Bankenaufsicht Kann die EZB als Bankenpolizei funktionieren?

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Maßstäbe schwer nachzuvollziehen

Das bekam zum Beispiel die Hamburger Sparkasse (Haspa) zu spüren, die wegen ihrer hohen Bilanzsumme ebenfalls von der EZB beaufsichtigt wird. Ihr Chef-Aufpasser war ein Spanier, dem das deutsche Sparkassenmodell zunächst recht fern schien. Über „viel zu viel regionales Risiko in den Bilanzen“, habe er geklagt, heißt es. Es dauerte eine Weile, bis er die Vorteile des dahinter steckenden Geschäftsmodells erkannte.

Mittlerweile habe man sich aneinander gewöhnt. Auch sprachliche Differenzen machten der Haspa am Anfang zu schaffen, Buchungssysteme mussten erst mal auf Englisch umgestellt werden. Grundsätzlich kann jede Bank wählen, ob sie mit den Aufsehern der EZB auf Englisch oder in ihrer Landessprache kommunizieren möchte. „Einige wählen bewusst die Landessprache, um die Prozesse zu verlangsamen“, sagt ein Aufseher.

Der Spielraum der EZB-Aufsicht zeigt sich auch daran, wie unterschiedlich sie Krisenbanken beurteilt – von außen ist kaum nachvollziehbar, welche Maßstäbe da gelten. Die spanische Banco Popular Español wurde 2017 wegen ihrer notleidenden Immobilienkredite in die Abwicklung geschickt. Auch die beiden italienischen Institute Veneto Banca und Banca Popolare di Vicenza wurden liquidiert. In diesen drei Fällen berief sich die EZB auf die Entscheidung der Brüsseler Bankenabwicklungsbehörde. Italien durfte dabei jedoch die privaten Anleger schützen, die nach strengen EU-Vorschriften sonst ihr Geld verloren hätten. Auch bei der italienischen Traditionsbank Monte dei Paschi di Siena durfte der Staat die Rettung unterstützen – vorbei an den strengen Regeln der Bankenunion. Solche Ausnahmen von den Regeln sind erlaubt, wenn die EZB-Bankenaufsicht mitspielt. Ihr Urteil besitzt in diesen Grauzonen der Politik ein großes Gewicht – ein weiteres Instrument ihrer Macht also.

„Die EZB nutzt ihren Spielraum bei der Bankenaufsicht weit aus, was häufiger zu Konflikten mit Banken führt“, sagt Henning Berger, Partner im Berliner Büro der internationalen Anwaltskanzlei White & Case. Der Rechtsanwalt hat im Auftrag der Deutschen Kreditwirtschaft ein Gutachten über die EZB-Bankenaufsicht verfasst. Die EZB will laut Berger ganz bewusst keine falsche Rücksicht auf nationale Besonderheiten nehmen, daher prüft sie etwa die Qualifikation von Vorständen und Aufsichtsräten sehr genau. Ins Visier der Aufsicht geraten daher auch zum Beispiel Banken, bei denen Politiker im Aufsichtsrat sitzen, die nach Einschätzung der EZB Interessenkonflikten unterliegen könnten.

Insgesamt sei die Qualität der Aufsicht zwar besser geworden. Dafür sei aber alles sehr technokratisch, monieren Kritiker. Die Aufseher seien zwar allesamt sehr gut ausgebildet und Fachleute auf ihrem Gebiet. Der Datenberg, den sie anfragten, sei aber beängstigend. Teilweise seien es dieselben Zahlen, nur anders aufbereitet. Geschichten von Vorständen, die Wochenendschichten schieben, weil die EZB kurzfristig noch ein paar Zahlen nachfragt, gehören bei Frankfurter Dinnerpartys zum Tischgespräch.

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