Autos mit Verbrennungsmotor EU und Deutschland legen Streit um Verbrenner-Aus bei

Ein Auto wird mit einem Kanister mit der Aufschrift «Klimaschutz könnte man Tanken – E-Fules for Future» an einer Tankstelle mit E-Fuel betankt. Quelle: dpa

Die Bundesregierung hat sich nach langem Ringen mit der EU-Kommission geeinigt. Auch nach 2035 können Neuwagen mit Verbrennungsmotor zugelassen werden. Die Bedingung: Sie können nur mit klimaneutralem Kraftstoff betankt werden.

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Die Bundesregierung hat sich im Streit um die Zukunft von Autos mit Verbrennungsmotor mit der EU-Kommission geeinigt. Das teilten Verkehrsminister Volker Wissing und EU-Kommissionsvize Frans Timmermans am Samstag mit. Die Einigung sei am späten Freitagabend erfolgt, teilte Wissing mit.

Man habe den Weg dafür freigemacht, dass Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, die ausschließlich klimaneutrale Kraftstoffe tanken, auch nach 2035 neu zugelassen werden können. Laut Wissing wurden konkrete Verfahrensschritte und ein konkreter Zeitplan verbindlich fixiert.

Timmermans schrieb auf der Kurznachrichtenplattform Twitter: „Wir haben mit Deutschland eine Einigung über die künftige Verwendung von E-Fuels in Autos erzielt.“ Man werde jetzt daran arbeiten, dass die Verordnung über CO2-Standards für Autos so schnell wie möglich verabschiedet werde.



„Der Weg ist frei: Europa bleibt technologieneutral“, verkündete Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) ebenfalls über Twitter. In einem ersten Schritt solle nun eine Kategorie rein mit E-Fuels geschaffen und dann in die Flottengrenzwert-Regulierung integriert werden. Dieses Projekt solle bis Herbst 2024 abgeschlossen sein.

Schon am Freitag hatte sich eine baldige Lösung abgezeichnet. Kanzler Olaf Scholz sagte nach dem EU-Gipfel in Brüssel im Hinblick auf die angestrebte Einigung: „Das wird schon passieren, und zwar ziemlich zügig.“

Nach einer Grundsatzeinigung von EU-Parlament und EU-Staaten aus dem Herbst 2022 sollen ab 2035 nur noch emissionsfreie Neuwagen zugelassen werden. Deutschland bestand aber darauf, auch danach Neuwagen mit Verbrenner zuzulassen, die sogenannte E-Fuels tanken – also klimaneutrale künstliche Kraftstoffe, die mit Ökostrom erzeugt werden.

Von einem Masseneinsatz sind E-Fuels noch weit entfernt. Sie gelten derzeit noch als knapp, teuer und ineffizient und werden daher kaum produziert. Einer Studie des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) zufolge reicht die bis 2035 erwartete Produktionsmenge nicht aus, um den Bedarf aller potenziellen Einsatzbereiche zu decken. Daher sollen E-Fuels nach dem Willen der EU-Kommission vor allem für den Schiffs- oder Flugverkehr reserviert werden.

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Bei der Grundsatzeinigung hatte Deutschland einen Zusatz in das Abkommen verhandelt, wonach die EU-Kommission einen Vorschlag vorlegen soll, wie nach 2035 Fahrzeuge zugelassen werden können, die nur mit E-Fuels fahren. In der EU-Kommission las man den entsprechenden Absatz stets so, dass davon Sonderfahrzeuge wie Kranken- oder Feuerwehrwagen betroffen sein sollen. Nach Berliner Lesart soll die E-Fuel-Ausnahme dagegen für alle Fahrzeuge gelten. Eine für Anfang März vorgesehene Bestätigung der Einigung durch die EU-Staaten wurde daher von Deutschland zunächst verhindert.

Viele EU-Partner hatten irritiert auf das deutsche Verhalten in dem Streit reagiert. Am Donnerstag sprach etwa der lettische Ministerpräsident Krisjanis Karins am Rande des EU-Gipfels vor laufenden Kameras von einem „sehr, sehr schwierigen Zeichen für die Zukunft“. Es sei verwunderlich, dass eine Regierung sich plötzlich anders entscheide, nachdem eine Vereinbarung bereits getroffen worden sei. Karins warnte: „Die gesamte Architektur der Entscheidungsfindung würde auseinanderfallen, wenn wir das alle tun würden.“

Hinter vorgehaltener Hand äußerten sich Diplomaten in Brüssel deutlicher. Sie werfen Deutschland einen Vertrauensbruch vor. Die Hängepartie gefährdete auch erhebliche Teile des EU-Klimaschutzprogramms „Fit for 55“, da die einzelnen Elemente Verbindungen haben.

Bundeskanzler Olaf Scholz begrüßte am Samstag den Kompromiss. Damit sei eine Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt worden, sagte er bei einem Bürgergespräch in Potsdam. Er machte aber auch deutlich, dass er eine Anwendung der Regelung noch für offen hält. „Wie viele davon Gebrauch machen und ob das überhaupt relevant wird, das kann niemand sagen.“

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Die Grünen reagierten am Samstag erleichtert, dass nun endlich ein Kompromiss gefunden wurde. „Es ist gut, dass diese Hängepartie ein Ende hat“, sagte Umweltministerin Steffi Lemke. „Alles andere hätte sowohl das Vertrauen in die europäischen Verfahren wie auch in die europapolitische Verlässlichkeit Deutschlands schwer beschädigt.“

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