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Die gefährliche Ideologie des "Egalismus"

Bettina Röhl Publizistin

Egal ob Bildungs- oder Gender-Politik, Integration oder Euro-Rettung - die irrige Grundannahme, dass alle Menschen auf der Welt identisch und geradezu austauschbar seien, beherrscht den westlichen Mainstream.

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Die zehn größten Euro-Lügen
Ex-EZB-Chef Jean-Claude Trichet Quelle: dpa
Wolfgang Schäuble Quelle: dpa
Giorgios Papandreou Quelle: dpa
Wolfgang Schäuble Quelle: dapd
Chef der Eurogruppe Jean-Claude Juncker Quelle: dapd
Angela Merkel mit Draghi Quelle: dapd
Mariano Rajoy Quelle: REUTERS

Deutschland, Europa und der Westen insgesamt oder besser der politisch korrekte Mainstream, der diesen Teil der Welt erbarmungslos im Würgegriff hält, sind seit einigen Jahren schleichend und bisher nicht hinreichend erkannt, von einer neuen Volte der Verirrsinnigung erfasst worden. Der aktuelle Systemvirus soll hier Egalismus genannt werden. Es handelt sich um einen echten Ismus, einen grauenvollen Imperativ, um eine furchtbare und menschenverachtende Ideologie.

Die Vokabel Egalismus geistert inhaltslos und unbedeutend durch die Geschichte und auch durch das Internet. Zumeist mit einer dämlichen Bedeutung, zum Beispiel versehen als Synonym für "das ist doch egal" o.Ä. So gesehen ist der Begriff des Egalismus hier eine Art Wortneuschöpfung und mit einer neuen ganz eigenen Bedeutung zu verstehen.

Es geht um eine geradezu suchtartige, moralisch, legalistisch und auch verfassungsrechtlich pervers aufgeladene öffentliche Manie, um eine Ideologie nach der alle Menschen auf der Welt geradezu identisch seien.

Das Gleichheitsprinzip der Aufklärung

Im deutschen Grundgesetz ist festgeschrieben, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind und auch die großen Weltreligionen sehen alle Menschen vor ihrer höchsten Instanz namens Gott gleich. Die Aufklärung hat diesem wertvollen Gleichheitsprinzip, die eine Errungenschaft der Menschheit ist, ihre moderne Schubkraft verliehen.

Aber dieses Gleichheitsprinzip bedeutet gerade nicht, dass alle Menschen identisch wären. Im Gegenteil: die deutsche Verfassung, die beispielhaft für die westlichen Rechtsordnungen steht, geht von der Realität aus, dass jeder Mensch ein Unikat, ein Individuum ist und mitnichten ein identisches Abziehbild aller anderen Menschen.

Wer die individuellen Entfaltungsrechte des Grundgesetzes sieht und nicht nur die Abwehrrechte, stellt fest dass die von der Verfassung anerkannte Realität eher von einer großen Diversifizierung der Individuen ausgeht, als von besonderer Ähnlichkeit. Die Menschen sind körperlich, geistig, seelisch, ihren Leistungswillen betreffend, ihre Glücksvorstellungen betreffend und in unendlich vielen anderen Hinsichten Individuen, die sich durchaus erheblich voneinander unterscheiden. Und doch sagt der westliche Mainstream heute, dass die Menschen mehr oder weniger geradezu identisch seien und behandelt jede andere Betrachtungsweise als ginge sie in Richtung Diskriminierung oder gar Rassismus.

Mit anderen Worten: der heutige Mainstream missversteht das Gleichheitsprinzip oder missbraucht es förmlich, in dem der menschenverachtende Irrsinn Platz greift, als bedeute die Tatsache, dass alle Menschen vor dem Gesetz und vor Gott gleich seien, dass die Menschen quasi identische Serienprodukte seien und deswegen austauschbar wären.

