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Bettina Röhl direkt

Bunga Bunga und der Euro

Bettina Röhl Publizistin

Silvio Berlusconi wurde wegen einer Sex-Affäre zu sieben Jahren Haft verurteilt und dies, ohne dass es ein wirkliches Opfer gibt. Das Urteil zeigt, wie unterschiedlich in Europa gefühlt und gedacht wird.

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Wer in Italien um die Macht ringt
In Höchstform: Silvio Berlusconi (Mitte-Rechts-Bündnis)Mit Speck fängt man Mäuse. Silvio Berlusconi lockt die Wähler damit, die Eigenheimsteuer abzuschaffen, die bereits bezahlte Steuer zurück zu zahlen und eine Generalamnestie für Steuer- und Bausünden zu erlassen. Auch der viermalige Ministerpräsident Berlusconi stand vergangenes Jahr wegen Steuerhinterziehung vor Gericht.  Hinzu kommen unter anderem Sex-Eskapaden mit der Marokkanerin Ruby im Jahr 2010. Trotzdem ist der Milliardär bei den Italienern beliebt, der aktuell in zahlreichen Talkshows seinen Charme spielen lässt. Der medienerprobte 76-Jährige ist zwar Gesicht und Initiator des Mitte-Rechts-Bündnisses, Kandidat für das Ministerpräsidentenamt ist jedoch Angelino Alfano. Chancen: Laut den letzten Umfragen vom 8. Februar liegt das mögliche Ergebnis des Mitte-Rechts-Bündnisses zwischen 27.8 und 29.5 Prozent. Damit wäre es zweitstärkste Kraft. Berlusconis Ziel ist daher eine möglichst instabile Regierungskoalition, um bei Gesetzesentwürfen mitreden zu können. Quelle: dpa
Berlusconis Marionette: Angelino Alfano (Mitte-Rechts-Bündnis)Sollte Berlusconis Mitte-Rechts-Bündnis die Wahl gewinnen, dann würde nicht Berlusconi, sondern sein ehemaliger Justizminister Angelino Alfano (rechts) Ministerpräsident werden. Da laut Umfragen das Bündnis ohnehin wohl nur zweitstärkste Kraft wird, kann Silvio Berlusconi dies egal sein. Denn er zielt darauf ab, die Regierungskoalition aus der Opposition heraus zu beeinflussen. Sein offizieller Kandidat war bereits wegen Verbindungen zur Mafia in der Presse. Quelle: dpa
Der moderate Mann: Pier Luigi Bersani („Italia. Bene Commune.“)Einen erfahrenen Wirtschaftsexperten schickt das Mitte-Links-Bündnis „Italia. Bene Commune.“ ins Rennen. Ihr Spitzenkandidat Per Luigi Bersani will gegen die Probleme Italiens mit einer gemäßigten Politik vorgehen: Eine moderate Sparpolitik und eine moderate Sozialpolitik stehen auf seinem Programm. Der Sprössling einer Handwerkerfamilie aus bescheidenen Verhältnissen kennt sich auf dem politischen Parkett bestens aus. Der ehemalige Lehrer war unter anderem Wirtschaftsminister unter Romano Prodi und Koalitionspartner von Mario Monti. Chancen: Die letzten Umfragen vom 8. Februar sagen dem Mitte-Links-Bündnis ein Ergebnis zwischen 33,2 und 35 Prozent voraus:  Damit liegt Bersani vorn. Quelle: AP/dpa
Italiens Anti-Politiker: Beppe GrilloEr sieht sich nicht als Politiker, sondern als Aktivist: Beppe Grillo mischt Italiens politische Landschaft mit seiner „MoVimento 5 Stelle“ (Bewegung 5 Sterne) auf. Während sich Berlusconi im Fernsehen inszeniert, sind Internet und öffentliche Plätze die Bühne von Beppe Grillo. TV-Auftritte meidet er, stattdessen spricht er in Italiens Städten. Dabei lockt er stets Menschenmassen an, so wie auf diesem Foto am 16. Februar in Turin. Sein Blog beppegrillo.it gehört zu den erfolgreichsten der Welt. Er selbst tritt jedoch nicht als Spitzenkandidat an – dies erlaubt sein Parteiprogramm nicht, das keine vorbestraften Politiker ins Parlament lassen will. Seine Bewegung tritt überhaupt ohne Spitzenkandidat an. Das gehört zu seinem Feldzug gegen die politischen Verhältnisse. Chancen: Obwohl er politischer Neuling ist, ist Grillos Bewegung laut Umfragen bereits drittstärkste Kraft. Die Prognosen vom 8. Februar gehen von einem Ergebnis zwischen 14,7 und 18,8 Prozent aus. Damit liegt der Aktivist vor dem 2012 abgetretenen Präsidenten Mario Monti. Quelle: dpa
Der gefallene Stern: Mario Monti (Agenda Monti per l'Italia)Der ehemalige italienische Ministerpräsident feierte Erfolge: Er brachte das Land auf Sparkurs und stellte das internationale Vertrauen in Italien wieder her. Doch die zahlreichen eingeführten Abgaben und Steuern machten ihn bei den Wählern wenig populär. Schließlich sprach ihm die Berlusconi-Partei „Popolo della Libertà“ Anfang Dezember 2012 nicht mehr ihr Vertrauen aus, Monti trat zurück. In der jetzigen Parlamentswahl tritt er mit seiner „Agenda Monti per l'Italia“ (Aagenda Monti für Italien) an, die sich aus Parteien der Mitte zusammen setzt. Bei den meisten Italienern wirkt der ehemalige EU-Wettbewerbskommissar und Mailänder Professor jedoch zu technisch, gestelzt und abgehoben. Chancen: Viertstärkste Kraft soll Mario Montis Bündnis werden, wenn man nach den Umfrageergebnissen vom 8. Februar geht. Demnach erlangt seine Agenda zwischen 12,9 und 16 Prozent der Stimmen. Quelle: dpa
Der Mafia-Schreck: Antonio Ingroia (Rivoluzione Civile)Als Staatsanwalt widmet sich der 53-Jährige Antonio Ingroia dem Kampf gegen die Mafia, mit der er auch in zahlreichen Publikationen auseinander setzt. Mit der neu gegründeten "Rivoluzione Civile", der "Bürgerlichen Revolution" ist er nun in den Wahlkampf gezogen, der vor allem Mitte-Links-Parteien angehören. Chancen: Antonio Ingroias Bündnis bildet laut Umfragen das Schlusslicht unter den aussichtsreichsten Kandidaten. Die Prognosen vom 8. Februar gehen von einem Ergebnis zwischen 3,7 und fünf Prozent aus. Quelle: Reuters

