Politische Krisentage hatten in Italien schon immer etwas von Festtagen: Wenn mal wieder eine italienische Regierung gestürzt ist - was im Nachkriegs-Italien bislang 65 Mal vorkam -, entfaltet der römische Politikbetrieb seine ganze Grandezza: Vor der Kulisse der Ewigen Stadt fährt alles auf, was der italienische Staat zu bieten hat, und inszeniert die ganz große Oper der Politik. Limousinen rollen vor den Amtssitz des Staatspräsidenten, Oppositionsführer empören sich in palastartigen Räumen, und jeder, der noch was werden will, zeigt sich auf den Bühnen dieser Stadt.
Es wird im Rom 2016 gelogen, posiert und intrigiert wie zu Zeiten Ciceros. So war es auch in den vergangenen zwei Wochen, nachdem Staatspräsident Sergio Mattarella den bisherigen Außenminister Paolo Gentiloni zum neuen Regierungschef ernannt hatte.
Nur einer aus Italiens Politikerriege fiel eigentlich in dieser ganzen Zeit durch konsequente Abwesenheit auf: Pier Carlo Padoan. 66 Jahre, von Haus aus etwas spröde und dennoch der vermutlich wichtigste Mann im neuen Mitte-links-Kabinett: Dem Finanzminister war einfach nicht nach politischem Drama. Wohl vor allem deshalb, weil er mit einem anderen, ganz realen zu kämpfen hat.
Wissenswertes über Italien
Das Klima und die mediterrane Küche sind wohl ausschlaggebend für die hohe Lebenserwartung der Italiener. In Europa führen sie die Liste aller OECD-Staaten an, weltweit belegen sie den zweiten Platz. Die Lebenserwartung beträgt bei Frauen circa 83 Jahre, bei Männern 78 Jahre. Ungefähr 19 Prozent der Italiener sind älter als 65 Jahre.
Dennoch ist auch im Stiefelstaat der Trend zum Übergewicht festzustellen. Italien hat der adipösen Gesellschaft den Kampf angesagt und so gibt es in Italien einige Krankenhäuser, die sich ausschließlich um fettleibige Patienten kümmern.
Der Süßwarenfabrikant Michele Ferrero ist der reichste Mann Italiens. Sein Vermögen wird auf 17 Milliarden Dollar geschätzt. Leonardo Del Vecchio, Gründer von Luxottica, folgt auf Rang zwei.
Die italienische Landwirtschaft spielt insgesamt keine große Rolle. In zwei Bereichen sind die Italiener dennoch Weltspitze: So produzierte das Land 2010 rund 44,8 Millionen Hektoliter Wein. Nur Frankreich stellt mehr Wein her. Außerdem ist Italien, nach Spanien, der zweitgrößte Erzeuger von Olivenöl.
Italiens Handelspartner befinden sich in direkter Nähe zu dem Land. Deutschland ist der wichtigste Partner, gefolgt von Frankreich. Italiens Produkte erfreuen sich besonders in Großbritannien, Spanien und den USA großer Beliebtheit. Importiert wird aus den Niederlanden, China, Libyen und Russland.
Eindeutig Brillen herstellen! Denn Luxottica, mit Sitz in Agordo (Provinz Belluno) ist der weltgrößte Brillenhersteller. Seit 1995 kauft das italienische Unternehmen US-Marken wie Ray-Ban und Oakley auf.
Mailand, Turin und Genua sind die größten Wirtschaftszentren Italiens. Sie sind Teil des europäischen Wirtschaftsraumes, der durch neun Länder führt und "Blaue Banane" heißt. Zentrale Einrichtungen der Europäischen Union und 20 Weltstädte befinden sich in der Zone. Hier sind die Bevölkerung, die Wirtschaft, das Kapital und die Infrastruktur sehr gut verwoben und bilden somit eine wirtschaftliche Achse Europas. Vergleichbar ist dieser Wirtschaftsraum mit BosWash in den USA.
Kuriose Gesetze sind in Italien keine Seltenheit. So müssen Hunde dreimal täglich Gassi gehen. Die Polizei darf sich bei den Nachbarn auch erkundigen, ob dies eingehalten wird. Hohe Geldstrafen sind ausgesetzt, wer sich nicht an die Gesetze halten will. Wer sich in der Lombardei abends auf einer Bank ausruhen will, muss sich vergewissern, dass nicht mehr als drei Personen Platz nehmen. Denn in einem öffentlichen Park ist dies streng reglementiert.
Italien ist das Land mit den meisten Welterbestätten. Italien ist in Besitz von 100.000 Denkmälern. Darunter befinden sich nicht nur Kirchen, Galerien und Schlösser. Auch archäologische Funde, Brunnen und Villen fallen unter den Denkmalschutz.
Die Banca Monte dei Paschi (MPS) verunsichert die Finanzmärkte. Seit Sommer schon versucht die 1472 gegründete und damit älteste Bank der Welt, das drittgrößte Institut Italiens, fünf Milliarden Euro frisches Kapital aufzutreiben. So will sie sich gegen den massenhaften Ausfall fauler Kredite sichern, die in ihren Büchern stehen.
Seither werden Rettungsideen gewogen, gemessen - und meist für nicht praktikabel befunden. Und so muss man nun, ein paar Tage vor dem Ablauf der von der Europäischen Zentralbank gesetzten Frist zum 31. Dezember, wohl sagen: Es wird wohl nichts mit der Rettung aus eigener Kraft.
Falls dem so ist, müssten nach den Regeln der Europäischen Bankenunion die privaten Gläubiger der Bank herangezogen werden. Im Falle der MPS sind das allerdings ungewöhnlich viele Privatanleger: Für 40.000 Sieneser stehen über nachrangige Anleihen 2,1 Milliarden Euro auf dem Spiel. Genau deswegen liebäugelt Minister Padoan mit Staatshilfe.
Bisher ist dieser Weg offiziell noch nicht eingeschlagen. Nur: Mittlerweile ist es fast egal, ob das auf den letzten Metern noch klappt, es wäre ohnehin nur eine Zwischenlösung. Selbst wenn sich genug Investoren fänden, ist das Problem der italienischen Bankenbranche nicht gelöst: Eine Reihe von Volksbanken und Sparkassen ist ebenfalls nicht zukunftssicher, leidet unter zu vielen ausfallbedrohten Krediten. Zehn Prozent der italienischen Banken, heißt es in Mailänder Finanzkreisen, hätten "akute Probleme".
Und so deutet sich nun an, dass Padoan an der Sieneser Krisenbank ein Exempel statuieren möchte. Ein Pilotprojekt für das Aufräumen in der Branche. Ein "Rettungsschirm" über bis zu 20 Milliarden Euro soll gespannt werden, frisches Kapital würde (vorübergehend) zur Verfügung gestellt, Privatanleger herausgedrängt und entschädigt.
Allerdings: Europas Bail-in-Pläne, also das Versprechen aus der letzten Krise, Schulden nicht mehr zu sozialisieren und stattdessen private Gläubiger und Eigentümer wirklich für marode Banken haften zu lassen, wäre dann auch passé. Ein theoretisch sauberes Konzept, das den Realitätstest schon im ersten Krisenfall nicht bestanden hätte. Und so kommt es mit dem Fall MPS noch in diesem Jahr zu einem Showdown um die Frage: Wie ernst nimmt die Euro-Zone ihre eigene Krisenpolitik?