Differenzen werden atomisiert und vernebelt

Die größten Euro-Gegner
Hans-Olaf Henkel war Industrie-Chef und sieht Europa durch den Euro bedroht. Die aktuelle Krisenbewältigung schränke die Demokratie in den Eurostaaten erheblich ein. Henkel hofft auf ein Einlenken der Bundeskanzlerin. "Die Bereitschaft der Deutschen, weitere Griechenland-Rettungspakete und demnächst Portugal und Italien zu finanzieren, ist weniger verbreitet als die Bereitschaft, die Kernenergie zu unterstützen. Das heißt: Wenn Angela Merkel beim Euro eine Art Fukushima-Effekt erlebt, dann traue ich ihr zu, blitzschnell den Kurs zu ändern", sagte Henkel im Interview mit der WirtschaftsWoche. Quelle: AP
Der Ökonom und Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Hans-Werner Sinn hält viele Euro-Mitgliedsländer für nicht wettbewerbsfähig. Er plädiert für einen Ausschluss Griechenlands aus der Währungsunion und warnt eindringlich vor einer Bankenunion und Eurobonds. Im vergangenen Jahr hat er einen Brandbrief von rund 200 deutschen Ökonomen mitunterzeichnet. Innerhalb der Bundesregierung hat er sich damit keine Freunde gemacht. Doch das wird Sinn nicht stören. Einer, der den ifo-Chef gut kennt sagte, "Sinn würde zu seinen Thesen stehen, auch wenn andere daran zweifeln". Bevor Sinn sich und seine Thesen präsentiert, bereitet er sich stundenlang vor und feilt an seinen Formulierungen. Quelle: dapd
Alexis Tsipras ist Vorsitzender des griechischen Links-Bündnisses "Syriza" und der mächtigste Kritiker der griechischen Regierung. Er ist strikt gegen das Sparprogramm, das sein Land mit den internationalen Geldgebern verhandelt hat. Sein jüngster Vorschlag: Die griechische Regierung solle schlichtweg die Gespräche mit der Troika (IWF, Europäische Kommission und Europäische Zentralbank) verweigern. Die fortschreitende Privatisierung von Staatsbetrieben will Tsipras eigenen Worten zufolge "kriminalisieren". Die griechische Regierung soll im Eiltempo öffentliche Unternehmen verkaufen. Bei der Wahl im vergangenen Jahre erreichte seine Partei 17 Prozent der Stimmen und wurde zweitstärkste Kraft im Land. Umfragen sehen Tsipras inzwischen noch stärker. Quelle: dapd
Peter Gauweiler ist CSU-Politiker und profiliert sich vor allem als Euro-Skeptiker. Er stimmt gegen den Eurorettungsschirm und möchte die "Grenzüberschreitung" bei den europäischen Verträgen verhindern. Gauweiler war Mitkläger gegen die Euro-Hilfen, die vom Verfassungsgericht aber bestätigt wurden. Der CDU-Politiker befürchtet, dass sich die Ereignisse bei den Rettungsversuchen "überschlagen". Deshalb wisse er auch nicht, ob Angela Merkel selbst am Rettungsschirm weiterhin festhalten werde. Quelle: dpa/dpaweb
Silvio Berlusconi ist Unternehmer und ehemaliger italienischer Ministerpräsident. Bei den Parlamentswahlen in Italien holte er fast 30 Prozent der Stimmen und konnte so eine linke Regierung verhindern. Berlusconi punktete im Wahlkampf mit dem Versprechen, die Sparprogramme seines Vorgängers Mario Monti rückgängig zumachen. Auch für seine populistischen Thesen gegen den Euro erhielt er Applaus. Den Euro zu verlassen, sei keine Blasphemie, sagt Berlusconi. Quelle: REUTERS
Timo Soini ist Mitglied des Europaparlaments und Präsident der Partei "Basisfinnen". Sie lehnt Finanzhilfen für Griechenland ab. Mit seiner Euro-skeptischen Haltung weiß Soini viele seiner Landsleute hinter sich. In Finnland wächst die Sorge, dass die wohlhabenden Länder Europas den Süden dauerhaft alimentieren müssen.
Der Chef der rechtspopulistischen niederländischen Partei für die Freiheit (PVV) Geert Wilders hat sich erfolglos am Euro abgearbeitet. Er geißelte die Sparregeln als "ein Diktat Brüssels", an denen sich jedes Land kaputtspare. Doch bei den Wahlen im September 2012 wurde Wilders von den Bürgern abgestraft und flog aus der Regierung. Quelle: REUTERS

Egalismus hat nichts mit der landläufig verwendeten Vokabel der Gleichmacherei zu tun. Egalismus ist eine wütende Fiktion, die sich rapide wie ein Lauffeuer verbreitet. Die objektiven Differenzen werden atomisiert, vernebelt und klein gemacht, so dass die öffentliche Empfindungslage die Realität der Individualität zunehmend minimiert.