Die Technokratenwährung, auch Euro genannt, offenbart immer neue Konstruktionsmängel. Dabei ist nicht einmal der Euro das Problem. Das Problem sind die Euro-Rettungspolitiker, die zum Teil noch dieselben sind, die schon die Konstruktionsfehler des Euro mit zu verantworten hatten. Der Ausdruck "Euroskeptiker" ist deswegen auch irreführend, da sich die Skepsis zumeist gegen die Draghis, die Merkels, die Hollandes usw. richtet, gegen deren Handwerk, deren Krisenmanagement und nicht gegen ein paar Münzen und Scheine.

Und was ließe sich zu Gunsten der Euro-Krisenmanager ins Feld führen? Der Euro einigte Europa. Er verhinderte den Krieg in Europa. Er verhinderte einen nuklearen Schlagabtausch zwischen Frankreich und England. Und er machte, dass alle Europäer einander lieben. Ohne den Euro sei die Kriegsgefahr groß, dass der Hass unter den Menschen in Europa unermesslich und die Wirtschaft erst in den Euro-Krisenländern und dann im Norden der Euro-Zone und schließlich in Deutschland kollabieren würde. Jede Veränderung des Euros bedeutet Chaos, Katastrophe und Armut. Mit dem Euro dagegen, wird alles gut. 

Der Euro: Opium für das Volk

Dies alles ist die klare, hier minimal überzeichnete Botschaft der Euro-Krisenmanager, die mit ihrem Rettungswahn, den Euro sowohl währungstechnisch als auch in seiner Rolle als massenpsychodynamischen Kristallisationspunkt hoffnungslos und zukunftsbelastend überfrachten. Der Euro als mentaler Freudenkitt der Europäer und als Urquell einer neuen europäischen Identität. Eine einfältige Währung soll die reale Vielfalt in Europa und die qualitativen Unterschiede der einzelnen Wirtschaftsregionen, die bestens mit ihren dazu gehörigen Währungen gefahren sind, zu einem monolithischen, ökonomischen Verbund zusammen kloppen,  der  auch in zehn Jahren noch mit einer Einheitswährung nicht funktionieren wird und mit astronomischen Transferleistungen weiter scheinegalisiert werden muss. 

Das schöne Europa der "Vaterländer", wie Robert Schumann oder Charles de Gaulles, Konrad Adenauer und andere Gründerväter der europäischen Union es nach dem Krieg nannten, war Einigkeit in vitaler Vielfalt. Und diese vitale Vielfalt fand sich im kulturellen Bereich wie auch im Bereich der ökonomischen und fiskalischen Kulturen. Es gab und gibt auch eigene Rechts-Kulturen, die den unterschiedlichen Sprachen und den unterschiedlichen historischen Entwicklungen geschuldet und die in höchstem Maße vielfältig waren. Und das war gut so. Das war schön, das war interessant und anregend. Justitia fand ihren Weg zum Recht mit verbundenen Augen überall in allen Ländern der EU und dies im Ergebnis gleich befriedigend oder unbefriedigend.

Dass der Euro das Rückgrat, das Hirn und das Herz Einheitseuropas wären, also Conditio für den Fortbestand Europas, ist eine ebenso traurige wie einfältige Behauptung. Nicht einmal die Steuersysteme der 17 Euro-Länder als eine wichtige Grundlage der 17 nationalen Wirtschaftsordnungen in der Euro-Zone konnten bisher harmonisiert werden. Und nicht einmal das Mehrwertsteuerrecht, geschweige denn die Mehrwertsteuersätze, konnten einheitlich gestaltet werden, was wohl daran liegt, dass das Institut der Mehrwertsteuer in den unterschiedlichen Steuersystemen jeweils einen anderen Stellenwert hat und anderen Ideen folgt.

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