Benidorm Von Korruption, Mafia und modernen Piraten

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„InTempo“ - symbolisch für absurde Baupolitik in Spanien

Der Inbegriff der Absurdität des spanischen Baubooms steht direkt am Eingang von Benidorm: das 47 Etagen hohe „InTempo“-Gebäude, das seit Jahren leer steht wegen schwerwiegender Baufehler und der Pleite des Bauträgers sowie der beteiligten Sparkasse Caixa Galicia. Das inzwischen auch abgewickelte Finanzinstitut hatte für das Wohngebäude mit Blick bis zu den Balearen einen Kredit von 108 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Zu Füßen des 192 Meter hohen grün-goldenen Hochhauses liegt heute, vier Jahre nach der Fertigstellung, nur noch Schutt. Das in der Form des Buchstaben M gebauten Gebäudes gehört inzwischen dem internationalen Investmentfonds SVP Global.

Ein vergilbtes Schild davor macht deutlich: Hier stimmt was nicht. Besuche des Gebäudes sind derzeit nicht erlaubt: “Wir planen einen Relaunch in einigen Monaten”, heißt es bei SVP Global, an den Spaniens Bad Bank Sareb die Schulden von „InTempo“ 2015 zu einem Discount-Preis verkaufte: “Die ganze Geschichte um das Gebäude erinnert an einen Krimi”, heiβt es aus Kreisen der spanischen Institution.

Wer in einem der vielen Touristenboote von Benidorm zur gegenüberliegen Insel, “L’Illa”, fährt, genießt den Blick auf einen billigen Abklatsch von Manhattan, in dem „InTempo“ vor allem durch seine Hässlichkeit heraussticht. Ende dieses Jahres sollen die Appartements aller Voraussicht nach auf den Markt kommen. Gemäß spanischen Zeitungsberichten sollen diese je nach Größe bis zu einer Millionen Euro und mehr kosten. „Wer das bezahlen soll, ist unklar“, sagt die 61-jährige Wahl-Benidormerin Urretxo, die solche Investitionen eher im weiter südlichen liegenden Marbella angesiedelt sieht. „In Benidorm gibt es weder Yachten noch luxuriöse Villen, sondern vor allem Hotelbetten und Billig-Wohnungen“.

Die Umgebung vom InTempo. Quelle: Stefanie Claudia Müller

In Benidorm zählt Masse, nicht Klasse. Aber auch das bringt Geld und viel Neid. Fernab von Table Dance und Junggesellen-Abschieden wird unter Unternehmern und Politikern vor allem bedroht und verleumdet. Selbst dortige Vereinigungen gegen die Korruption wollen nicht persönlich mit der Presse sprechen: „In Benidorm selber können wir uns nicht treffen, das ist zu gefährlich. Besser per Telefon“, heiβt es. Auch, die Frau, die auf der kleinen Insel vor Benidorm allein mit ihrer Familie ein Restaurant führt, hat einen Gerichtsprozess laufen. Ihr wird vorgeworfen - von einem nach ihrer Meinung „neidischen Wettbewerber“ -, dass sie keine Steuern zahle und die von der Lokalregierung gebaute Bar, wo jeden Tag Dutzende von Urlauberboote ankommen, illegal sei. Vergiftete Atmosphäre, in der verständlicher Weise jeder den Part des Guten spielen will.

Auch der ehemalige konservative Premier José Maria Aznar, der Ziehvater dieser Baupolitik ist, glaubt sich auf der Seite der Guten: „Korruption ist ein Krebsgeschwür. Jeder muss für seine Taten gerade stehen“, verkündete er vor laufender Kamera. Gastronom Álvarez ist pessimistisch: „Was wir jetzt mit dem Sturz Rajoys gesehen haben, ist erst die Spitze des Eisberges. Es werden noch viel Köpfe rollen“. Álvarez ist nicht der einzige, der glaubt, dass auch die aktuelle PSOE-Regierung noch einige Säuberungsarbeit in der eigenen Partei leisten muss. Denn auch linke Bürgermeister haben bei dem korrupten Machtspiel mit der Bauwirtschaft und Hotelinhabern mitgemischt. Was mit „InTempo“ passiert? „Man darf gespannt bleiben“, sagt Álvarez.

Gastronom Victor Álvarez. Benidorm Quelle: Stefanie Claudia Müller

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