Das in Europa geltende, undemokratisch an der Öffentlichkeit vorbei implementierte Gender-Recht liegt voll in diesem ideologischen Trend, nach dem Mann und Frau in Wahrheit (die bekanntlich über der Wirklichkeit steht) identisch, androgyn und nur Mensch und sonst gar nichts wären.

Die Fiktionen der Gleichheit okkupieren die Bildungspolitik in einer Weise, das man kalauern möchte, dass es lauter ungebildete Leute sind, die die Bildung nunmehr seit Jahrzehnten reformieren und reformieren und reformieren. Das neue politische Ideologiewort in der Bildung heißt Inklusion, was in der Praxis eine endgültige Nivellierung aller individuell unterschiedlichen Bildungsfähigkeiten von Kindern bedeutet. Viele Politikfelder sind vom Virus des Egalismus jedweder freien Entscheidung beraubt worden und die Dynamik geht weiter.

Kulturkreise, Volksgemeinschaften, Gesellschaften

Man kann Menschen bekanntlich gar nicht so ohne Weiteres aus der Prägung ihren individuellen Biographien herauslösen. Aber man kann es. In der Psychologie geht es ja gerade darum negative Einflüsse aus der Biographie, Traumata, handhabbar zu machen.

Kulturkreise, Volksgemeinschaften, Gesellschaften sind viel schwerfälliger als Individuen. Diese aus ihren Traditionen heraus zu reißen ist Generationenarbeit, weshalb die Zwangsintegration unterschiedlicher Kulturen, die in Europa unter der Fahne des Egalismus überall administriert wird, eigentlich ein furchtbarer und zum Scheitern verurteilter Ansatz ist.
Da könnte nur über einen sehr sehr langen Zeitraum harmonisch zusammen wachsen, was realiter höchst unterschiedlich ist. Aber das ist nichts für eine Legislaturperiode, in der zum Beispiel ein paar widersinnige Schulreformen alles richten sollen. Trotzdem ist dies der Ansatz der egalistischen Ideologie, die das Geschehen beherrscht: Kulturkreise, Volksgemeinschaften, Gesellschaften, auch Religionsgemeinschaften werden in dem Ungeist des Egalismus auf eine brutale, menschenverachtende Weise ihrer Individualitäten beraubt und auf eine sehr stupide Art gleich gesetzt und das alles um die Fiktion einer schnellen Integration aufrecht zu erhalten.
Um es zu wiederholen: es geht nicht um die Gleichheit vor der Verfassung oder vor einem Gott, sondern es geht um eine wahnhafte Wahrnehmung, dass die Individualität, dass die Differenzen nicht oder nur minimal existierten und dass jede realistische Beschreibung der Wirklichkeit ihrerseits ein überkommener Realitätsverlust wäre.

