig in die Pleite rutschen lassen können. Das Bedrohungsszenario aber bleibt. Noch in diesem Monat muss das Krisenland weitere rund 2,4 Milliarden Euro an auslaufenden Kurzfrist-Krediten zurückzahlen beziehungsweise ersetzen, am 1. und 12. Mai müssen beim IWF weitere Kredite über 195 Millionen bzw. 746 Millionen Euro abgelöst werden. Dies wird wohl wieder mit T-Bills versucht. Im April steht noch ein weiterer Verkauf der Kurzläufer an, mit der - wie auch bei der jüngsten - auslaufende kurzfristige Kreditgeschäfte ersetzt werden. Dabei übernahmen in der aktuellen Auktion griechische Investoren, zumeist Banken, auch den Teil von 350 Millionen Euro, der bei der Vorgänger-Emission noch bei ausländischen Anlegern gelandet war. T-Bills sind momentan die einzige Quelle, aus der sich der griechische Staat finanzieren kann.

Wie sähe ein Befreiungsschlag aus?

Ruhe in Griechenland dürfte nur einkehren, wenn Europa und der IWF die Tranchen aus dem aktuellen Rettungspaket freigeben - und perspektivisch einem dritten Hilfspaket zustimmen. Das aber ist - aus guten Gründen - ungewisser denn je. Die griechische Regierung betont zwar regelmäßig, dass sie Reformen umsetzen und getätigte Zusagen erfüllen wird. Doch auf konkrete und überzeugende Ausführungen warten die Geldgeber weiterhin. Griechenlands Regierung will die Verhandlungen mit Experten der Geldgeber über eine umfassende Reformliste bis zum 24. April abschließen. Das erklärte Staatsminister Alekos Flambouraris am Donnerstag im griechischen Fernsehen. „Bei der Sitzung der Eurogruppe am 24. April wird es 100 Prozent eine Einigung geben“, sagte der enge Mitarbeiter des griechischen Regierungschefs Alexis Tsipras. An dem Tag kommen die Euro-Finanzminister zu einem schon länger geplanten Treffen im lettischen Riga zusammen. Erst wenn es eine Einigung auf eine umfassende Reformliste gibt, können blockierte und von Athen dringend benötigte Hilfen von insgesamt 7,2 Milliarden Euro fließen. Zu den Reformen gehören der verstärkte Kampf gegen die Steuerflucht in Griechenland sowie Privatisierungen von Häfen und Flughäfen.

Putin bietet Griechenland seine Hilfe an

Wie reagiert die griechische Regierung auf die zähen Verhandlungen mit den bisherigen Geldgebern?

Sie tourt durch die Welt auf der Suche nach Verständnis – und Geldgebern. Der griechische Finanzminister Giannis Varoufakis wurde im US-Finanzministerium empfangen, kassiere allerdings eine Abfuhr. Der für internationale Angelegenheiten zuständige Staatssekretär Nathan Sheets forderte Griechenland auf, in dem gegenwärtigen Verhandlungsprozess „ein Reformprogramm fertigzustellen, das eine finanzielle Unterstützung in einer angebrachten Zeit von Seiten der Gläubiger Griechenlands verdient“.

Erfolgreicher war der griechische Regierungschef Alexis Tsipras. Er reiste am Mittwoch nach Russland zu einem Antrittsbesuch beim russischen Präsidenten Wladimir Putin. Dieser versprach dem krisengeplagten Land mit Millionen-Investitionen und eventuell Hunderten Millionen für einen künftigen Gastransit unter die Arme zu greifen. Putin bot zudem eine umfassende Wiederbelebung der Handelsbeziehungen an. Beide Länder sollten das frühere Wachstumstempo wiederherstellen, appellierte der Kreml-Chef, der Athen auch Kredite für Infrastrukturprojekte in Aussicht. Zwar habe Athen keine Hilfe beantragt, doch seien Kredite für konkrete Vorhaben möglich. Beide unterzeichneten einen gemeinsamen Aktionsplan für 2015/2016.

Griechenlands Verflechtungen mit Russland

„Das Ziel meines Besuches ist ein Neustart in unseren Beziehungen“, sagte Tsipras. Die Kritik von EU-Politikern an seiner Reise wies er mit Nachdruck zurück. „Manche sollten aufhören, jede unserer Bewegungen in einer Art zu kommentieren, als wäre Griechenland eine Schuldenkolonie“, sagte Tsipras. Die Krise des Landes sei „ein europäisches Problem, das eine europäische Lösung braucht“.

Dennoch fürchten europäische Politiker, Griechenland könne sich nach Unterstützung in Russland umhören – und Moskau im Gegenzug Zugeständnisse in der Ukraine-Krise machen. Der Russland-Beauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler (SPD), hat Griechenland davor gewarnt, vom EU-Kurs im Ukraine-Konflikt abzuweichen. Erler sagte der Nachrichtenagentur AFP am Montag, Moskau könne versuchen, „einen Keil in die westliche Konsensfindung zu treiben“.

Was hat es mit dem Streit um deutsche Reparationszahlungen auf sich?

Seit das Syriza-Bündnis die Regierungsverantwortung in Griechenland übernommen hat, mehreren sich die Stimmen, Deutschland schulde den Griechen Geld. Im Streit um deutsche Reparationszahlungen für erlittene Schäden im Zweiten Weltkrieg hat der stellvertretende griechische Finanzminister Dimitris Mardas die Forderungen seines Landes auf 278,7 Milliarden Euro beziffert. Ein zuständiger Parlamentsausschuss komme nach einer ersten Auswertung auf diese Summe, teilte er am späten Montagabend im Parlament in Athen mit. Das Thema belastet die deutsch-griechischen Beziehungen seit Jahrzehnten.

Athens Reparationsforderungen an Deutschland

Zu den Reparationsforderungen gibt es bereits eine umfangreiche griechische Studie. Auf deren Grundlage prüfen der Parlamentsausschuss und der Oberste Gerichtshof des Landes zurzeit, wie mögliche Reparationsforderungen an Deutschland erhoben werden können. Die Gesamtforderungen werden darin auf zwischen 269 und 332 Milliarden Euro beziffert. Die Bundesregierung sieht die Entschädigungsfrage dagegen als erledigt an. Ein 1960 von der damaligen Bundesregierung abgeschlossenes Abkommen sah die Zahlung von 115 Millionen Mark vor. Eine Einigung ist nicht in Sicht.

(Mit Material von dpa und Reuters)

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