Bankenaufsicht Kann die EZB als Bankenpolizei funktionieren?

Zu den Aufgaben der Europäischen Zentralbank gehört auch die Aufsicht über Europas Großbanken. Das führt zu Interessenkonflikten. Quelle: dpa

Die EZB hat viel Macht über Europas Banken - sie leiht ihnen nicht nur Geld, sondern kontrolliert sie auch. Ein Interessenkonflikt? Wie die Kontrolle über Europas Banken funktioniert, welche Probleme es gibt.

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Sein Job gilt nicht gerade als sonderlich hippes Metier. Fast scheint es, als sei Harald Heide selbst ein wenig überrascht, dass sich an diesem Montagabend Mitte Mai so viele Menschen für seine Arbeit als Bankenpolizist interessieren. Heide ist Bankenaufseher bei der Europäischen Zentralbank (EZB), zusammen mit 60 Mitarbeitern wacht er über die Geschäfte einer französischen Großbank. Das Bild des oberkorrekten Aufpassers passt, der Anzug sitzt, die Krawatte strahlt dezent blau, das dunkle kurze Haar ist korrekt gescheitelt.

Im trist-grauen Foyer des Württemberger Kunstvereins in Stuttgart steht er nun auf dem Podium und soll den rund 150 anwesenden Bürgern möglichst anschaulich erklären, wie die Aufsicht über Europas größte Banken funktioniert. Eine ältere Dame will es genauer wissen. Gewissenhaft hat sie mitgeschrieben, was Heide über Vor-Ort-Prüfungen, Sitzungen mit Bankvorständen und Maßnahmenkataloge zu berichten hat. Als Erste reckt sie den Finger in die Luft, um ihre Frage loszuwerden. Warum die EZB bei Italiens Banken nicht härter durchgreife, will sie wissen. „Wer hat da versagt?“. Und vor allem: wie kommt die EZB eigentlich mit so viel Macht klar.

Tatsächlich lässt sich der Machtzuwachs, den die EZB seit ihrer Gründung vor genau 20 Jahren erlebt hat, wohl nirgendwo so anschaulich betrachten wie bei der Bankenaufsicht. Seit 2014 kontrolliert die Zentralbank parallel zu Europas Geldpolitik auch noch die größten und mächtigsten Banken der Euro-Zone. Rund 1000 neue Mitarbeiter hat sie dazu eingestellt, hunderte zusätzliche Büro-Quadratmeter angemietet. Entstanden ist ein riesiger, bürokratischer Apparat mit vielen schlauen Köpfen. Gegenüber vielen nationalen Aufsichten sei die Kontrolle durch die EZB deutlich besser geworden, heißt es. Aber wie arbeiten die Kontrolleure der EZB eigentlich? Ist die Aufsicht tatsächlich von der Geldpolitik getrennt? Und warum jammern so viele Bankvorstände über die Aufsicht?

Einblicke in ein technokratisches Geschäft.

Zur obersten Bankenpolizei Europas wurde die EZB im Hauruckverfahren. Die Idee sei im Büro von EZB-Chef Mario Draghi Büro im 34. Stock des Frankfurter Eurotowers entstanden, erzählt einer, der damals dabei war. Die EZB müsse, argumentierten die Zentralbank-Direktoren, die Banken, denen sie dank Winzig-Zins so viele Milliarden leihe, besser kennen. Draghi selbst habe das Ansinnen mit vorangetrieben. Die „Defizite der nationalen Aufsichten, vor allem in Italien“, habe er dabei genau im Blick gehabt, sagt ein Insider. Die EZB erklärt allerdings, es habe keine Bemühungen um die Aufsicht gegeben. Die Entscheidung dazu sei in der Politik gefallen. Tatsächlich, im Juni 2012, nur acht Monate nach Draghis Amtsantritt, beschließen Europas Staats- und Regierungschefs, die EZB mit der Wacht über Europas Banken zu betrauen.

Für die Aufsicht sorgt ein Apparat von rund 1000 Mitarbeitern, hierarchisch organisiert wie eine Armee: Vier Generaldirektoren – darunter zwei Deutsche – gebieten über insgesamt 28 Abteilungsleiter, die wiederrum 90 Sektionschefs befehligen. Diese steuern die einzelnen Aufsichtsteams, die sogenannten Joint Supervisory Teams (JST). Große Banken wie die Deutsche Bank oder auch die Commerzbank haben in der Regel ein eigenes JST. Hier arbeiten EZB-Leute mit nationalen Aufsehern zusammen. Die Chefs der Aufsichtsteams sind EZB-Mitarbeiter wie Heide, die nicht aus dem Heimatland des beaufsichtigten Kreditinstituts stammen dürfen.

Das oberste Aufsichtsgremium ist das Supervisory Board. Hier sitzen neben den beiden Chefinnen der Aufsicht, der Französin Danièle Nouy und der deutschen Sabine Lautenschläger, auch die Chefs der nationalen Behörden. Für Deutschland stimmt Bafin-Chef Felix Hufeld ab, der oberste Bankenaufseher der Bundesbank sitzt aber ebenfalls im Gremium.

Mehr Einfluss durch Strafen

Die EZB besitzt schärfere Waffen als die nationalen Aufsichtsbehörden. Die 118 bedeutendsten Banken beaufsichtigt sie direkt, bei der Aufsicht über die kleineren Banken arbeitet sie mit den nationalen Behörden wie der Bafin zusammen. Die Großinstitute müssen der EZB einmal im Jahr erklären, womit sie in den kommenden zwölf Monaten ihr Geld verdienen wollen. Das ähnelt einer Due Diligence, bei der Kaufinteressenten ein Unternehmen durchleuchten. Das gibt es bei nationalen Behörden zwar auch, aber die EZB legt hier einheitliche Maßstäbe an.

Wenn den Aufsehern Probleme auffallen, können sie EZB-Mitarbeiter für einen längeren Zeitraum auch direkt in die betreffende Banken schicken, um dem Management auf die Finger zu schauen. Kommt es ganz hart, kann die EZB die Institute sogar auffordern, Teile ihres Geschäfts einzustellen.

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