Individualitäten von Gesellschaften

Was den Deutschen Angst macht
Platz 19: Zerbrechen der PartnerschaftAuf dem letzten Platz des Rankings landet die Sorge vor einem Zerbrechen der Beziehung, und das trotz unvermindert hoher Scheidungsquoten in Deutschland. Mit 20 Prozent der Bundesbürger, die sich hiervor fürchten, hat diese Angst aber im Vergleich zu 2012 zugenommen: Im letzten Jahr waren es vier Prozentpunkte weniger. Etwas mehr Männer (21 Prozent) als Frauen (20 Prozent) haben Angst davor, den Partner zu verlieren. Quelle: dpa
Platz 18: StraftatenVor Gewalt und Unrecht fürchten sich 24 Prozent der Deutschen. Die Angst vor Straftaten hat im Vergleich zu 2012 um zwei Prozentpunkte zugenommen. Quelle: dpa
Platz 17: Vereinsamung im AlterDie Herausforderungen einer alternden Gesellschaft bereiten den Deutschen Kopfzerbrechen. Viele haben Angst davor, im Alter zu vereinsamen. 31 Prozent der Befragten äußerten diese Sorge - zwei Prozentpunkte mehr, als 2012. Männer gaben diese Angst mit 29 Prozent etwas seltener an als Frauen (33 Prozent). Quelle: dpa
Platz 16: Krieg mit deutscher BeteiligungDie Sorge vor einem Krieg mit deutscher Beteiligung rutscht mit 32 Prozent in den untersten Bereich der Ängste-Skala. Gegenüber dem Vorjahr nahm diese Sorge aber um drei Prozentpunkte zu. Quelle: dpa
Platz 15: Drogensucht der eigenen Kinder35 Prozent der Deutschen fürchten sich davor, dass ihre Kinder drogenabhängig werden könnten. Diese Angst hat im Vorjahresvergleich mit einem Prozentpunkt leicht zugenommen. Frauen (37 Prozent) sorgen sich hier mehr als Männer (33 Prozent) um das Wohlergehen des Nachwuchses. Quelle: dpa
Platz 13/14: ArbeitslosigkeitDas Schreckensgespenst Arbeitslosigkeit hat im Vergleich zum Vorjahr deutlich zugelegt. Mit 36 Prozent der Deutschen ist die Furcht vor der eigenen Arbeitslosigkeit um vier Prozentpunkte gestiegen. Noch 2012 war diese Sorge gegenüber 2011 um vier Prozentpunkte zurückgegangen und damit auf den niedrigsten Wert der Studie gesunken – nur 1994 war die Sorge schon einmal so gering. Die Angst vor Arbeitslosigkeit in Deutschland allgemein landet auf dem 13. Platz und kommt auf 39 Prozent - unverändert gegenüber 2012. Quelle: dpa
Platz 12: Sinkender Lebensstandard im AlterZum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig - viele Deutsche haben Angst davor, später einmal finanziell unter Druck zu geraten. 40 Prozent der Bundesbürger - genauso viele wie im vorigen Jahr - fürchten sich vor einem sinkenden Lebensstandard im Alter. Quelle: dpa

Zwar wird gern damit gespielt, dass man Traditionen anerkennen müsse und dergleichen. Aber das sind in Wahrheit nur Schaumschlägereien, um im konkreten Diskurs öffentlich Punkte zu sammeln.

Wie sonst käme man auf den Gedanken im Westen zu sagen, dass man auf seinem Staatsgebiet mehr Menschen haben möchte und diesen Wunsch dadurch befriedigt, dass man aus anderen Kulturkreisen größere Gruppierungen von Menschen dort exportieren und hierzulande importieren könnte, ohne zu begreifen, dass man Menschen mit ihren Gruppen-Traditionen nicht einfach so hin und her schieben kann.

Auch hier wird mit Traditionen, Sitten und Gebräuchen unterschiedlicher Gesellschaften, die aufeinander treffen, im öffentlichen Raum heuchlerisch, scheinheilig, aber vor allem auch sachirrig bis zum Erbrechen herum gefuchtelt. Darüber aber gibt es die gnadenlose Fiktion, dass alle Menschen und Gesellschaften in Wahrheit so gleich seien, dass man sie unter dem Stichwort der Integration zu einer Kongruenz zusammenfügen, ja zusammenschmelzen  könnte, die es in Wahrheit ohnehin gäbe und die nur von eingebildeten Unterschieden gestört würde.

Allerdings: Wertesysteme, Rechtsordnungen sind nicht gleich. Und sie sind auch nicht mit einer tumben Politik auszumerzen, um es etwas brutaler auszudrücken.  Ein Beispiel sind die katholische und die evangelische Kirche, die sich über kleinste Fragen streiten und die sogenannte Ökumene nicht hinbekommen. Diese kleinsten Fragen sind offenbar trotz eines schon lange währenden Dialoges von Generation über Generation unüberwindbar groß.

Egalismus ist Ersatzreligion der Atheisten

Der Egalismus ist regelrecht zu einer Ersatzreligion des primär atheistisch dominierten Westens geworden, der sich von Religionen und den Religionsgemeinschaften, die er inkludieren will, in Wahrheit immer mehr entfernt. So wird im Egalismus des Westens als objektive Tatsache vorgegaukelt, dass alle Religionen im Kern und in Wahrheit mit der westlichen Philosophie und mit dem westlichen Naturrechtsverständnis, das für die höchste Rationalität gehalten wird, identisch seien. Nach der Devise: alle Menschen wollen nur das Gute und die westliche Vernunft sei bestens in der Lage die eigentlich nur eingebildeten Differenzen verschwinden zu lassen.

Der Egalismus befördert nicht die Integration, was er vorgibt zu tun, sondern er behindert sie in Wahrheit. Die teils enormen Differenzen zwischen Individuen und auch zwischen Gemeinschaften durch die Negierung ihrer Existenz zu entsorgen, ist Desintegration. Die Crux ist, dass sich der Egalismus selber als die Vollendung der übergeordneten Wahrheit betrachtet.

Egalismus und die Weltwirtschafts-und Finanzkrise

Was die Weltwirtschafts-und Finanzkrise und die Eurokrise anbelangt, leiden die im Wesentlichen vom Westen diktierten Rezepturen ebenfalls an dem beschriebenen Egalismus.
Alle Rettungsmaßnahmen zu Gunsten des Euro bis hin zur jüngsten Perfektionierung des ESM basieren auf der sachirrigen Annahme, dass jeder Euro an jedem Ort des Wirtschaftskreislaufes nicht nur weitgehend dieselbe Kaufkraft hätte, sondern auch denselben volkswirtschaftlichen Nutzen brächte. Und das ist erkennbar eine geradezu idiotische Annahme.

Euro ist nicht gleich Euro

Die Herren über den Euro
Mario Draghi ist seit 1. November Präsident der EZB. Zuvor war er Gouverneur der Banca d'Italia (2006-2011) und Vizepräsident von Goldman Sachs in London (2004-2005). Quelle: rtr
Vizepräsident der EZB ist der Portugiese Vítor Constâncio. Als er Anfang 2010 auf seinen Posten gewählt wurde, unterstützte auch die Bundesregierung seine Kandidatur. Ihr Kalkül: Durch die Wahl eines Südeuropäers auf den Vize-Posten sollten die Chancen vom damaligen Bundesbank-Chef Axel Weber auf die EZB-Präsidentschaft steigen. Daraus wurde bekanntlich nichts, weil Weber im Rat isoliert war und zurücktrat. Constâncio gilt als Befürworter des Ankaufs von Staatsanleihen der Krisenländer. Quelle: rtr
Jörg Asmussen ist im EZB-Direktorium verantwortlich für Internationales . Der frühere Staatssekretär wechselte direkt aus dem deutschen Finanzministerium in die EZB. Eigentlich wollte Bundeskanzlerin Merkel ihn als Chefvolkswirt durchsetzen... Quelle: rtr
... doch seine Kandidatur scheiterte. Da sich EZB-Chef Draghi nicht zwischen ihm und dem Franzosen Benoit Coeure entscheiden wollte, berief er stattdessen den Belgier Peter Praet  als neuen Chefvolkswirt . Dieser gilt als solider Fachmann - und als großer Befürworter von Anleihekäufen. Quelle: dpa
Der Franzose Benoit Coeure  bekam die Leitung der Abteilung Märkte . Damit hat er auch eine wichtige Rolle bei der Koordination der umstrittenen Staatsanleihenkäufe der EZB. Quelle: rtr
Neben dem EZB-Direktorium ist der EZB-Rat  das formale Beschlussorgan der Euro-Notenbank. Der EZB-Rat besteht aus den sechs Mitgliedern des Direktoriums sowie den 17 Chefs der nationalen Notenbanken der Eurozone. Obwohl im Direktorium geldpolitische Entscheidungen vorbereitet werden, trifft der EZB-Rat formal die Beschlüsse und legt die Geldpolitik im Euro-Raum fest. Der Rat tritt in der Regel zweimal monatlich zusammen. Seine Mitglieder sind ... Quelle: dpa
Luc CoeneGouverneur der belgischen Zentralbank . Im Amt seit 1. April 2011. Coene gilt als fachlich gut und stabilitätsorientiert. Quelle: rtr

Jede kommunale Wirtschaftsförderungsgesellschaft in Deutschland weiß um diese unterschiedliche Wertigkeit eines Euro. Deswegen wird nur die Ur-Produktion gefördert. Industrie und produzierendes Gewerbe werden zum Beispiel mit Förderungsmaßnahmen in eine Gemeinde gelockt und dort angesiedelt, um direkt Arbeitsplätze zu schaffen. Die mittelbar gleichzeitig entstehenden Arbeitsplätze etwa in Handel und Logistik bekommen dagegen aus den knappen Fördertöpfen nichts. Und das ist vollkommen zu Recht so.
Ein Euro-Stück sieht aus wie das andere. Aber ein Euro in Griechenland, Italien, Spanien und Portugal ist gesamtwirtschaftlich nicht dasselbe wie ein Euro etwa in Finnland, Holland, Deutschland oder Österreich und auch nicht dasselbe wie ein Euro in Frankreich. Wer das annimmt, unterliegt einem Irrglauben.
Abgesehen davon, dass eine alte Weisheit sagt, Not macht erfinderisch, kann man auch behaupten, Geld macht Ideen. Immerhin, was Kreativität und Fleiss und Können anbelangt, ist Geld jedenfalls eine recht ambivalente Größe.

Luxuserwartungen wurden geweckt

Die Schuldnerstaaten des Euro sind ja nicht ins Straucheln geraten, weil es dort in den letzten Jahren an Liquidität gefehlt hätte, sondern eher im Gegenteil die Schulden basierte Euro-Schwemme hat die Krise in den Schuldnerstaaten erzeugt. Man hat dort nicht nur schlecht gewirtschaftet, sondern man hat mit der Liquidität Unfug angestellt und obendrein noch Luxuserwartungen in großen Bevölkerungskreisen erweckt, die jetzt kaum mehr zu dämpfen sind, ohne dass es in den Schuldnerländern zu sozialen Konflikten kommt.

Jetzt die rentabel arbeitenden Volkswirtschaften der nördlichen Euro-Zone zu belasten, in dem man dort Euros abschöpft, die man in den nicht rentabel wirtschaftenden Süden schleppt, um dort in kürzester Zeit blühende Landschaften entstehen zu lassen, ohne, dass es einen real wirtschaftlichen Hintergrund für die Transferleistung gibt, enthält eine Komponente von Geldvernichtung.

Es heißt regelmäßig im veröffentlichten Bereich, dass eine globale Wettbewerbsfähigkeit der Südländer wieder hergestellt werden soll. Aber was heißt "wieder"?  War Griechenland je in der Lage weltmarkttaugliche Produkte auf europäischem Spitzenniveau zu liefern? Diese Frage muss mit Nein beantwortet werden. Allerdings war Griechenland früher in der Lage mit seiner eigenen Währung, und nur mit dieser, den landestypisch bescheideneren Lebensstandard seiner Bevölkerung zu erwirtschaften.

Das Gesamtvermögen der Eurozone verliert an Wert

Von einer faktischen Gleichheit beispielsweise zwischen Südkorea und Griechenland, die noch vor wenigen Generationen auf gleichem Niveau funktionierten, kann keine Rede mehr sein. Ein in Südkorea investierter Euro wäre ein Euro ähnlich jenem, der in Nordeuropa investiert wird.

Aber jeder Euro, der jetzt auf noch mehr Pump in die Euro-Schuldnerländer geschickt wird, um dort wirtschaftliche Entfesselungskräfte freizusetzen, ist ein Risiko-Euro. Sozialbedingte Transferleistungen, die nichts mit Euro-Rettung zu tun haben, können eine sinnvolle Sache sein. Aber jeder Euro-Transfer, der in funktionierenden Volkswirtschaften ein Loch reißt und in den Zielländern keine volle Kompensation bewirkt, ist eine Fehlinvestition.

Euro-Rettung wird teuer für Deutschland

Wo die Schuldenländer schon Erfolge erzielen
Griechenland: Die Lohnstückkosten sinkenStillstand in Griechenland? Nicht ganz. Bei der Sanierung der Staatsfinanzen hat Athen durchaus Erfolge vorzuweisen: Um sechs Prozentpunkte vom Bruttoinlandsprodukt wurde das Haushaltssaldo in nur zwei Jahren verbessert. Eine solche Konsolidierungsleistung hat kein anderes Euro-Land geschafft. Und im ersten Halbjahr liegt Griechenland beim Defizitabbau sogar vor dem Plan. Auch dem Ziel, seine Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, kommt das Land näher: Die Lohnstückkosten sind seit 2009 rückläufig. Aber bei den Strukturreformen, die für eine international konkurrenzfähige Wirtschaft zumindest ebenso bedeutend sind, bleibt noch viel zu tun.
Zwar hat das griechische Parlament seit 2010 Dutzende von Reformgesetzen verabschiedet. Aber es hapert bei der Umsetzung, weil die zuständigen Ministerien die notwendigen Durchführungsbestimmungen schuldig bleiben. Das geschieht weniger aus Nachlässigkeit als gezielt, um die Reformen zu hintertreiben. Denn die Politiker scheuen immer noch die Konfrontation mit den Kartellen, Gewerkschaften und Zünften, die sich gegen eine Deregulierung der Wirtschaft sträuben, weil sie sich dann dem Wettbewerb stellen müssten. Ein Beispiel: Die Öffnung der "geschlossenen Berufe", Hunderter Tätigkeiten, deren Ausübung strikt reglementiert ist, wie der Rechtsanwaltsberuf. Weil die Anwälte im Parlament stark vertreten sind konnten sie die Liberalisierung für ihren Berufsstand bisher verhindern. Manche Reformen ist Griechenland seit über einem Jahr schuldig geblieben. Die Wahlen vom Frühsommer haben das Land weiter in Verzug gebracht. Umso energischer drängen jetzt die Delegationschefs der Troika in Athen darauf, bei den Reformen endlich Gas zu geben.Text: Gerd Höhler, Athen
Italien: Die Erfolge sind sichtbarDie Technokraten-Regierung von Mario Monti hat in Italien innerhalb von neun Monaten mehr Reformen durchgesetzt als Silvio Berlusconi in allen seinen Legislaturperioden zusammen. Gleich nach seinem Amtsantritt im November hatte Monti noch vor Weihnachten das Maßnahmenpaket "Salva Italia" (Rette Italien) durchgepaukt, das jährlich Mehreinnahmen von 26 Milliarden Euro bringen soll. Zudem beschloss das Kabinett innerhalb kürzester Zeit eine Rentenreform, die das früher sehr großzügig ausgestaltete Rentensystem für die kommenden Jahrzehnte auf sichere Beine stellen soll. Es folgten zaghafte Liberalisierungen einiger Berufsstände und schließlich die große Arbeitsmarktreform im Frühsommer: Sie setzt auf mehr Flexibilität bei Einstellungen, ermöglicht aber auch ein leichteres Kündigen.
In Italien, wo die Arbeitslosigkeit im Juni mit 10,8 Prozent auf ein neues Rekordhoch seit 2004 stieg, ist der Arbeitsmarkt bislang zweigeteilt: Während sich ältere Angestellte meist über fast unkündbare Arbeitsverhältnisse freuen können, hangeln sich viele junge Menschen oft von einem befristeten Vertrag zum nächsten. Diese befristeten Verträge liefen in der Krise einfach aus. Diese Zweiteilung soll durch die Reform überwunden werden. Um die ausufernden Staatsausgaben zu drosseln, hat Monti (rechts) eigens den Parmalat-Sanierer Enrico Bondi als Spar-Kommissar an Bord geholt. Er sollte alle Ausgaben auf den Prüfstand stellen. Das Ergebnis: 26 Milliarden Euro sollen innerhalb von drei Jahren eingespart werden. Die Ausgabenkürzungen sind wichtig, da die Regierung nicht ohne Grund in der Kritik steht, bisher vor allem durch Steuererhöhungen den Haushalt saniert zu haben.Text: Katharina Kort, Mailand Quelle: dpa
Portugal: Auf dem rechten WegPortugal macht alles richtig - aber die Euro-Schuldenkrise und die Abhängigkeit von Spanien bergen weiter Risiken. So begründete die Ratingagentur Standard & Poor's den negativen Ausblick für das Land. Ähnlich war der Tenor im Juli bei der vierten Überprüfung des Kreditprogramms durch die Troika. Die portugiesische Regierung unter Premier Pedro Passos Coelho hat in einem Jahr enorm viel erreicht. Steigende Exporte und fallende Einfuhren brachten das Handelsdefizit fast ins Gleichgewicht, das Haushaltsdefizit schrumpfte von fast zehn auf 4,2 Prozent Ende 2011. Auch 2012 sei ein Defizit von 4,5 Prozent machbar, meint die Troika.
Die Arbeitsgesetzgebung wurde reformiert, Arbeitszeit und Löhne wurden flexibilisiert, die Kündigungskosten gesenkt. Nun soll die Regierung auf Geheiß der Troika eine Senkung der Arbeitgeberbeiträge prüfen, um die Beschäftigung zu beleben. Bis September muss Premier Passos Coelho (im Bild zu sehen) zudem die Lohnverhandlungen weiter flexibilisieren. Die EU-Dienstleistungsrichtlinie wurde teilweise umgesetzt, ein neues Wettbewerbsrecht verabschiedet, diverse Berufe wurden liberalisiert. Der Mietmarkt mit extrem niedrigen fixen Mieten und entsprechend verfallenen Gebäuden wurde dereguliert, eine Reform des teuren, trägen Rechtssystems ist angeschoben. "Wir glauben, dass all diese mikroökonomischen Reformen dazu beitragen, dass die Wettbewerbsfähigkeit durch steigende Produktivität statt durch sinkende Löhne verbessert wird", urteilt S&P. Immerhin lag der durchschnittliche Stundenlohn in Portugal mit 12,10 Euro Ende 2011 bereits 41 Prozent unter Spanien.Text: Anne Grüttner, Madrid
Spanien: Das Sparpaket ausgeweitetSpaniens Premier Mariano Rajoy gönnt sich derzeit ein paar Tage Urlaub in seiner Heimat Galizien. Kurz zuvor brach er ein bis dahin geltendes Tabu. Auf die stets eisern verneinte Frage, ob er den EU-Rettungsfonds in irgendeiner Weise anzuzapfen gedenke, antwortete Rajoy nun: "Ich habe keine Entscheidung getroffen, ich werde tun, was im allgemeinen und im spanischen Interesse ist." Er wolle zunächst alle Bedingungen kennen. Rajoy gab damit den Ball an EZB-Chef Mario Draghi zurück, der klargemacht hatte, die bedrängten Südländer müssten zunächst die Anleihekäufe des EFSF aktivieren, bevor die EZB den Rettungsfonds mit eigenen Maßnahmen unterstützen könne.

Das Gesamtvermögen der Eurozone verliert mit jeder auf bloße Euro-Rettung zielenden Transferleistungen von Nord nach Süd automatisch an Wert. Die Angleichungen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Südens an die des Nordens braucht allerdings viel mehr Zeit die Euro-Rettung-Maßnahmen es ermöglichen. Auch hier werden vorhandene, objektive Differenzen erheblichen Ausmaßes fiktiv wie nicht existent behandelt.

Die Euro-Rettung wird für Deutschland und für die Nettozahler der Euro-Krise teuer oder gar sehr teuer. Und die Menschen in Deutschland und in anderen Zahlerländern werden dies spüren. Und die Wirtschaft, deren Vertreter im Egalitätskonzert mitspielen, wird es spüren.

Wer auf den Gedanken kommt die negativen Folgen der in Wahrheit auf ad Infinitum angelegten Transferleistungen durch ein großes Inflationsszenario zu mildern, muss wissen, dass eine artifiziell herbei geführte Inflation auf besonders unmoralische Weise erhebliche soziale Ungerechtigkeiten innerhalb der deutschen Gesellschaft zeitigt.

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Kosmische Gleichheit

Es gibt immer einige Inflationsgewinner und viele Inflationsverlierer und unter diesen trifft es am härtesten die wirtschaftlich Schwächeren.

Im Euro-Rettungs-Rausch, der die Nehmer - und die Geberländer im Moment heimsucht, scheinen alle glücklich und ein paar Miesmacher sind da letzten Endes nur das Salz in der Suppe. Und doch ist es Bürgerpflicht darauf hinzuweisen, dass es die große kosmische Gleichheit nicht gibt und dass die Therapien gegen weltwirtschaftliche Krisenerscheinungen kontraproduktiv sind, wenn sie nicht die Differenzen im Blick haben.

Wer eine Krise beheben will und gleichzeitig alles identisch machen will und in Wahrheit dem Weltstaatsphantasma frönt, ist auf absehbare Zeit einem Scharlatan deutlich näher als einem vernünftigen Realpolitiker.

Merkel und Schäuble im Korrektheitswahn

Angela Merkel und Wolfgang Schäuble schweben in ihrem ganz speziellen politischen Korrektheitswahn. Und das Bundesverfassungsgericht  fährt in Sachen europäische Gemeinschaften und Bundesrepublik Deutschland einen gefährlichen Eierkurs. 

Griechenland ist ökonomisch gesehen von Deutschland so weit entfernt, wie die Drachme von der D-Mark es war. Und Ähnliches gilt auch für die anderen Schuldnerländer. Und das Frankreich eines gewissen Francois Hollande ist nicht Nord und nicht Süd, sondern stellt ein ganz eigenes volkswirtschaftliches Risiko dar. Schön, dass aus dem Kabinett Hollande eine rosige Konjunkturaussicht für das Land schon einmal propagiert wird.

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